Etwas überraschend gewann Flow sowohl Golden Globe als auch Oscar als bester Animationsfilm und setzte sich damit gegen die Konkurrenz der großen amerikanischen Studios durch. Der Film von Gints Zilbalodis erzählt von einer Katze und weiteren Tieren, die während einer Flut zu überleben versuchen.
—

Flow (Straume)
Animationsfilm Lettland, Frankreich, Belgien 2024. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 84 Minuten. Kinostart: 6. März 2025.
Drehbuch: Gints Zilbalodis und Matīss Kaža. Regie: Gints Zilbalodis.

—
Die Odyssee der Katze
Eine dunkelgraue Katze sucht Zuflucht in einem unbewohnten Haus im Wald. Eines Tages werden sie und viele andere Tiere von einer gigantischen Flutwelle überrascht. Die Katze kann sich auf ein kleines Segelboot retten, wo sie auf ein Capybara trifft. Später gesellen sich noch ein Lemur, ein Labrador Retriever und ein Sekretärsvogel hinzu. Gemeinsam versucht die Gruppe von unterschiedlichen Tieren auf dem Boot zu überleben…
Als jemand der kleine, unabhängig produzierte Filme den meisten Produktionen großer Filmstudios vorzieht, freue mich immer sehr, wenn diese kleineren Werke dann auch international Anerkennung in Form von finanziellem Erfolg und Filmpreisen erhalten. So geschehen bei Flow (Originaltitel Straume, zu Deutsch „Strom“ oder „Strömung“), der nach seiner Premiere in Cannes 2024 auf zahlreichen Festivals lief, zum Kinofilm mit den meisten Zuschauer*innen in Lettland avancierte, und mehrere internationale Awards gewinnen konnte, darunter mehrere Preise beim Internationalen Animationsfilmfestival in Annecy sowie den Europäischen Filmpreis, Golden Globe und Oscar als bester Animationsfilm.

Ins Leben gerufen und inszeniert wurde Flow von Gints Zilbalodis, der 1994 als Sohn einer Künstlerfamilie in Riga geboren wurde. An der dortigen Kunsthochschule studierte er Multimedia-Design. Nach mehreren Kurzfilmen veröffentlichte Zilbalodis 2019 seinen ersten abendfüllen Animationsfilms, Away – Vom Finden des Glückes, der im März 2020 kurz vor dem Lockdown in der Covid19-Pandemie auch in die deutschen Kinos kam. Sein Langfilmdebüt hatte der Regisseur über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren komplett allein geschaffen. Direkt im Anschluss an die Fertigstellung von Away begann Zilbalodis mit der Arbeit an Flow, welche sich über fünfeinhalb Jahre erstreckte, als Zusammenarbeit von Zilbalodis’ Dream Well Studio sowie Sacrebleu Productions aus Frankreich und Take Five aus Belgien.
Zilbalodis und sein eher kleines Team verwendeten für die Erschaffung der 3D-CGI-Animationen die Open-Source-Software Blender. Trotz des nicht sehr üppigen Budgets von 3,5 Millionen Euro sind beeindruckend-schöne Bilder entstanden, welche die große Leinwand gut ausfüllen. Wobei man bei der Optik der Tiere ein wenig Abstriche machen muss, weil diese ziemlich nach Videospielfiguren aussehen. Diese kleine Mangel wird aber auch die flüssigen Bewegungen der Figuren und die überaus dynamische Kamera sehr gut kaschiert.
Die Story des gut 80minütigen Werkes basiert auf Aqua (2012), einem frühen Kurzfilm des Regisseurs, bei welchem eine Katze ihre Angst vor dem Ozean zu überwinden versucht. Diese Katze sehen wir nun als Hauptfigur in einem abendfüllenden Streifen und verfolgen das Geschehen aus ihrer Perspektive. Die Handlung spielt sich in einer Welt ab, welche von Menschen verlassen wurde. Nur noch die Gegenstände, Bauwerke, Boote usw. zeugen von einer früheren Zivilisation.
Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Animationsfilmen sind die Tiere hier nicht vermenschlicht und verhalten sich gemäß ihrer Art. Statt über Dialoge erfolgt die Kombination über Laute und Gestik. Die dadurch entstehende Dynamik wirkt umso authentischer und mit der Zeit schließt man als Zuschauer*in die heterogene Gruppe, wenn man so will eine Miniversion der Arche Noah, ins Herz. Der Zusammenhalt wird zwar immer wieder auf die Probe gestellt, doch mit der Zeit erkennen die tierischen Charaktere, dass sie aufeinander angewiesen sind und sich mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten gegenseitig helfen können.
Auch dank der surreal-schönen Bilderwelten sowie dem gekonnt zwischen verspielten, emotionalen und epischen Klängen chargierendem Score von Gints Zilbalodis und Rihards Zaļupe vermag Flow zu berühren und einen ähnlichen Sog wie Die Rote Schildkröte (2017) von Michael Dudok de Wit zu entwickeln. Beide Filme beweisen auf ihre jeweils eigene, eindrucksvolle Weise, dass großartiges Animationskino alles andere als überladen sein muss.
Fazit: Wunderschön erzählter, bewegender Animationsfilm ohne Dialoge und mit authentisch agierenden Tieren. 9 von 10 Punkten.
—


—
Marius Joa, 15. März 2025. Bilder: MFA.
Schreibe einen Kommentar