Nach der verstörenden Aufmerksamkeits-Satire Sick of Myself, welche auf dem 49. Internationalen Filmwochenende in Würzburg im letzten Jahr gelaufen war, wurde der neue Film des norwegischen Regisseurs Kristoffer Borgli beim 50. Internationalen Filmwochenende Würzburg gezeigt. In Dream Scenario spielt Hollywoodstar Nicholas Cage einen unscheinbaren Professor, der in den Träumen anderer Menschen auftritt.
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Dream Scenario
Komödie/Thriller USA 2023. 102 Minuten. Kinostart: 21. März 2024.
Mit: Nicholas Cage, Julianne Nicholson, Jessica Clement, Lily Bird, Michael Cera, Dylan Gelula, Tim Meadows, Dylan Baker u.v.a. Drehbuch und Regie: Kristoffer Borgli.
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Der Mann unserer Träume
Paul Matthews (Nicholas Cage) ist Professor für Evolutionsbiologie und lehrt an einer kleinen Hochschule. Mit Ehefrau Janet (Julianne Nicholson) sowie den Teenager-Töchtern Hannah (Jessica Clement) und Sophie (Lily Bird) führt er ein wenig spektakuläres, aber schönes Leben. Paul bemerkt, dass er immer wieder von Leuten komisch beäugt wird. Bis sich herausstellt, dass Paul in den Träumen von immer mehr Menschen auftaucht, allerdings nur als passiver Beobachter. Das Phänomen weitet sich aus und Paul genießt den anfänglichen Ruhm. Mithilfe der Marketing-Agentur von Trent (Michael Cera) will Paul endlich einen Verleger für ein geplantes Buch zu seinem Forschungsgebiet finden. Trents Assistentin Molly (Dylan Gelula) beichtet Paul wenig später, dass Paul in ihren Träumen sehr aktiv sei und die beiden treffen sich am gleichen Abend. Wenig später gibt es die ersten Meldungen, dass Paul in den Träumen mittlerweile überaus gewalttätig agiert. Diese verstörenden Nachrichten haben massive Konsequenzen für den Professor sowie seine Familie und die Situation gerät allmählich außer Kontrolle…
Gleich nach seinem zweiten Film, der bösen Influencer-Satire Sick of Myself über eine narzisstische junge Frau, die für Aufmerksamkeit alles zu tun bereit ist, hat Regisseur Kristoffer Borgli (geboren 1985) den Sprung von seiner Heimat nach Hollywood geschafft. Denn sein nächstes Werk konnte der Norweger mit Ari Aster (Midsommar, Beau Is Afraid) als Produzenten und Kultstar Nicholas Cage in der Hauptrolle für das Independent-Studio A24, bekannt vor allem für Genre-Filme mit Arthouse-Ästhetik, umsetzen. Knapp zwei Monate vor dem regulären deutschen Kinostart wurde Dream Scenario am 26. Januar 2024 auf dem 50. Internationalen Filmwochenende in Würzburg im Rahmen der Nachtschiene gezeigt.
Eigentlich sind sich die beiden zentralen Figuren aus Borglis oben genannten Filmen nicht unähnlich. Sowohl Signe aus Sick of Myself als auch der von Cage gespielte Paul wollen Aufmerksamkeit, weil sich beide in ihrem alltäglichen Umfeld zu wenig beachtet fühlen. Die junge Frau möchte diese um allen Preis für sich allein, der Mann mittleren Alters als Anerkennung für seine Forschungsarbeit, welche ihm teilweise auch gestohlen wird, als eine frühere Kollegin einen Artikel über die von ihm erarbeiteten Themen schreibt. Darüberhinaus hören die Gemeinsamkeiten dann aber auch auf. Wo Signe völlig selbstzerstörerisch agiert, um gesehen und beachtet zu werden so reagiert Paul auf seinen Ruhm, für welchen er überhaupt nichts getan hat, eher irritiert. Obgleich er diesen natürlich nutzen will, um ein lange geplantes Buch über seine Arbeit voranzubringen.
Doch mit der Zeit wächst dem „Traum-Mann“ die ganze Sache über den Kopf und wird zunehmend unschön, vor allem wenn Leute Paul wegen ihrer Albträume nicht mehr in ihrer Nähe haben wollen und dieser Umstand natürlich Auswirkungen auf sein Leben und seine Familie hat. Dream Scenario begibt sich aber nur streckenweise auf Horrorpfade, der Großteil des Films funktioniert als herrlich absurde Komödie mit allerlei Seitenhiebe gegen soziale Medien und hohles Marketing-Gebahren. Dass die Story im letzten Drittel ein wenig unausgegoren wirkt gereicht allerdings nicht zum Nachteil.
Durch Filme wie Mandy (2018), Die Farbe aus dem All (2019), Massive Talent (2022) und Renfield (2023) hat Nicholas Cage in den letzten Jahren wieder an Kultstatus gewonnen, weil er für die genannten und weiteren Performances richtig auf die Tube drückt. Wer hier das Cage-typische Overacting bis zum Anschlag erwartet, der dürfte enttäuscht werden. Denn der mittlerweile 60jährige Star spielt hier gekonnt mit der für seine Rolle als unscheinbarer Jedermann passenden Zurückhaltung. Paul Mathews verliert nur selten wirklich die Kontrolle und erinnerte mich mit seiner wenig Selbstbewusstsein austrahlenden Aura etwas an den von Joaquin Phoenix verkörperten Protagonisten des ebenfalls albtraumhaften Psycho-Trips Beau Is Afraid von Ari Aster.
Wie auch schon in seinem vorherigen Streifen unterscheidet Kristoffer Borgli, der auch das Drehbuch schrieb und den Schnitt übernahm, in inszenatorischer Hinsicht nicht zwischen Traum/Fantasie und Realität, was durchaus für Irritation bei den Zuschauer*innen sorgt, die ganze Geschichte aber dadurch auch spannend und etwas unberechenbar macht. Ich wage es jedenfalls nicht zu träumen, welchem Projekt sich der norwegische Filmemacher als nächstes widmen wird.
Dream Scenario von Kristoffer Borgli startet am 21. März 2024 in den deutschen Kinos.
Fazit: Herrlich absurde Komödie mit Horror-Anleihen über einen von Nicholas Cage gespielten Mann, der in den Träumen anderer Leute auftritt. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 28. Januar 2024. Bilder: DCM Filmdistribution/A24.
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