Ein verborgenes Leben (2019)

Franz Jägerstätter wurde von den Nazis hingerichtet, weil er den Dienst an der Waffe verweigerte. Regisseur Terence Malick setzte ihm mit Ein verborgenes Leben ein filmisches Denkmal.

Ein verborgenes Leben (A Hidden Life)
Biografie/Drama USA, Deutschland 2019. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 174 Minuten. Kinostart: 30. Januar 2020.
Mit: August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon, Karin Neuhäuser, Karl Markovics, Tobias Moretti u.v.a. Drehbuch und Regie: Terence Malick.


Stiller Widerstand bis zum Schluss

Im österreichischen Bergdorf Radegund zur Zeit des Nazi-Regimes. Nach und nach werden alle erwachsenen Männer zum Kriegsdienst einberufen. Auch der Bauer und dreifache Familienvater Franz Jägerstätter (August Diehl) soll seinen Beitrag zur „Verteidigung des Vaterlandes“ leisten. Doch Franz weigert sich standhaft. Zum einen möchte er seine Ehefrau Fanny (Valerie Pachner), die gemeinsamen Töchter sowie seine alte Mutter (Karin Neuhäuser) mit der schweren Arbeit nicht alleine lassen. Außerdem verbietet ihm sein Glaube andere Menschen im Namen Nazi-Deutschlands zu verletzen. Obwohl ihn der Bürgermeister (Karl Markovics) mehrmals zu überreden versucht und Familie Jägerstätter von den anderen Dorfbewohnern mit großer Ablehnung behandelt wird lässt sich Franz nicht von seinem Weg abbringen. Nach dem ersten Gefängnisaufenthalt in Linz wird Jägerstätter nach Berlin-Tegel verlegt und am 9. August 1943 hingerichtet.

Bis vor knapp zehn Jahren war Terence Malick (geboren 1943) so gar nicht als sehr produktiver Filmemacher bekannt. Nach seinen beiden ersten Filmen Badlands – Zerschossene Träume (1973) und Tage des Himmels (1978) ließ sich der amerikanische Regisseur 20 Jahre Zeit bis zum nächsten, Der schmale Grat (1998). 2005 folgte The New World. Nach seinem epischen Drama Tree of Life (2011) erhöhte Malick allerdings seinen Output gewaltig. Neben den fiktionalen Werken To The Wonder (2012), Knight of Cups (2015) und Song To Song (2017), welche ohne detaillierte Skripts entstanden und sich daher keiner klassischen Dramaturgie unterordnen, erschien auch die Dokumentation Voyage of Time (2016). Für seinen zehnten Langfilm kehrte Malick aber wieder zu einer komplett ausgearbeiteten Geschichte zurück. Ein verborgenes Leben (Arbeitstitel Radegund) dreht sich um Franz Jägerstätter, einen österreichischen Kriegsdienstverweigerer, der für seinen Widerstand von den Nazis hingerichtet wurde, später aber zum Märtyrer erklärt und 2007 vom Papst seliggesprochen wurde.

Die Dreharbeiten fanden bereits im Sommer 2016 in diversen Dörfern Südtirols (die für das historische Radegund doublen) sowie in den Babelsberg Studios in Potsdam sowie verschiedenen Schauplätzen in Berlin und Sachsen statt. Malick ließ sich wie bei ihm üblich viel Zeit für den Schnitt und so erschien der Film erst knapp drei Jahre später bei den Filmfestspielen von Cannes 2019, wo das Werk im Rennen um die Goldene Palme war und den Preis der ökumenischen Jury gewann. Ab Dezember 2019 folgt der Kinostart in den USA und am 30. Januar 2020 die deutsche Kinopremiere. Trotz positivem Kritikerecho fand das biografische Drama kaum ein Publikum und spielte bei einem geschätzten Budget zwischen 7 und 9 Millionen Dollar weltweit bisher nur 4,5 Millionen wieder ein. Sehr bedauerlich. Denn Ein verborgenes Leben gelingt es ein gleichzeitig historisches und zeitloses Kunstwerk zu erschaffen, welches ohne großes Getöse auskommt.

Ehrlich gesagt hatte ich den vorliegenden Film gar nicht mehr auf dem Schirm, nachdem dieser ja eigentlich schon für 2017 oder 2018 indirekt angekündigt gewesen war, aber nun mit Verzögerung in die Kinos kam. Etwas abschreckend mag hier vielleicht auch die lange Laufzeit von knapp drei Stunden sein. Doch Malick schafft hier eine runde Geschichte mit authentischem Rhythmus. Zwischen die handlungsrelevanten Sequenzen werden hier immer wieder ruhige Momentaufnahmen montiert. Die Kamera von Jörg Widmer, der erstmals Emmanuel Lubezki als Malicks Chefkameramann ersetzt, filmt viele Szenen in etwas ungewohner Perspektive von schräg unten oder setzt bei den Personen nicht ihre Gesichter sondern die bäuerliche Arbeit in den Fokus. Einige der Autoritätsfiguren wirken diffus in den Hintergrund gerückt.

Obwohl der aussichtlose Widerstand gegen ein unmenschliches Regime im Zentrum steht wird hier auf extensive Gewaltdarstellung verzicht. Man bekommt mit wie der Protagonist Prügel einstecken muss oder schikaniert wird, doch gestalten sich diese Szene (wie der ganze Film) sehr zurückgenommen. Eine andere Herangehensweise hätte zum stillen Widerstand Jägerstätters auch so gar nicht gepasst. Vielmehr feiert Malick hier das idyllische Leben im Einklang mit der Natur und zeigt dabei wie es von unnatürlichen Mächten überschattet oder zerstört werden kann. Bezüge zur aktuellen politischen Situation dürften kaum zufällig sein, vor allem wenn der Bürgermeister Radegunds in einer drastischen Rede gegen „die Ausländer“ Stimmung macht. Leider gibt es solche rechten Demagogen auch heute noch.

Obwohl Ein verborgenes Leben komplett auf Englisch gedreht wurde, so versammeln sich hier fast ausschließlich Schauspieler aus dem deutschsprachigen Raum. August Diehl (Die Fälscher, Der junge Karl Marx) und Valerie Pachner (Egon Schiele – Tod und Mädchen) agieren mit zurückhaltendem, aber sehr eindringlichem Spiel. Daneben sind viele weitere bekannte Namen in teilweise sehr kleinen Rollen vertreten, etwa die mittlerweile verstorbenen Michael Nyquist (1960-2017; Millennium-Trilogie) und Bruno Ganz (1941-2019; Der Untergang). Außerdem treten Matthias Schoenarts (The Danish Girl), Ulrich Matthes (Der Untergang), Franz Rogowski (In den Gängen) und Alexander Fehling (Goethe!) kurz auf.

Bei anderen Regisseuren hätte die cineastische Aufarbeitung des Stoffes möglicherweise reißerisch-brutal, melodramatisch, effektheischend ausgesehen oder den Glauben seines Protagonisten völlig in den Vordergrund gerückt. All diesen Verführungen widersteht Terence Malick gekonnt.

Fazit: Stilles und doch intensives Drama mit ungewöhnlich, teils idyllischen Bildern sowie starken Darstellern. 9 von 10 Punkten.

 

 

Marius Joa, 8. März 2020. Bilder: Pandora Film.

 

 

 


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