Enemy

Das Doppelgänger-Motiv zieht sich durch diverse literarische Werke, wird aber auch in Filmen immer wieder auf unterschiedlichste Weise verwendet. Eine besonders rätselhafte Version liefert Regisseur Denis Villeneuve mit Enemy.

 

7-10Enemy
Mystery-Thriller Kanada/Spanien 2013.
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 90 Minuten. Kinostart: 22. Mai 2014.
Mit: Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent, Sarah Gadon, Isabella Rossellini u.a.
Regie: Denis Villeneuve. Drehbuch: Javier Gullón. Nach dem Roman
Der Doppelgänger von José Saramago.

 

Enemy_Poster

 

Die spinnen die Kanadier?

Geschichtsdozent Adam (Jake Gyllenhaal) führt ein tristes, eintöniges Leben. Tagsüber hält er routiniert und gelangweilt Vorlesungen. Abends korrigiert er in seinem trostlosen Apartment Arbeiten und schläft mit seiner Freundin Mary (Mélanie Laurent). Auf die Empfehlung eines Kollegen leiht er sich einen Independentfilm aus lokaler Produktion aus. Unter den Komparsen entdeckt er zu seiner Verblüffung einen Mann, der ihm bis aufs Haar gleicht. Übers Internet bekommt Adam die Identität des Schauspielers heraus. Der Doppelgänger heißt Anthony und lebt mit seiner schwangeren Frau Helen (Sarah Gadon) in einem schicken Apartment. Adam nimmt Kontakt zu Anthony auf und als sich die beiden treffen, stellen sie verblüfft fest, dass sie äußerlich wirklich identisch sind…

Enemy_Doppelt Wer bin ich und wenn ja wie viele?

Noch vor seinem von Kritikern und Publikum positiv aufgenommenen Entführungsthriller Prisoners (2013) drehte der franko-kanadische Regisseur Denis Villeneuve (Incendies – Die Frau die singt) sein englischsprachiges Debüt, den wesentlich spezielleren Film Enemy, in welchem ein unscheinbarer Mann auf seinen Doppelgänger trifft. Das hat natürlich Folgen, für beide. Aber auch für den Zuschauer. Die Story basiert auf dem Roman Der Doppelgänger des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers José Saramago (1922-2010).

Inszenatorisch ist dieser Arthaus-Trip ganz großes Kino. Allein die unheilschwangere Filmmusik des Duos Danny Bensi und Saunder Jurrians sorgt für eine unruhige, bedrohliche Grundstimmung. Dazu suhlt sich der Film in Hässlichkeit und Trostlosigkeit vor allem in Form der leblosen, unschönen Architektur von Adams dunkler Wohnung in einer grässlich-brutalistischen Hochhaussiedlung. Würde der Protagonist nicht Laptop und Handy verwenden, so könnte man meinen, die Geschichte spiele in den 1970ern oder 1980ern. In der Anfangsphase gelingt es auch die Monotonie von Adams Alltag äußerst wirkungsvoll darzustellen. Vorlesung, Korrigieren, Sex, Schlafen. Doch als Adam seinen Doppelgänger entdeckt und trifft ist für beide das Leben nicht mehr so wie es einmal war.

Natürlich darf man nicht unbedingt erwarten, dass am Ende eines Filmes wie Enemy alles aufgeklärt wird. Einen einigermaßen Hinweis darauf was es mit den Doppelgängern auf sich hat wäre aber dennoch sehr schön gewesen. Schließlich entwickelt der Zuschauer gewisse Erwartungen bezüglich einer steigenden Anzahl Fragen. Sind Adam und Anthony vielleicht nach der Geburt getrennte Zwillinge oder gar Klone? Leidet Adam unter Wahnvorstellungen? Und was hat es mit den immer wieder auftretenden Spinnen auf sich? Enemy beantwortet keine dieser Fragen, sondern wirft durch sein rätselhaftes Schlussbild weitere auf. Das ist freilich recht frustrierend. Vor allem weil immer wieder Hinweise in diverse Richtungen gestreut werden, die sich schließlich aber als so diffus wie die ganze Geschichte entpuppen. „Chaos ist eine Ordnung, die entschlüsselt werden muss“ heißt es zu Beginn von Film und Romanvorlage. Jeder muss sich also seinen eigenen Reim darauf machen.

Fazit: Beklemmend inszenierter Identitätstrip, der keine Antworten liefert, dafür aber genügend Raum für Interpretationen. 7 von 10 Punkten.

 

Enemy_Spinne
Im Netz der Spinne
Enemy_Adam
Adam führt ein langweiliges Leben

 

 

Marius Joa, 8. Juni 2014. Bilder: Capelight.


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