Doctor Strange

Das Verfilmungspotenzial des Comic-Riesen Marvel scheint grenzenlos. Mit dem Magier Stephen Strange erhält eine weitere Figur ihren Solo-Film, der bekanntermaßen nur einen kleinen Teil des großen Ganzen namens „Marvel Cinematic Universe“ (MCU) bildet.

7-10Doctor Strange
Comicverfilmung USA 2016. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 115 Minuten. Kinostart: 27. Oktober 2016.
Mit: Benedict Cumberbatch, Tilda Swinton, Chiwetel Ejiofor, Rachel McAdams, Benedict Wong, Mads Mikkelsen u.a. Regie: Scott Derrickson. Drehbuch: Jon Spaihts, Scott Derrickson und C. Robert Cargill. Nach Comics von Stan Lee und Steve Ditko.

 

Doctor Strange_Poster

 

Strange Dimensions

Dr. Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) ist nicht nur ein begnadeter Neurochirurg, er verfügt auch über mehr ein mehr als gesundes Maß an Selbstbewusststein. Seine Kollegen wie Dr. Christine Palmer (Rachel McAdams) und Dr. West (Michael Stuhlbarg) behandelt er mit Herablassung. Nur die schwierigsten und aussichtslosen medizinischen Fälle erachtet Strange seiner Aufmerksamkeit für würdig. Nach einem selbstverschuldeten Autounfall werden jedoch seine Hände derart schwer verletzt, dass Strange seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Verzweifelt sucht er nach einer Heilung, steckt seine gesamten Ersparnisse und Mühen in alle erdenklichen Therapien. Doch als die westliche Medizin Strange nicht mehr helfen kann, sucht er sein Heil im Osten. Im mystischen Kamar-Taj trifft er auf eine mächtige Zauberin (Tilda Swinton), „Die Älteste“ genannt, und ihren Magierorden, welcher die Menschheit vor Bedrohungen aus anderen Dimensionen beschützt. Während Strange die Magie nur zur Heilung seiner Hände erlernen will, sieht „Die Älteste“ durchaus mehr Potenzial in ihm. Unterdessen plant der abtrünnige Magier Kaecilius (Mads Mikkelsen) mit seinen Schergen die Öffnung der Dunklen Dimension…

Doctor Strange_Krise Stephen Strange ist am Boden zerstört

War das „Marvel Cinematic Universe“ zuletzt teilweise im öden Action-Autopiloten festgefahren (siehe vor allem Avengers: Age Of Ultron), so sind die Konzernbosse um Marvel-Studios-Präsident Kevin Feige trotz mancher kreativer Bankrotterklärungen um Variation innerhalb ihres Kinoversums bemüht. Im spaßigen Ant-Man kämpfte der Titelheld im Mikroformat. Mit dem ebenfalls traditionsreichen Doctor Stephen Strange sollen nun Mystik und Magie Einzug in die cineastische Comicwelt finden. Das gelingt auch, wenngleich man als Zuschauer das Gefühl nicht ganz los wird, dass Regisseur Scott Derrickson (Sinister, Der Tag an dem die Erde stillstand) auf Anweisung von oben mit leicht angezogener Handbremse agiert.

Wo die bisherigen Filme des MCU oft nur überbordene CGI-Action boten, trumpft Doctor Strange mit optisch beeindruckenden Kaleidoskop-Effekten und psychedelischen „Tunnelvisionen“ à la 2001: Odyssee im Weltraum auf. Da macht endlich auch seit Langem wieder die dritte Dimension (pun intended) im Kino Spaß, vor allem weil die Ästhetik nicht einfach nur wie ein Abklatsch von Inception und Matrix wirkt, auch wenn rotierende Innenräume und „gefaltete“ Wolkenkratzer sehr an ersteren Film erinnern. Wie wir es von Iron Man & Co gewohnt sind, kommt beim magischsten aller Marvel-Heroen auch der Humor nicht zu kurz, vor allem wenn ernstere Szenen durch unerwartete Pointen aufgelockert werden. Der magische Umhang, den Strange im späteren Verlauf trägt, hat seinen eigenen „Kopf“ und versucht seinen Träger auf den richtigen Weg zu bringen, was dem Perfektionismus des Ex-Chirurgen und Neumagiers natürlich zuwiderläuft.

Die Besetzungsliste des 14. Films im MCU liest sich wie die eines Arthouse-Streifens. Neben dem vielbeschäftigtigen und Benedict Cumberbatch (Hobbit-Trilogie, Inside Wikileaks, Star Trek Into Darkness, 12 Years A Slave, The Imitation Game) agieren hier Chiwetel Ejiofor (12 Years A Slave, Der Marsianer) als Magier Mordo, Michael Stuhlbarg (A Serious Man, Hugo Cabret) als Stranges Chirurgen-Kollege sowie der Däne Mads Mikkelson (Casino Royale) als Widersacher Kaecilius und last but definitely not least: die einzigartige Tilda Swinton (Orlando, Die Chroniken von Narnia, Michael Clayton, Only Lovers Left Alive) als altehrwürdig-mächtige Magiermeisterin. Umso schade ist es daher, dass bis auf Cumberbatchs Titelheld und Swintons Mentorin fast alle Figuren blass bleiben. Sie erfüllen ihre Handlungsfunktion und reihen sich ansonsten in die lange Schlange der unterentwickelten „Sidekicks“ des MCU ein. Genau wie Kaecilius in die Riege der schwachen, eindimensionalen Gegenspieler.

Am Ende hätte Doctor Strange mehr Mut zur Andersartigkeit gut getan. Mehr bewusstseinserweiternde Trips anstelle von generischen Kampfszenen, mehr Illusion als Glamour, und sicherlich auch eine weniger formelhafte Dramaturgie. Aber um dies zu vollbringen hätte der Film wohl nicht Bestandteil des Marvel’schen Kinoversums sein dürfen.

Fazit: Doctor Strange eröffnet dem Marvel-Kinoversum beeindruckende neue Welten, lässt aber kaum mehr als einen kurzen Blick in diese zu. 7 von 10 Punkten.

 

Doctor Strange_Magie
Die Älteste lehrt Strange…
Doctor Strange_Strange
…doch der tut sich schwer.
Doctor Strange_Kaecilius
Kaecilius beschwört finstere Mächte

Marius Joa, 31. Oktober 2016. Bilder: Marvel/Disney.

 


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