Nach etwa dreimonatiger Verspätung durch den Schauspieler*innen-Streik in Hollywood läuft Dune: Part Two, die zweite Hälfte der Neuverfilmung von Frank Herberts Romanepos Der Wüstenplanet durch Denis Villeneuve nun in den Kinos. Ein Film für die große Leinwand.
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Dune: Part Two
Science-Fiction-Epos USA 2024. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 166 Minuten. Kinostart: 29. Februar 2024.
Mit: Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Javier Bardem, Josh Brolin, Stellan Skarsgård, Dave Bautista, Austin Butler, Florence Pugh, Charlotte Rampling, Léa Seydoux, Christopher Walken, Souhelia Yacoub u.a. Nach dem Roman Der Wüstenplanet von Frank Herbert. Drehbuch: Jon Spaihts und Denis Villeneuve. Regie: Denis Villeneuve.
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Machtkampf und heiliger Krieg
Im Jahre 10.191, in einer fernen Zukunft, in welcher die Galaxis von einem feudalen System unter Imperator Shaddam IV. (Christopher Walken) regiert wird und interstellares Reisen dank der pyschoaktiven Droge Spice möglich ist, eine Substanz, welche nur auf dem lebensfeindlichen Wüstenplaneten Arrakis vorkommt. Nachdem Leto Atreides im Auftrag des Imperators mit seinem Haus die Herrschaft über Arrakis und die Produktion von Spice übernommen hatte wurden er und seine Getreuen wenig später von einem der eigene Leute verraten und von ihren Erzfeinden den Harkonnen unter Baron Vladimir (Stellan Skarsgård) sowie dessen Neffen Rabban (Dave Bautista) fast komplett abgeschlachtet. Lediglich Letos Sohn Paul (Timothée Chalamet) und seine Mutter Jessica (Rebecca Ferguson), vom Orden der Bene Gesserit, konnten in die Wüste fliehen. Dort wurden die beiden von einem Stamm der Fremen, den Wüstenbewohnern, unter Stilgar (Javier Bardem) aufgenommen.
Mittlerweile hat der gewalttätige und ungeduldige Rabban die Kontrolle über Arrakis übernommen. Doch die Guerrilla-Taktiken der Fremen bringen die Spice-Förderung fast zum Erliegen. Baron Harkonnen bereitet unterdessen seinen anderen Neffen, den nicht minder psychopathischen Feyd-Rautha (Austin Butler) darauf vor, Arrakis zu übernehmen. Auch die Bene Gesserit-Schwesterschaft um die Ehrwürdige Mutter Gaius Helen Mohiam (Charlotte Rampling) und Lady Margot Fenring (Léa Seydoux) haben ein besonderes Interesse am zweiten Harkonnen-Erben. Paul und Jessica, welche die Rolle der Ehrwürdigen Mutter bei den Fremen übernommen hat und ihr zweites Kind erwartet, sorgen unterdessen für unterschiedliche Reaktionen unter den Wüstenbewohnern. Während die religiöse Fraktion um Stilgar den jungen Mann für den Messias einer alten Prophezeihung halten, erweist sich eine andere Gruppe um die junge Chani (Zendaya) als skeptisch. Dennoch arbeitet man gemeinsam daran, den Planeten vom Joch der Harkonnen zu befreien. Paul muss sich entscheiden, ob er die ihm zugedachte Rolle des Erlösers annimmt…
Die Versuche, Frank Herberts epischen, mit philosophischen, gesellschaftspolitischen und religiösen Thematiken gespickten Roman Der Wüstenplanet (Originaltitel Dune, 1965) zu verfilmen, reichen bis in die 1970er Jahre zurück. Damals wollte der verrückte chilenisch-französische Filmemacher Alejandro Jodorowsky eine 14stündige Adaption mit allerlei Stars machen, die aber daran scheiterte, dass die Geldgeber absprangen. Danach drehte der eigenwillige Regisseur David Lynch unter der Ägide der Produzenten-Familie De Laurentiis die erste Verfilmung fürs Kino. Dune von 1984 scheiterte an den Kinokassen und konnte wegen einer gehetzten zweiten Hälfte inhaltlich nicht ganz überzeugen. Lynch distanzierte sich vom Film, weil ihm Studio und Produzenten beim Schnitt der gut zweistündigen Kinofassung hereingeredet hatten. Aus der knapp dreistündigen Fernsehfassung von 1988 ließ er gar seinen Namen aus den Credits entfernen.
Im Jahr 2000 feierte eine TV-Adaption als dreiteilige Miniserie von Autor/Regisseur John Harrison ihre Premiere, welche Story und Figuren der Vorlage sehr gut entwickelte, aber mit einem vergleichsweise nicht sehr hohen Budget in produktionstechnischer Hinsicht Abstriche machen musste. Nachdem Namen wie Peter Berg und Pierre Morel im Gespräch waren übernahm der Kanadier Denis Villeneuve (Enemy [2013], Arrival, Blade Runner 2049) den Regieposten bei der nun kompletten Neuverfilmung. Villeneuve konzipierte die Adaption gemeinsam mit seinen Co-Autoren Eric Roth (nur Teil 1) und Jon Spaihts als Zweiteiler, wie es seinerseit auch Lynch geplant hatte. Dune: Part One konnte beim Kinostart im Herbst 2021 trotz Nachwehen der Covid19-Pandemie innerhalb kurzer Zeit genug Geld einspielen, um grünes Licht für die Dreharbeiten des zweiten Teils zu erhalten, welche zwischen Juli und Dezember 2022 in Ungarn, Italien, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfanden.
