Nach “Final Destination 3” kommt nur zwei Wochen später schon wieder ein Horrorfilm in unsere Kinos. “Hostel” fiel bei vielen Kritikern in die Rubrik Splatterkino. Johannes Michel hat den Film gesehen und schreibt über Gewalt, Bewältigung der Vergangenheit und den Erfolg von blutigem Kino.
Horror, USA 2005. FSK: keine Jugendfreigabe. 93 Minuten.
Mit: Jay Hernandez, Derek Richardson, Eythor Gudjonsson, Barbara Nedeljakova, Jana Kaderabkova, Jan Vlasák u.a. Regie: Eli Roth.
Blut, mehr Blut und wieder Blut
Sie suchen das Abenteuer, und sie finden das nackte Grauen. Die beiden abenteuerlustigen College-Freunde Paxton und Josh sind mit dem Rucksack unterwegs durch Europa. Ebenso wie ihr neuer Kumpel, der Isländer Oli, gieren die beiden jungen Amerikaner förmlich nach aufregenden Erlebnissen. Auf ihrem Trip bekommen sie einen Geheimtipp: Abseits der üblichen Reiserouten soll im tiefsten Ost-Europa ein Nirwana für Backpacker liegen – ein Hostel in der Slowakei, in dem atemberaubende und obendrein noch willige Frauen auf sie warten sollen. Und tatsächlich: Die Freunde lernen die beiden Schönheiten Natalya und Svetlana kennen.
Paxton, Josh und Oli haben die Zeit ihres Lebens. Doch die währt nur kurz. Zu spät bemerken sie, dass sie in einer tödlichen Falle sitzen. Flucht ist unmöglich – die Backpacker stecken bereits mitten in den finstersten Abgründen der menschlichen Natur. Was sie dort erleben, ist so unvorstellbar, dass es alles in den Schatten stellt, was an Grausamkeit und Perversion bislang bekannt war und nur als Mythos galt.
Verführen die Jungs und verkaufen sie an die Schlächter: Natalya und Svetlana.
Für einen Splatter-Horrorfilm lief “Hostel” in den amerikanischen Kinos so erfolgreich, dass sich zwangsläufig dieser Erfolg auch auf dem alten Kontinent fortsetzen musste. Viele Kinobesucher werden sich am Ende fragen, warum.
Wer bei “Hostel” nur einen Aufguss beziehungsweise eine Steigerung von “Saw I” und II erwartet hatte, lag vollkommen falsch. “Hostel” zeigt bis zur Hälfte nichts, was einen derartigen Film eigentlich ausmacht: kein Horror, kein Blut, nur besoffene und sich in Fäkalsprache unterhaltende Jugendliche aus den Vereinigten Staaten, die Abenteuer in Europa suchen. Erst nach etwa 45 Minuten geht es so richtig ab: Die Einblicke in den Folterkeller werden viele Zuschauer nicht ohne ein größeres Schlucken über sich ergehen lassen können.
Die deutsche Synchronisation lässt an vielen Stellen zu wünschen übrig. Vielleicht wäre es wirklich zukünftig angebracht, einen Film auch europafreundlicher zu gestalten und diverse Anflüge des Amerikanismus oder auch des Nationalstolzes einfach fallen zu lassen. Das junge Schauspielerteam hingegen leistet ordentliche Arbeit.
“Hostel” zeigt, entgegen vieler Meinungen, nicht nur eine Aneinanderreihung von Perversionen. Vielmehr sollte sich jeder Kinobesucher einmal die Frage stellen: Ist es so abwegig, das Menschen, die keine Strafe zu fürchten haben, hilflose Opfer aus purer Gewaltlust zu Tode quälen könnten? Viele Ereignisse der vergangenen Jahre, unter anderem die Gewaltszenen aus Gefängnissen wie Abu Ghraib, sollten aufhorchen lassen.
Bleibt noch die Beantwortung der Eingangsfrage: Warum läuft ein solcher Film derart erfolgreich? Nach den Ereignissen des 11. September 2001 und den Folterskandalen in US-Militärgefängnissen muss das Kino nachziehen. Die Zuschauer sind auch um einiges lockerer geworden. Nur Lachen kann heute keiner über Filme dieser Kategorie. Das war bei Vorläufern wie dem “Texas Chainsaw Massacre” oder “Braindead” noch ganz anders. Da glitt Horror doch viel zu oft in (unfreiwillige) Komik ab.
Fazit: Es ist sicher richtig: “Hostel” zeigt viel Gewalt. Wer derartige Bilder nicht verträgt, muss und sollte sich den Film nicht anschauen. So einfach kann das manchmal sein. 6 von 10 Punkten.
Blick in die Leichenbeseitigung nach dem Folterkeller.
Keine Chance zur Flucht: Noch ist „alles dran“.
Johannes Michel, 01. Mai 2006. Bilder und Inhaltszusammenfassung: Sony Pictures.
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