Nach „Flags of our Fathers“ zeigt Clint Eastwood in seinem Doppelprojekt nun mit „Letters from Iwo Jima“, dass es in jedem Konflikt auch die Seite der Anderen gibt, und diese bei genauem Hinsehen gar nicht so anders sind.
Letters from Iwo Jima
Kriegsdrama, USA 2006. Regie: Clint Eastwood. 141 Minuten. FSK: ab 16.
Mit: Ken Watanabe, Kazunari Ninomiya, Ryo Kase, Tsuyoshi Ihara, Shido Nakamura, Hiroshi Watanabe, Takumi Bando u.v.a.
Das Sterben der Anderen
Kurz vor dem Angriff der USA auf die japanische Pazifik-Insel Iwo Jima im Jahr 1944 bekommen die dort stationierten Truppen einen neuen Kommandeur, General Tadamichi Kuribayashi (Ken Watanabe). Wegen eines längeren Aufenthalts in den USA ein Kenner der amerikanischen Kriegsführung, wirft er die bisherigen Pläne von Schützengräben über den Haufen und befiehlt stattdessen, Stollen in die Insel zu treiben, um die zahlenmäßig und technisch überlegenen Amerikaner in Schach zu halten. Es folgt eine mehrere Wochen dauernde Schlacht, die die japanischen Soldaten trotz Munitions-, Nahrungs-, und Wassermangel zu gewinnen versuchen – ein aussichtsloses Unternehmen, das das Leben fast aller japanischen und vieler amerikanischer Soldaten kostet.
Der junge Bäcker Saigo (Kazunari Ninomiya).
Clint Eastwoods Mammutprojekt rund um die Schlacht um die Insel Iwo Jima geht in die zweite Runde, und es gibt einige Parallelen zu „Flags of our Fathers„. Mit den gedeckten Farben, den reduzierten Kampfszenen und der kritischen Erzählweise ergänzen sich die beiden Filme und verdeutlichen die Absicht, das gleiche Geschehen von zwei Standpunkten aus zu erzählen. Es gibt aber auch bedeutende Unterschiede, zum Beispiel im Aufbau des Films. Während „Flags of our Fathers“ mit den unterschiedlichen Zeitebenen arbeitet, erzählt „Letters from Iwo Jima“ die Geschehnisse fast chronologisch, wobei es allerdings eine Rahmenhandlung gibt, die den Titel des Films erklärt. Zu Beginn wird gezeigt, wie japanische Wissenschaftler das Stollensystem, das die japanischen Soldaten gebaut haben, untersuchen, und dabei auf einen Gegenstand stoßen – eine Tasche voller Briefe der Soldaten an ihre Familien, wie sich am Schluss herausstellt. Auf diese Briefe stützt sich das oscarnominierte Drehbuch von Iris Yamashita, das deshalb auch stark auf die psychische Ebene und weniger auf den Kampfaspekt bezogen ist.
„Letters from Iwo Jima“ ist um einiges leiser erzählt, was vermutlich auch daran liegt, dass der ganze Film auf Japanisch gedreht wurde und nur mit Untertiteln gezeigt wird. Die Vermutung, dass dadurch die Unmittelbarkeit der Bilder eingeschränkt wird, hat sich erfreulicherweise nicht bewahrheitet, ganz im Gegenteil trägt die melodische Sprache sehr viel zu der dichten Atmosphäre des Films bei. Viel spielt sich in Dialogen ab und die wenigen Massenszenen sind Kampfszenen und vermutlich die einzigen Überschneidungen zwischen den beiden Filmen. Sehr angenehm ist, dass Clint Eastwood auf eine komplett andere Besetzung gesetzt hat, es gibt also keine Verschränkung der persönlichen Schicksale, die man in „Flags of our Fathers“ gesehen hat, sondern es werden neue Identifikationsfiguren eingeführt, die jedes Kriegsdrama braucht, um zu berühren. In „Letters from Iwo Jima“ ist das einerseits Kuribayashi, der durch seine amerikanische Vergangenheit die Ambivalenz des Films am Besten verkörpert und auch am Meisten vom Ethos der japanischen Krieger abrückt, sehr ausdrucksstark dargestellt von Ken Watanabe („Die Geisha„, „Last Samurai„). Dann gibt es noch den Elite-Soldaten Shimizu (Ryo Kase), der strafversetzt wurde, weil er nicht mit Gewohnheiten seiner Einheit konform ging und sich weigerte, die japanische Bevölkerung zusätzlich zu den Kriegsschrecken willkürlichem Terror von Seiten der eigenen Armee auszusetzen, und in dem immer wieder seine kaiser- und ethostreue Ausbildung mit Todesangst konfrontiert werden und der schließlich (der schlimmste Verrat überhaupt) sich dem Feind ergibt. Und schließlich zieht sich durch den gesamten Film die Geschichte des jungen Bäckers Saigo (Kazunari Ninomiya), der unfreiwillig eingezogen wurde und dessen einziges Bestreben es ist, zu überleben um wieder zu seiner Frau und seiner Tochter, die er noch nie gesehen hat, zurückzukehren und der immer wieder von Kuribayashi gerettet wird.
Für diese drei Figuren unterbricht der Film seine lineare Erzählweise und baut kleine Rückblenden ein, die deren Vorgeschichte und vor allem die Amerika-Vergangenheit von Kuribayashi zeigt. Allerdings benötigt man hier weniger als noch bei „Flags of our Fathers“ die Szenen abseits des Kriegsschauplatzes, da sich der Kampf auf der Seite der Japaner fast vollständig in den Stollen abspielt. Man hört zwar die dumpfen Einschläge der Bomben und Granaten, doch der Einsatz an Kunstblut und abgetrennten Gliedmaßen bleibt doch sehr dezent. Eastwood legt mehr Wert darauf, die Philosophie der japanischen Kriegsführung zu hinterfragen, die sich zwar einerseits durch die medizinische Behandlung der Gefangenen auszeichnet, andererseits aber auch den ehrenvollen Selbstmord in aussichtsloser Situation befiehlt, Flucht und Gefangenschaft sind ausgeschlossen.
Während in „Flags of our Fathers“ die Kritik eher am Verhalten der US-Regierung gegenüber den „Helden von Iwo Jima“ und der Informationspolitik gegenüber der Bevölkerung geübt wurde, geht „Letters from Iwo Jima“ stärker in die Richtung des klassischen Antikriegsfilms, der die Sinnlosigkeit des Krieges anprangert und zeigt, dass die Grenze von Freund und Feind nichtexistent ist. Dass es, egal wer am Schluss als Sieger dasteht, fast nur Verlierer gibt: die vielen Toten, die traumatisierten Überlebenden und die Angehörigen, die in beiden Fällen einen geliebten Menschen verlieren.
Fazit: Sehr guter, atmosphärisch dichter Kriegsfilm, der nur teilweise einige Längen hat. 8 von 10 Punkten.
Ken Watanabe als General Tadamichi Kuribayashi.
Kuribayashi erkundet die Insel, um eine Strategie auszuarbeiten.
Lena Stadelmann, 02. April 2007. Bilder: Warner.
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