Wenn man mal von den klobigen, sterilen Kulissen absieht empfand ich Teil 1 in inszenatorischer Hinsicht als sehr stark. Darüber, dass die Unerlässigkeit von Spice für die interstellare Raumfahrt allerdings fast gar nicht erwähnt wurde, konnte ich auch bei der kürzlichen dritten Sichtung des Films nicht hinwegsehen. Zudem erschien mir die epische Filmmusik von Hans Zimmer zunehmend redundant. Meine Erwartungshaltung an Teil 2 war also nicht ganz so hoch. Dabei machen Villeneuve und sein Team hier so Einiges richtig und wirklich gut.
Aufwändige Großproduktionen, gemeinhin als Blockbuster bekannt, reizen mich persönlich mittlerweile kaum noch. Bei den letztes Jahr im Kino gesehenen aktuellen Filmen betrug die Blockbuster-Quote nur noch etwa ein Achtel. Es gibt dann aber doch wenige Werke aus dieser Größenordnung, die auch ich unbedingt auf der großen Leinwand erleben möchte. Dune: Part Two ist eines davon. Denn die 190-Millionen-Dollar-Produktion (der Vorgänger kostete „nur“ 165 Millionen) zeigt eindrucksvoll die Möglichkeiten einer Vorstellung in einem Kinosaal. Beeindruckende Wüstenpanoramen, majestätische Szenerien, eindringlich gefilmte Actionszenen und dazu ein überaus unmittelbarer Sound höchster Qualität. Hinsichtlich der hochwertigen Produktionswerte dürfte Villeneuves Version des kultigen Romanepos ganz oben stehen. Schade allerdings, dass die Kulissen trotz ihrer Imposanz weiterhin so steril wirken. Und der von Hans gezimmerte Score erschien mir auch im zweiten Film mit zu vielen Wiederholungen und dem nicht unbedingt subtilen Bombast aufzuwarten, welchen man mit dem deutschen Filmkomponisten verbindet.
Die alternativlose Bedeutung des Spice für interstellares Reisen im Dune-Universum kommt auch in Teil 2 nicht wirklich zur Sprache, was man aus meiner Sicht Villeneuve und Spaihts schon negativ anrechen muss. Ansonsten funktioniert „Dune 2“ inhaltlich sehr gut. Vor allem gelingt es das Szenario einem ausgeklügelten Update zu unterziehen. So wird Protagonist Paul nicht von allen Fremen als lang ersehnter Messias aufgenommen, sondern von manchen aush skeptisch beäugt, welche die Prophezeihung bezüglich des „Lisan-al-Gaib“ bzw. des „Mahdi“ für das halten, was sie eigentlich auch ist, nämlich von den Bene Gesserit gestreute Progapanda, um die Wüstenbewohner zu kontrollieren. Dieser Konflikt zwischen Religion und Politik weitet sich auch auf das Verhältnis zwischen Paul und Jessica bzw. Paul und Chani aus, was die Figuren und ihre Situation umso plastischer macht.
Was das Volk der Fremen angeht präsentiert sich die Neuverfilmung ethnisch wesentlich diverser und liefert so einen Gegenentwurf zu den durchgehend „weißen“ Angehörigen der großen Herrscherhäuser. Sprach man im ersten Teil noch überwiegend Englisch, so steht die Sprache der Fremen im zweiten Part stark im Mittelpunkt. Recht vielschichtig und ambivalent erweist sich auch das Ende des zweiten Films. Der Regisseur hat bereits angekündigt, irgendwann in naher Zukunft eine Verfilmung des zweiten Dune-Romans von Frank Herbert, Dune Messiah (deutsch Der Herr des Wüstenplaneten, 1969), drehen zu wollen.
Schauspielerisch ergänzt Part Two die namhafte Besetzung aus Teil 1 um weitere bekannte Akteur*innen. Die Rolle von Prinzessin Irulan, welche hier wie im Roman die Ereignisse aus ihrer eigenen Perspektive erzählt und kommentiert spielt Florence Pugh (Lady Macbeth, Midsommar [2019]). Als ihren Vater, den Imperator Shaddam IV. sehen wir Christopher Walken (Die durch die Hölle gehen, Sleepy Hollow), der allerdings gleichsam wie Léa Seydoux (James Bond: Keine Zeit zu Sterben) etwas verschenkt wirkt. Den widerlich-sadistischen Feyd-Rautha gibt Austin Butler (Elvis). In Person von Shishakli, gespielt von Souheila Yacoub (Climax [2018]), erhält eine weitere junge Frau bei den Fremen einen nicht unwichtigen Part. Timothée Chalamet (Call Me by Your Name, Lady Bird) konnte mich im zweiten Teil als zunehmend hin- und hergerissener Paul Atreides schauspielerisch mehr überzeugen. Gleiches gilt für Zendaya (Malcolm & Marie) als Chani, die hier über die Rolle des Love Interests hinaus kommt.
Dass es innerhalb von wenigen Jahrzehnten gleich mehrere unterschiedliche Adaptionen der gleichen Geschichte gibt, dürfte sicherlich eher selten vorkommen, zumindest bei einer solch komplexen wie dem Romanepos von Frank Herbert. So hat jeder der drei genannten Versionen ihre Vorzüge und Schwächen. Auch wenn sich Denis Villeneuve mit der möglichen Adaption von Dune Messiah noch etwas Zeit lassen wird so steht bald eine Serie aus dem Universum vor der Veröffentlichung. Dune: Prophecy, basierend auf Nachfolge-Werken von Frank Herberts Sohn Brian Herbert und Kevin J. Anderson, behandelt den Orden der Bene Gesserit und soll voraussichtlich Ende des Jahres erscheinen.
Fazit: Trotz kleiner (inhaltlicher) Schwächen ein intensives Scifi-Leinwandepos, welches die Vorlage zudem noch modernisiert. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 29. Februar 2024. Bilder: Warner.
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