Vor 40 Jahren starb mit Fritz Lang einer der Pioniere des frühen deutschen Kinos. Sein erster Tonfilm war 1931 M – Eine Stadt sucht einen Mörder, dessen frühe Entstehungsgeschichte im Mittelpunkt von Gordian Mauggs Kino-Biographie Fritz Lang steht.
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Fritz Lang
Filmbiographie/Kriminalfilm Deutschland 2016. FSK. Freigegeben ab 12 Jahren. 104 Minuten. Kinostart: 14. April 2016.
Mit: Heino Ferch, Samuel Finzi, Thomas Thieme, Johanna Gastdorf, Lisa Charlotte Friederich, Maximilian von Pufendorf, Philipp Baltus u.a. Regie: Gordian Maugg. Drehbuch: Gordian Maugg und Alexander Häusser.
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FL – Ein Regisseur sucht seinen neuen Filmstoff
Ende der 1920er Jahre steckt der gefeierte deutsche Regisseur Fritz Lang (Heino Ferch) in einer Schaffenskrise. Produzent Seymour Nebenzahl (Phillip Baltus) wartet schon sehnlichst auf ein neues Drehbuch, damit Lang endlich seinen ersten Tonfilm dreht. Doch Lang hat noch überhaupt keine Story. Erst als er von einem Frauen- und Kindermörder in Düsseldorf liest, beginnt eine Idee zu erwachen. Lang möchte weg von den Menschenmassen und Maschinen in Metropolis (1927). Anstelle der Gigantomanie soll ein einzelner Mensch im Mittelpunkt des neuen Werkes stehen. Seine Bekanntschaft mit dem Kriminalpolizeirat Gennat (Thomas Thieme) ermöglicht Lang, sich in die Ermittlungen zur Aufklärung der Morde einzuschalten. Dabei trifft er auf die junge Anna Cohn (Lisa Charlotte Friederich), die seiner unter tragischen Umständen verstorbenen ersten Ehefrau Lisa zum Verwechseln ähnelt. Schließlich wird der Serienmörder Peter Kürten (Samuel Finzi) gefasst. Im Gesprächen mit Lang erläutert Kürten seine Motive. Für den Regisseur ein Blick in den Abgrund, aber auch in den Spiegel…
Thea von Harbou, Langs Ehefrau und Co-Autorin
In seinen Filmen beschäftigt sich der 1966 geborene Regisseur Gordian Maugg (Der olympische Sommer, Zeppelin!) mit deutscher Geschichte. Dabei kombiniert er historische Filmaufnahmen mit neu gedrehtem Material, vermischt alte Realität mit neuer Fiktion. Diese eigenwillige Collagentechnik kommt auch bei Fritz Lang – Der andere in uns intensiv zum Einsatz. Gemeinsam mit Filmeditorin Florentine Bruck (Soko Wismar, Taxi, 2015) schuf Maugg eine virtuos montierte Vermischung von neuen Szenen in expressionistischem Schwarz-Weiß im 4:3-Format, Wochenschau-Ausschnitten, Material aus Langs Filmen sowie aus anderen Werken, überlappt mit zentralen Momenten aus M – Eine Stadt sucht einen Mörder. Teilweise werden alte und neue Einstellungen auch überblendet oder in einer Art Splitscreen verbunden. Als musikalisches Leitmotiv dient freilich das Stück In der Halle des Bergkönigs aus der Peer-Gynt-Suite Nr. 1 von Edvard Grieg, das der von Peter Lorre gespielte Kindermörder in M immer wieder pfeift.
Mit der „Fixierung“ des Titelcharakters auf einen Serienmörder sowie dem Druck, der auf einem renommierten Filmschaffenden lastet, erinnert Mauggs Werk an Hitchcock (2012), Sacha Gervasis Streifen über den „Master Of Suspense“ und die Entstehung des Klassikers Psycho. Das ist aber auch alles was die beiden Biopics gemein haben. Zwischenzeitlich beschleicht den Zuschauer immer wieder das Gefühl, dass Maugg seinen Film inhaltlich überladen hat, dass zu viel Stoff hineingepackt wurde. Doch gegen Ende verbinden sich die verschiedenen Elemente zu einem kohärenten Ganzen, das zwar nur einen Teil von Langs Leben beleuchtet, aber den Mann hinter seinen Filmen näher bringt. Seine Ehe mit Drehbuchautorin Thea von Harbou (hier gespielt von Johanna Gastdorf, Das Wunder von Bern) funktioniert nur noch durch die gemeinsame Arbeit. Ein dunkles Kapitel in Langs Leben ist der tragische (und von ihm mitverschuldete) Tod seine ersten Ehefrau Elisabeth 1920. Dadurch sieht er sich im Film bisweilen auf einer Stufe mit dem mehrfachen Frauen- und Kindermörder Peter Kürten, der über weite Strecken völlig ruhig und in gewählter Sprache von seinen Greueltaten berichtet. Vielleicht sind die Zwiegespräche zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern das Herzstück des Films. Nach und nach entlockt Lang seinem Gegenüber mehr Details aus dessen gnadenloser Jugend und was die Vergangenheit aus ihm gemacht hat. Neben einem souveränen Heino Ferch (Der Untergang, Der Tunnel) in der Titelrolle bietet die eindringliche Performance von Samuel Finzi (Flemming) als Peter Kürten alias „Vampir von Düsseldorf“ den schauspielerischen Höhepunkt eines starken Ensembles.
Fritz Lang erscheint am 21. Oktober 2016 auf BluRay und DVD.
Fazit: Gordian Mauggs Film über einer der größten deutschen Regisseure überzeugt als eigenwillige, virtuos montierte Mischung aus Biographie, Doku-Drama und cineastischem Essay. 8 von 10 Punkten.
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Lang recherchiert für seinen neuen Film…
… und trifft sich dabei mit dem Serienmörder Kürten
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