Mit Denis Villeneuves langersehnter Neuverfilmung des Romans Dune – Der Wüstenplanet von Frank Herbert ist nun endlich einer der wenigen großen Leinwandepen dieses Jahres in den Kinos gestartet. Schafft es die dritte Adaption der komplexen Vorlage gerecht zu werden?
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Dune: Part One
Science-Fiction-Epos USA, Kanada 2021. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 156 Minuten. Knostart: 16. September 2021.
Mit: Timothée Chamalet, Rebecca Ferguson, Javier Bardem, Dave Bautista, James Brolin, Chen Chang, David Dastmalchian, Sharon Duncan-Brewster, Stephen McKinley Henderson, Oscar Isaac, Jason Momoa, Babs Olusanmokun, Charlotte Rampling, Stellan Skarsgård, Zendaya u.a. Nach dem Roman Der Wüstenplanet von Frank Hebert. Drehbuch: Jon Spaihts, Eric Roth und Denis Villeneuve. Regie: Denis Villeneuve.
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Düster und dräuend
In ferner Zukunft, im Jahre 10191. Die Menschheit hat weite Teile des Alls besiedelt und lebt in einer feudalistisch organisierten Gesellschaft. An deren Spitze steht der Padischah-Imperator Shaddam IV. und der sich aus Vertretern der großen Adelshäuser zusammensetzende Landsraad. Höchstes Gut ist Spice, eine bewusstseinserweiterende Droge, welche vor allem für die von der Raumgilde kontrollierten Raumfahrt absolut unentbehrlich ist. Spice kommt jedoch nur auf einem einzigen Planeten vor: Arrakis, auch Dune genannt, einem öden, lebensfeindlichen Wüstenplaneten unter dessen endlosen Sandmeeren gigantische Sandwürmer leben. Nachdem zuletzt mehrere Jahrzehnte lang Haus Harkonnen unter dem krankhaft übergewichtigen Baron Wladimir Harkonnen (Stellan Skarsgård) mit der Spice-Gewinnung betraut war übergibt der Imperator nun Herzog Leto (Oscar Isaac), Herrscher des Hauses Atreides, diesen Auftrag. Leto, seine Konkubine, die vom Hexen-Orden der Bene Gesserit trainierte Jessica (Rebecca Ferguson), und deren Sohn Paul (Timothée Chamalet) verlassen mit ihrem Hofe den Heimatplaneten Caladan und siedeln nach Arrakis über. Da die beiden Häuser Atreides und Harkonnen verfeindet sind, vermuten Leto und seine Getreuen eine Falle. Kurz nach der Ankunft wird Leto von einem seiner eigenen Leute verraten und die Harkonnen sowie imperiale Truppen überrennen die Atreides. Paul und Jessica können in die Wüste fliehen, wo sie von den dortigen Bewohnern, den Fremen aufgenommen werden. Pauls Fähigkeiten werden auf Arrakis verstärkt und so erkennt er allmählich, was in Zukunft alles passieren wird…
Kino ist eine der Branchen, welche die Corona-Pandemie sehr hart getroffen hat. Von März bis Juni 2020 sowie von November 2020 bis Juni 2021 waren die Lichtspielhäuser komplett geschlossen. Seitdem gelten strenge Hygienekonzepte mit Abstandsregeln, welche zur Folge haben, dass die Kinosäle niemals komplett ausgelastet sein können. Vor allem hat sich aber wortwörtlich so Einiges angestaut. Große Blockbuster wie jene aus dem Marvel Cinematic Universe wurden immer weiter verschoben. Christopher Nolans Tenet verpasste im Sommer 2020 trotz großem Hype mit 363 Millionen Dollar Einspielergebnisse das notwendige Ziel von 400 Millonen, um rentabel zu sein. Das veranlasste die großen Hollywood-Studios die Kinostarts ihrer teuren Produktionen weiter nach hinten zu verlegen. Der große Medienkonzern Time Warner gab im Dezember 2020 bekannt, dass alles seine Blockbuster in 2021 jeweils am gleichen Tag in den US-Kinos starten und beim Streaminganbieter HBO Max veröffentlicht werden. Eine Entscheidung, die für Unmut sorgte, nicht zuletzt bei Regisseur Denis Villeneuve und seinem Team. Denn man kann es drehen und wenden wie man will aber die neue Version von Dune, nach dem Roman von Frank Herbert (1920-1986), ist definitiv ein Werk für die große Leinwand. Nach der Welturauffrühung beim 3. September 2021 beim Filmfestival von Venedig startete die 165-Millionen-Dollar-Produktion am 16. September in den deutschen Kinos, fünf Wochen vor dem US-Termin (22. Oktober).
