Seit dem 1. Juli 2021 sind deutschlandweit alle Kinos wieder geöffnet und daher auch interessante neue Filme am Start. Wie der Berlinale-Gewinner Ich bin dein Mensch von Maria Schrader, über eine Altertumswissenschaftlerin, die einen humanoiden Roboter als Partner testet. Mein zweiter Kinobesuch in diesem Jahr.
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Ich bin dein Mensch
Science-Fiction/Komödie Deutschland 2021. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 108 Minuten. Kinostart: 1. Juli 2021.
Mit: Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Hans Löw, Wolfgang Hübsch, Annika Meier u.v.a. Nach der Kurzgeschichte von Emma Braslavsky. Drehbuch: Maria Schrader und Jan Schomburg. Regie: Maria Schrader.
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Der perfekte Partner?
Dr. Alma Felser (Maren Eggert) ist Wissenschaftlerin und erforscht sumerische Keilschriften aus dem 4. Jahrhundert vor Christus auf Inhalte, die über reine Zweckmäßigkeit hinausgehen. Um an nötige Forschungsgelder zu gelangen willigt Alma ein, den humanoiden Roboter Tom (Dan Stevens) der Firma Terrareca drei Wochen lang für eine Studie zu testen. Tom wurde direkt auf Almas Bedürfnisse programmiert und zieht bei ihr ein. Sie verbannt ihn allerdings direkt in den Abstellraum. Denn Alma hat keinerlei Interesse an einer romantischen Beziehung und ist von Toms Bemühungen ihr zu gefallen eher genervt. Vielmehr widmet sich die Wissenschaftlerin lieber ihrer Arbeit oder kümmert sich gemeinsam mit ihrer Schwester Cora (Annika Meier) um den demenzkranken Vater (Wolfgang Hübsch). Tom versucht sich der Situation anzupassen.
Die Redaktion des Südwestdeutschen Rundfunks (SWR) bat diverse Schriftsteller, sich in Kurzgeschichten Gedanken über die Zukunft zu machen. Das Resultat dieses Aufrufs war die am 27. Oktober 2019 im Suhrkamp Verlag veröffentlichte Anthologie 2029 – Geschichten von morgen. Die erste Kurzgeschichte aus dieser Sammlung, Ich bin dein Mensch von Emma Braslavsky, wurde von Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader (Deutschland 83, 86 und 89) gemeinsam mit Co-Autor Jan Schomburg zu einem Spielfilm adaptiert. Schomburg war selbst Autor und Regisseur der vor knapp einem Jahr veröffentlichten romantischen Komödie Der göttliche Andere (2020), in welcher sich ein Reporter in eine angehende Nonne verliebt und „der Herr da oben“ etwas dagegen hat.
Für Schrader ist Ich bin dein Mensch nach Liebesleben (2007, nach dem Roman von Zeruya Shalev) und Vor der Morgenröte (2016, über die letzten Jahre von Stefan Zweig im Exil) die dritte Regie-Arbeit fürs Kino. Zuletzt hatte sie auch die gefeierte Netflix-Miniserie Unorthodox (2020), über eine junge Jüdin, welche den Zwängen ihrer strikten Gesellschaft entkommt (nach dem Roman von Deborah Feldman), inszeniert und einen Emmy für die Regie erhalten. Als Produzentin war außerdem Lisa Blumenberg (Bad Banks) an Bord. Für die Rolle des „perfekt“ programmierten und designten Androiden konnte man den britischen Darsteller Dan Stevens (Downton Abbey, Die Schöne und das Biest [2017]) gewinnen, der mich besonders als Protagonist David Haller in der einmaligen Serie Legion begeistert hat. Stevens fungierte auch als einer der ausführenden Produzenten.
Interessant zeigt sich von vorneherein die gegensätzliche Konstellation der Geschichte. Protagonistin Alma ist Altertumswissenschaftlerin und erforscht Schriften, die tausende von Jahren alt sind und möglicherweise den Anfang menschlicher Bildsprache und Poesie beinhalten. Tom dagegen ist der neueste Fortschritt in künstlicher Intelligenz, ein brandneues Produkt, welches bisher nur für Studien zugelassen wurde. Irgendwo in der Mitte zwischen den beiden Extremen treffen sich Alma und Tom. Wie die Kundenberaterin von Terrareca, herrlich gespielt von Sandra Hüller (Toni Erdmann), erklärt, sollen die beiden an einer gemeinsamen Vergangenheit arbeiten. Doch hat so eine Beziehung, wie ihn die alleinstehende Frau und der Android führen sollen überhaupt eine Zukunft? Schrader und Schomburg lassen Antworten auf diese und andere Fragen durchaus offen, vermeiden dabei gekonnt die üblichen Romcom-Klischees.
Am meisten lebt der Film natürlich vom glänzenden, dialogreichen Zusammenspiel mit viel trockenem Humor von Maren Eggert (bekannt als Polizeipsychologin Frieda Jung aus einigen Kieler Tatort-Folgen) und dem famos auf Deutsch parlierenden und genau die richtige Mischung von Attraktivität und (androider) Unnahbarkeit ausstrahlenden Dan Stevens. Eggert wirkt sehr authentisch. Daher nimmt man ihr die auf ihre Arbeit fixierte Wissenschaftlerin auch vor allem optisch sehr gut ab. In einem Hollywood-Streifen wäre die Rolle mit einer unnatürlich und übermäßig gutaussehenden Schauspielerin besetzt worden, welche der Figur die Glaubwürdigkeit genommen hätte. Auf der Berlinale 2021, bei welcher Ich bin dein Mensch seine Premiere feierte, erhielt Maren Eggert für ihr Spiel einen Silbernen Bären.
Abgesehen von seinem (bis auf die Sache mit den humanoiden Robotern) ganz und gar nicht futuristischen Setting besticht die Scifi-Komödie auch durch ihre Darstellung des Für und Wider künstlicher Partner für einsame Menschen. Wie können wir in einer Beziehung wachsen, in welcher das Gegenüber nur eine Reflektion unserer Wünsche ist und selbst keinerlei Individualität besitzt? Inwieweit kann eine solche Partnerschaft erstrebenswert sein?
Fazit: Toll gespielte, humorvolle und zugleich nachdenkliche Komödie über das Leben mit einem Androiden als Partner. 8 von 10 Punkten.
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Tom bemüht sich…
…aber Alma hat andere Dinge im Kopf.
Kundendienst
Zweisamkeit
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Marius Joa, 6. Juli 2021. Bilder: Majestic/Letterbox.
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