Als letzten Film beim 46. Internationalen Filmwochenende Würzburg sah ich Echo, eine filmische Collage aus 56 kurzen Szenen, die alle in Island spielen.
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Echo (Bergmál)
Drama/Anthologie Island, Frankreich, Schweiz 2019. 79 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Drehbuch und Regie: Rúnar Rúnarsson.
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Impressionen aus Island
Für seinen Kurzfilm The Last Farm (OT: Síðasti bærinn) erhielt der Isländer Rúnar Rúnarsson 2005 eine Oscar-Nominierung. Sein Langfilmdebüt gab der 1977 geborene Filmemacher mit Volcano (Eldfjall), der 2011 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes seine Premiere feierte. Rúnarssons zweiter abendfüllende Spielfilm Sparrows (Þrestir) erhielt 2016 sogar einen deutschen Kinostart. Mit Echo hat sich der nun 43jährige an ein besonderes Projekt gewagt. Mit statischer Kamera drehte er 56 kurze Szenen ohne Schnitt, die alle zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel spielen.
Wassergymnastik in den heißen Quellen, der Aufbruch zu einer Expedition ins Eis, die liebevolle Versorgung eines Drogensüchtigen durch zwei Krankenschwestern, gemeinsames Weihnachtssingen auf der Straße, Besuch bei Opa im Altenheim usw. Diese und viele andere Miniaturen von meist nur ein oder zwei Minuten, jeweils ohne Kamerabewegung und in nur einer Einstellung gedreht, reiht dieser nüchterne Anthologie-Film aneinander. Eine konkrete Verbindung der einzelnen Szenen oder mehr auftretende Figuren gibt es nicht. Durch den schnellen Wechsel hat das ganze Werk einen zufälligen “Zapping”-Charakter, als ob man beim Fernsehen nacheinander diverse kurze Schnipsel durch häufiges Umschalten sieht. Viele Szenen zeichnen sich durch eine gewisse Beiläufigkeit aus, mit welcher sie eingefangen und präsentiert werden. Einige Beiträge glänzen aber auch durch absurd-alltägliche Komik, andere sind traurig und/oder bewegend. Am stärksten sind mir die beiden folgenden Szenen im Gedächnis geblieben: 1. Ein Mädchen trifft zum Fest auf die neue Freundin ihres geschiedenen Vaters und wird am Klavier von deren Tochter in den Schatten gestellt. 2. Ein altes Haus wurde angezündet und brennt so vor sich hin. Währendessen erklärt der Besitzer den Nachbarn, das Abbrennen sei billiger als der Abriss.
Auch wenn es mit Ausnahme der zeitlichen und örtlichen Komponente wenig bis keine Zusammenhänge zwischen den 56 Impressionen gibt so gelingt es Rúnarssons im Schnitt bisweilen eine gewisse Dialektik zu erzielen. Einem von Kindenr aufgeführten Krippenspiel folgt plötzlich eine Art Beauty-Contest von weiblichen Bodybuildern, dem Weihnachtsfest im Familienkreis wird die Szene mit einem reichen, aber einsamen Mann entgegenstellt, der sein “Mikrowellen-Festessen” fotografiert und in den sozialen Netzwerken teilt. Dadurch liefert Echo nicht nur einen Querschnitt der isländischen Gesellschaft, sondern darüber hinaus auch ein stimmiges Abbild der modernen (westlichen) Welt, vor allem im Hinblick auf zwischenmenschliche Momentaufnahmen.
Fazit: Dokumentarisch eingefangenes, aber rasant montiertes Panoptikum der Menschen in Island zur Zeit der Weihnachtsfeiertage. 8 von 10 Punkten.
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