Da die Welt der meist gleichförmig verlaufenden Studioproduktionen mich mittlerweile eher langweilt gibt es in diesem Kinojahr nur zwei Blockbuster, welche ich wirklich auf der großen Leinwand sehen möchte. Neben dem sicherlich am meisten unter Verschiebungen leidenden Streifen der Pandemiegeschichte, dem neuen James-Bond-Film Keine Zeit zu Sterben (Kinostart: 30. September 2021, statt ursprünglich April 2020), ist das eben genau Dune. Mit einer gewissen Erwartungshaltung fieberte ich der dritten Verfilmung des Stoffes entgegen, wobei ich alle bisherigen Adaptionen (beide Fassungen von David Lynch und die Miniserie von 2000 sowie deren Fortsetzung) im Vorfeld noch einmal sichtete, auch um eine stimmige Vergleichsgröße für die Neuverfilmung zu haben.
In den 1970ern versuchte sich der chilenisch-französische Filmemacher Alejandro Jodorowsky an einer Adaption von Herberts erstem Wüstenplanet-Roman. Nach Designs von Moebius, H.R. Giger sowie Dan O’Bannon und mit großen Namen wie Orson Welles, Mick Jagger und Salvador Dáli (!) in wichtigen Rollen plante Jodorowsky ein megalomanisch-psychedelisches 14stündiges Filmmonstrum, welches dann aber daran scheiterte, dass die Geldgeber ausstiegen (siehe die Doku Jodorowsky’s Dune). Anfang der 1980er machte sich David Lynch unter der Ägide der De Laurentiis-Produzentenfamilie an seine Verfilmung. Lynch wolte an sich den Roman in zwei Teilen aufarbeiten, doch das Studio machte ihm diesbezüglich einen Strich durch die Rechnung. So kam 1984 ein etwa zwei Stunden und fünfzehn Minuten langes Werk heraus, welches als überaus bildgewaltiges und bizarr-surreales Weltraumepos zu beeindrucken vermag, inhaltlich im letzten Drittel aber wahnsinnig gehetzt wirkt. Der 1988 ausgestrahlten, dreistündigen TV-Fassung, die hinsichtlich der Story besser funktioniert, verweigerte Lyynch damals Anerkennung und die Nennung seines Namens. Die Adaption als dreiteilige, knapp fünfstündige Miniserie für den Syfy Channel durch John S. Harrison aus dem Jahre 2000 konnte als Fernsehproduktion zwar nicht mit der epischen Breite des Lynch’schen Kinofilms mithalten, erwies sich in erzählerischer und dramaturgischer Hinsicht aber als sehr gelungen.
