Jojo Rabbit

Mit seiner sechsten Regie-Arbeit tritt der Neuseeländer Taika Waititi in die Fußstapfen der Filmlegenden Charlie Chaplin, Ernst Lubitsch und Mel Brooks. Denn Jojo Rabbit macht sich über den Nationalsozialismus lustig, erzählt gleichzeitig aber auch eine ganz ernste Geschichte…

Jojo Rabbit
Satire/Drama Neuseeland, Tschechien, USA 2019. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 108 Minuten. Kinostart: 23. Januar 2020.
Mit: Roman Griffin Davis, Thomasin McKenzie, Scarlet Johansson, Taika Waititi, Sam Rockwell, Alfie Allen, Stephen Merchant, Rebel Wilson, Archie Yates u.a. Drehbuch und Regie: Taika Waititi. Nach dem Roman Caging Skies von Christine Leunens.

Von Hasenfüßen und Hakenkreuzen

In einer deutschen Kleinstadt, zur Zeit des Nazi-Regimes. Johannes „Jojo“ Betzler (Roman Griffin Davis) ist zehn Jahre alt und begeistert über seine bevorstehende Aufnahme in die Hitlerjugend. Als besten Freund stellt er sich Adolf Hitler (Taika Waititi), den Führer selbst, vor. Während der Vater (wahrscheinlich) in Italien an der Front kämpft lebt Jojo allein mit seiner Mutter Rosie (Scarlet Johansson). Auf einem HJ-Trainingswochenende unter Hauptmann Klenzendorf (Sam Rockwell) kommt es zu einem Unfall mit einer Granate und Jojo behält eine Verletzung am Bein sowie eine Narbe im Gesicht zurück. Fortan geht er Klenzendorf mit diversen Botengängen zur Hand. Eines Tages entdeckt er jedoch das Unfassbare: seine Mutter hält die Jüdin Elsa (Thomasin McKenzie), eine Freundin von Jojos verstorbener Schwester, im Haus versteckt. Der Zehnjährige ist hin- und hergerissen. Soll er das Mädchen melden und damit auch seine Mutter in Gefahr bringen oder lieber schweigen?

 Jojo und sein bester Freund

Dem 1975 geborenen Taika Waititi gelang mit dem Marvel Cinematic Universe-Beitrag Thor: Tag der Entscheidung (2017) nicht nur ein weltweiter finanzieller Erfolg (854 Millionen Dollar Einspielergebnis). In seiner Heimat Neuseeland brach er mit seinen Filmen Boy (2010) und Wo die wilden Menschen jagen (2016) zudem sämtliche Kassenrekorde. Gemeinsam mit Landsmann Jemaine Clement (Legion) drehte Waititi die Vampir-Mockumentary 5 Zimmer, Küche, Sarg (2014), welche 2019 zudem als Serie fortgesetzt wurde. In Jojo Rabbit macht sich waititi, der sowohl maorischer als auch jüdischer Abstammung ist, nicht nur als Regisseur und Drehbuchautor über Nazis lustig, sondern spielt den Führer auch gleich noch selbst. Zumindest so wie ihn sich der titelgebende Protagonist vorstellt.

Es gibt wohl kaum einen Spielfilm, in welchem der Hitlergruß so inflationär gebraucht wird wie hier. Zu Beginn üben Jojo und sein imaginärer Freund die berüchtigten Worte gleich kräftig ein bevor der Junge während des Vorspanns (unterlegt mit Komm, gib mir deine Hand von den Beatles) „Heil Hitler-„rufend durch die ganze Stadt rennt. Doch hält der Film diesen absurd-überzeichneten Humor nicht über die ganze Laufzeit aufrecht. Im Verlauf der Handlung wird die ganze Angelegenheit für den jungen Helden und folglich auch die Zuschauer nämlich zunehmend ernst. Mit der Zeit verschwindet auch Jojos eingebildeter Freund und eine andere (reale) Person tritt quasi an dessen Stelle.

Es spricht für den Film und seinen Regisseur, dass die Mischung aus beißender Satire und bitterer Tragik funktioniert. Jojo Rabbit setzt die Tradition der humoristischen Verarbeitung der Nazizeit von Charlie Chaplin (Der Große Diktator, 1940), Ernst Lubitsch (Sein oder nicht sein, 1942) und Mel Brooks (Frühling für Hitler, 1968; The Producers, 2005) fort, geht dabei aber eigene Wege. Dabei ist vor allem auf starke Darstellerleistungen Verlass. Der britische Jungschauspieler Roman Griffin Davis (Sohn von Ben Davis, Che-Kamermann bei einigen Filmen des MCU) spielt die Titelrolle mit dem notwendigen Enthusiasmus und kindlicher Verletzlichkeit. In der Rolle des im Verborgenen lebenden jüdischen Mädchens glänzt die junge Neuseeländerin Thomasin McKenzie (Leave No Trace). Taika Waititi spielt Hitler zwar mit herrlicher Überzeichnung, zieht die Figur aber glücklicherweise nie völlig ins Lächerliche. Scarlet Johansson darf nach all dem Comic-Action-Gedöns als Jojos Mutter endlich wiedermal eine geerdete Rolle spielen. Während die weiteren namhaften Akteure Alfie Allen (Game of Thrones), Stephen Merchant (The Office, Logan) und Rebel Wilson (Pitch Perfect) eher unbedeutende Figuren spielen kann sich Sam Rockwell (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) als schelmischer Hauptmann Klenzendorf schon etwas mehr in den Vordergrund spielen.

Leider, so muss man konstatieren, kommt ein Werk wie Jojo Rabbit zur richtigen Zeit. Denn nimmt man den derzeitigen „Rechtsruck“ in Politik und Gesellschaft sowie seine menschenverachtenden Auswüchse zu Ernst, dann hat man einfach nichts mehr zu lachen. Zu Recht wurde diese gelungene „Antihass-Satire“ kürzlich für sechs Oscars (darunter bester Film und bestes adaptiertes Drehbuch) nominiert.

Fazit: Der neuseeländische Ausnahme-Regisseur Taika Waititi liefert mit Jojo Rabbit nicht nur eine beißende „Antihass-Satire“, sondern auch ein tragisches Drama über das Kindsein in einer faschistischen Diktatur. 8 von 10 Punkten.

Jojo lebt bei seiner Mutter Rosie…

…welche die Jüdin Elsa versteckt hält.
Im Büro bei Hauptmann Klenzendorf
Beim HJ-Trainingswochenende
Der Führer

 

Marius Joa, 31. Januar 2020. Bilder: Fox.

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