Kinds of Kindness

Nur ein halbes Jahr nach dem vierfachen Oscar-Gewinner Poor Things hat der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos einen neuen Film am Start. Kinds of Kindness besteht aus drei Episoden, in welchen unter anderem Emma Stone, Jesse Plemons und Willem Dafoe unterschiedliche Rollen bekleiden.  

Kinds of Kindness
Drama Irland, UK, USA 2024. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 165 Minuten. Kinostart: 4. Juli 2024.
Mit: Emma Stone, Jesse Plemons, Willem Dafoe, Margaret Qualley, Hong Chau, Mamoudou Athie, Joe Alwyn u.a. Drehbuch: Yorgos Lanthimos und Efthimis Filippou. Regie: Yorgos Lanthimos.



Triptychon der Grenzüberschreitungen

Kinds of Kindness erzählt nacheinander die drei folgenden Geschichten:

In „The Death of R.M.F.“ führt Architekt Robert (Jesse Plemons) eine einseitige Beziehung mit seinem Boss Raymond (Willem Dafoe). Raymond hat die volle Kontrolle über das Leben seines Angestellten, bestimmt was dieser isst, anzieht, tut und wann Robert Sex mit seiner Ehefrau Sarah (Hong Chau) hat. Als Robert sich weigert, einen Unfall mit tödlichem Ausgang zu verursachen, verliert er die Gunst seines Chefs. 

„R.M.F. Is Flying“ erzählt von Polizist Daniel (Jesse Plemons), dessen Ehefrau Liz (Emma Stone), eine Meeresbiologin, nach einem Schiffsunglück verschollen ist. Nachdem sie überraschend zurückkehrt, bemerkt Daniel merkwürdige Veränderungen an ihr. Seinem besten Freund und Partner Neil (Mamoudou Athie) vertraut Daniel an, dass die zurückgekehrte Frau nicht Liz sei.

„R.M.F. Eats A Sandwich“ dreht sich um Emily (Emma Stone), die ihren Mann (Joe Alwyn) und die gemeinsame Tochter (Merah Benoit) verlassen und sich dem Kult von Omi (Willem Dafoe) und Aka (Hong Chau) angeschlossen hat. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Andrew (Jesse Plemons) ist Emily auf der Suche nach einer prophezeiten Wunderheilerin. Eine der beiden Zwillingsschwestern Rebecca und Ruth (beide: Margaret Qualley) könnte die Gesuchte sein.


Yorgos Lanthimos (geboren 1973) gehört für mich zu den spannendesten Filmemacher*innen der Gegenwart. Die von ihm gesichteten Werke The Killing of a Sacred Deer (2017), The Favourite (2018) und Poor Things (2023) sowie auch der Kurzfilm Nimic (2019) zeichnen sich alle in irgendeiner Form durch Grenzüberschreitungen aus. Diesem Motiv widmet sich auch die achte abendfüllende Regie-Arbeit des Griechen, wobei er strukturell Neuland betritt. Denn Kinds of Kindness setzt sich aus drei lose verknüpften (als Bindeglied fungiert eine Randfigur namens R.M.F.) Episoden zusammen, die alle von zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Macht, Kontrolle, freiem Willem und Liebe in unterschiedlichen Facetten handeln.

Die gezeigten Beziehungen erweisen sich fast durchgehend als toxisch. Robert aus der ersten Story muss alles tun, was sein Boss Raymond sagt. Als er sich weigert, eine Anweisung zu befolgen, wird er von diesem verstoßen. Allein und mit plötzlich ungewohntem freien Willen wirkt Robert verloren. Im Mittelteil reagiert Daniel auf seine nach einem Trauma veränderte Frau mit indiskutablem Verhalten. Und natürlich verlangt der Kult in Episode drei gewisse Opfer von seinen Mitgliedern.

Interessant, dass man die jeweils etwa 50 Minuten langen Einzelgeschichten auch einzeln in Spielfilmlänge hätte erzählen können. Denn die teils absurden, nicht selten mit abgründigen und/oder verstörenden Wendungen gespickten Szenarien, hätten auch mit weiteren Schraubendrehungen funktioniert. Zwischenzeitlich bleibt bei so manch absurder Situation oder Wendung das Lachen auch nicht aus. Inszenatorisch halten sich Lanthimos und sein Team vor allem im Vergleich zu Poor Things ziemlich zurück. Lediglich Rückblenden und bebilderte Traumsequenzen in Schwarzweiß durchbrechen die meist recht nüchterne Atmosphäre. Durch diese erinnert mich Kinds of Kindness auch vor allem in den ersten beiden Dritteln sehr an The Killing of a Sacred Deer.     
               
Jerskine Fendrix (Oscar-Nominierung für Poor Things) liefert hier einen erneut eigenwilligen, obgleich etwas weniger lauten Score zwischen unheilvollen Klavier-Klängen und düsterem Chor-Gesang an. Eine kleine Gesangs- und Keyboard-Einlage von einer der Schauspieler*innen gibt es außerdem. Insgesamt sorgt das Ensemble für den Höhepunkt des Films. Neben einer fast schon gewohnt starken Emma Stone (The Favourite; Oscar-Gewinnerin für Poor Things) brilliert vor allem Jesse Plemons (I’m Thinking Of Ending Things, The Power of the Dog) mit seinem zurückgenommenen Spiel vor allem in den ersten beiden Episoden. Ebenfalls aus Lanthimos‘ letztem Film wieder dabei sind Willem Dafoe und Margaret Qualley. Dafoe darf als dominanter Chef und als schräger Guru glänzen.   

Fazit: Eigenwilliger, teils verstörender Episodenfilm von Yorgos Lanthimos, der ein von den starken Emma Stone und Jesse Plemons angeführtes Ensemble in Mehrfachrollen aufbietet. 8 von 10 Punkten.




Marius Joa, 7. Juli 2024. Bilder: Searchlight.


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