Die Pläne für eine Neuverfilmung der epischen Space Opera um den Wüstenplaneten Arrakis gehen bis 2008 zurück als Paramount eine Adaption mit Peter Berg (Operation Kingdom) ankündigte. Mach Bergs Abgang sollte Pierre Morel (96 Hours) die Regie übernehmen, doch die Produktion kam nicht zustande, so dass die Rechte wieder an Produzent Richard P. Rubinstein zurückfielen. 2016 erwarb Legendary Pictures die Rechte an Herberts Buch und kurz danach wurde Denis Villeneuve als Mann auf dem Regiestuhl verkündet. Villeneuve avancierte durch seine einzigartigen Filme Enemy (2013), Arrival (2016) und die Kultfil-Fortsetzung Blade Runner 2049 (2017) zu einem meiner Lieblingsregisseure. Nach eigener Aussage wollte der Franko-Kanadier schon immer einen Dune-Film machen und habe sich durch seine beiden letztgenannten Werke gut darauf vorbereiten können. Von Anfang an war eine Aufteilung auf zwei Filme geplant (wie es Lynch auch damals vorgehabt hatte), um der inhaltlich komplexen Vorlage gerecht werden zu können. Unter Mitarbeit von Herberts Sohn Brian und Kevin J. Anderson, welche gemeinsam das Dune-Universum um unzählige weitere Bücher erweitert haben, begannen die Vorbereitungen. Villeneuve schrieb gemeinsam mit Jon Spaihts (Doctor Strange) und Eric Roth (Forrest Gump, München) das Drehbuch. Gedreht wurde von März bis Juli 2019 in den Origo Film Studios in der ungarischen Hauptstadt Budapest, im jordanischen Wadi Rum sowie im norwegischen Stadlandet. Ursprünglich war der weltweite Kinostart für November 2020, später Dezember 2020, geplant, doch die Schließung der Lichtspielhäuser während der Covid19-Pandemie sorgte für eine Verschiebung. In der Zwischenzeit hätte man eigentlich längst mit dem Dreh des zweiten Teils beginnen können, doch ob dieser überhaupt gedreht wird, hängt natürlich massiv vom Einspielergebnis des ersten ab.
Das mag (auch hinsichtlich dem Tenor anderer Filmkritiken) abgedroschen klingen, aber Villeneuves Dune zeigt von der ersten Minute an, dass dieses Werk für die größtmögliche Leinwand, eigentlich sogar fürs IMAX-Kino gemacht wurde. Inszenatorisch werden hier gigantische Geschütze aufgefahren, vor allem die monolithischen Raumschiffe und Flugkörper, welche ähnlich wie die „UFOs“ in Arrival majestätisch im Hintergrund thronen oder sich in die Lüfte erheben verdeutlichen den riesigen Rahmen in welcher sich die Geschichte bewegt, auch wenn man vom anderen Planeten außer dem titelgebenden wenig zu Gesicht bekommt. Es spricht vor allem für die nahtlose Zusammenarbeit unterschiedlicher Bereiche wenn man als Zuschauer im Kino nicht mehr unterscheiden kann, ob man gerade ein ausuferndes Set oder eben doch „nur“ eine täuschend echte Computer-Animation vor sich sieht. Kameramann Greig Fraser (Zero Dark Thirty) liefert Wüstenpanoramen von unwirklicher, rauer Schönheit. Doch „Dune 2021“ erweist sich nicht nur als visuell als großes Kino. Der deutsche Star-Filmkomponist Hans Zimmer hat nach zuletzt schwachen Arbeiten (Batman v Superman: Dawn of Justice, X-Men: Dark Phoenix) wieder mal einen überzeugenden Score geschaffen, der mit seinen überwältigend-aufdringlichen Bässen und Percussions, dem arabisch-anmutendem Gesang und flüsternden Chorpassagen eine perfekte Ergänzung zur optischen Darbietung gefällt und trotz der Überbordenden Überwältigungstrategie nicht zu dick aufträgt.
Das Skript nimmt sich vor allem zu Beginn ausreichend Zeit, die einerseits fremde, aber andererseits auch irgendwie vertraute Welt des Jahres 10191 zu etablieren. Auffallend ist die Verwendung unterschiedlicher Sprachen unter den diversen Völkern. Ein Aspekt, der in bisherigen Verfilmungen entweder ganz weggelassen oder stiefmütterlich behandelt wurde. Linguist David Petersen, in gleicher Funktion schon bei Game of Thrones tätig, entwickelte die unterschiedlichen Sprachen. Bereits im 1965 veröffentlichten Roman von Herbert finden sich einige gesellschaftspolitische und religiös-philosophische Themen und Konzepte, welche teilweise ihren Weg auch in die neueste Verfilmung gefunden haben. In der Eröffnungsszene beklagt sich die junge Fremen-Frau Chani über die Ausbeutung ihrer Heimatwelt, was nur allzu deutlich als Kritik am aus dem Ruder gelaufenen Kapitalismus (im Form eines feudalistischen Imperiums) sowie natürlich auch am Kolonialismus verstehen lässt. Die Nähe zu islamischen Ländern und ihrem grenzenlosen Vorkommen einer absolut unverzichtbaren Substanz (Öl in unserer Welt, Spice in der von Dune) verarbeitete Herbert damals in seinen Büchern zu Arrakis. Teilweise und eher unfreiwillig aktuell erweist sich der Film im Hinblick auf die Situation in Afghanistan wo nach Abzug der US-Streitkräfte und ihrer Verbündeten innerhalb weniger Tage die radikal islamischen Taliban das Land zurückeroberten und dies auch in den sozialen Medien feierten.
Ich hoffe sehr, dass der zweite Teil wirklich produziert wird. Im Hinblick darauf, dass im Sequel noch wichtige Details behandelt werden, kann die Villeneuve-Version möglicherweise überzeugen. Doch für sich genommen funktioniert „Part One“ inhaltlich nicht so ganz. Die absolut elementare Bedeutung des Spice wird nur kurz angerissen und die für interstellares Reisen zuständige Raumfahrt-Gilde sowie ihre Navigatoren nicht einmal gezeigt. Auch weitere Auswirkungen des Spice und seine Entstehung werden fast gar nicht thematisiert, gleichsam wie die diversen Interessengruppen und Funktionen innerhalb des galaktischen Imperiums. Man hätte sicherlich bei den zahllosen Visionen der zartgesichtigen Chani etwas Zeit sparen können. Dass weder der Imperator Shaddam IV, dessen Tochter Irulan und Feyd-Rautha, der andere Neffe des bösen Barons Harkonnen bisher noch nicht einmal gecastet wurden, erscheint mir dagegen kein Problem. Diese Figuren lassen sich auch noch im zweiten Film integrieren. Leider bleiben aus meiner Sicht die Charaktere in Teil 1 weitgehend blass. Tomothée Chamalet (Call Me by Your Name, Lady Bird) spielt zwar gekonnt den wegen seiner Visionen meist geistig abwesenden Protagonisten Paul Atreides, aber insgesamt wirkt der junge Schauspieler meist etwas lustlos. In der zweiten Hauptrolle konnte mich Rebecca Ferguson als Pauls Mutter Lady Jessica da schon etwas mehr abholen, wenngleich die schwedische Akteurin für die Rolle fast ein wenig zu jung wirkt. Ansonsten vermögen sich die meisten, prominenten Darsteller aufgrund ihrer doch meist recht reduzierten Parts wenig in den Vordergrund spielen, vielleicht mit Ausnahme von Jason Momoa (Game of Thrones. Aquaman) in der Rolle des jovialen Schwertmeisters Duncan Idaho.
So sehr man als Zuschauer von der Optik im positiven Sinne „erschlagen“ wird, die hier gezeigte Welt erweist sich als überaus farblos und meist sehr steril. Das Innenleben des Palastes in Arrakeen, der Hauptstadt des Wüstenplaneten, präsentiert sich wie eine Mischung aus renoviertem Bunker und stylishem, aber leblosem Architekturmuseum. Für meinen Geschmack bleibt das alles zu klobig bzw. unpersönlich und lässt die Unterschiede der einzelnen Planeten hinsichtlich Atmosphäre und Ambiente gering erscheinen. Wie gesagt, übe die endgültige Qualität von Denis Villeneuves Dune wird man erst nach dem zweiten Teil urteilen können. Aber die vorliegenden zweieinhalb Stunden müssen sich im Vergleich mit Lynchs und Harrisons Version leider mit dem dritten Platz begnügen. Inhaltlich war hier sicherlich mehr drin.
Fazit: Denis Villeneuves Dune erweist sich als überaus bildgewaltiges, audiovisuell intensives Leinwandepos, das jedoch inhaltlich teilweise enttäuscht. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 19. September 2021. Bilder: Warner.
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