Lost River

Bei den Filmfestspielen von Cannes 2014 stellte der kanadische Schauspieler Ryan Gosling mit Lost River sein Regiedebüt vor. Von den meisten Kritikern wurde der düstere Film ziemlich verrissen. Ein Grund mehr diesem eigenwilligen Werk eine Chance zu geben.

7-10Lost River
Mystery-Thriller/Drama USA 2014. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 95 Minuten. Kinostart: 28. Mai 2015.
Mit: Christina Hendricks, Iain De Caestecker, Saoirse Ronan, Ben Mendelsohn, Matt Smith, Eva Mendes, Reda Kateb u.v.a. Drehbuch und Regie: Ryan Gosling.

 

Lost River_Poster

Ratten und Ruinen in der Vorhölle

In einem Vorort von Detroit. Während um sie herum alle Häuser verwahrlosen oder gar abgerissen werden, hält die alleinerziehende Mutter Billy (Christina Hendricks) an ihrem Entschluss fest, mit ihren beiden Söhnen im Haus der längst verstorbenen Großmutter auch weiterhin zu leben. Mit der Tilgung des Hauskredits ist sie jedoch drei Monatsraten im Rückstand. Der neue Bankmanager Dave (Ben Mendelsohn) bietet ihr einen Job in seinem Nachtclub an. Billys Teenager-Sohn Bones (Iain De Caestecker) versucht unterdessen mit dem Ausschlachten von Häuserruinen ein bisschen Geld zusammen zu kratzen und wildert dabei im Revier des sadistischen Gangsters Bully (Matt Smith). Auch Nachbarin Rat (Saoirse Ronan) hat es nicht wirklich leicht. Das junge Mädchen lebt mit ihr seit Jahren katatonischen Großmutter (Barbara Steele) in einem anderen der verfallenen Häuser. Rat erzählt Bones vom Fluch von Lost River, dessen Geheimnis im vom künstlich angelegten Wasserreservoir überschwemmten alten Städtchen begraben liegt…

Lost River_Haus Verfallene Häuser

Pünktlich zur Sommersonnenwende beginnt die Open Air Kino-Saison auch in Unterfrankens Hauptstadt Würzburg. Unter dem Motto „Festungsflimmern“ wurde auf den umliegenden Wiesen der Festung Marienburg auch Lost River gezeigt, der ansonsten keinen Kinostart in der Region erhielt. Das Regiedebüt des Schauspielers Ryan Gosling erhielt negative Presse und daher auch keinen großen Platz in den Lichtspielhäusern. Obwohl es der Film durchaus verdient gehabt hätte.

Bereits im Kindes- und Jugendalter stand der am 12. November 1980 geborene Kanadier Ryan Gosling vor der Kamera. 1989/99 spielte er den Titelhelden in der US-Serie Young Hercules. Internationale Bekanntheit errang der heutige 34jährige 2004 mit der Nicholas-Sparks-Verfilmung Wie ein einziger Tag. Zuletzt arbeitete Gosling mit den Independent-Regisseuren Derek Cianfrance (Blue Valentine, The Place Beyond The Pines) und Nicolas Winding Refn (Drive, Only God Forgives) zusammen. Dass er sich von den beiden und anderen hat inspirieren lassen, dürfte nicht überraschend sein. Doch der Vorwurf eines britischen Filmjournalisten, dass Gosling nur Bilder eines Tumblr-Accounts über Mario Bava und David Lynch abgepaust hätte, erscheint überzogen.

Lost River ist eine besondere Art von Endzeitdrama. Das Leben um Detroit kommt allmählich zum Erliegen. Langjährige Bewohner der Vorstädte verlassen die Häuser, in denen sie aufgewachsen sind, einfach weil sie es dort nicht mehr aushalten. Es gibt kaum Arbeit und der Taxiservice scheint das einzige zu sein, was von der Infrastruktur noch übrig ist. Täglich wird eines der wenigen verbliebenen Häuser abgerissen. Besonders wirkungsvoll werden die „Vernichtung“ der alten Behausungen gezeigt, indem zeitweise die Kamera direkt auf dem Abrissbagger platziert wurde. Als Komparsen hat Gosling sogar Einheimische direkt von der Straße gecastet, die sich im Film quasi selbst spielen. Im Zentrum der Besetzung stehen die Serienstars Christina Hendricks (Mad Men) als Billy, Iain De Caestecker (Marvel’s Agents Of S.H.I.E.L.D.) als ihr fast erwachsene Sohn Bones sowie Matt Smith (Doctor Who, 2010-2013) als gnadenloser Bully. Die nach ihrem Haustier benannte junge Nachbarin spielt Saoirse Ronan (Abbitte, In meinem Himmel, Wer ist Hanna?).

 

Obwohl Lost River im Bundesstaat Michigan gedreht wurde, so könnte man sich als Zuschauer durchaus vorstellen, dass in diesen trostlos-unheimlichen Landen die beiden Lousiana-Polizisten Marty und Rust aus der ersten Staffel von True Detective ermitteln. Goslings Regiedebüt präsentiert sich als abgründige moderne Unterwelt mit dem schmierigen Dave als Hades und gruseligsten Verdienstmöglichkeiten im Keller des Nachtclubs (siehe auch der Eingang des zweifelhaften Etablissements) während auf der Bühne ein amerikanisches „Grand Guignol“ zelebriert wird. Das alles wird als fiebriger Albtraum-Trip inszeniert, welcher immer wieder Szenen und Musik überlappend kombiniert.

Dicker Wermutstropfen bleibt allerdings die zu wenig ausgearbeitete Story. Zwar bringt Gosling seine Geschichte zu einem konsequenten Ende, aber den ein oder anderen Bestandteil, vor allem die untergegangene Stadt und ihre Abgründe, hätte man etwas ausführlicher beleuchten müssen.

Fazit: Ryan Goslings erste Regie-Arbeit wirkt zwar hier und da etwas unausgegoren, entfaltet aber durchaus seinen Reiz in dieser düsteren Melange aus Hoffnungslosigkeit, Verwahrlosung und Gewalt. 7 von 10 Punkten.

Lost River_Bones
Bones schlachtet Ruinen aus…
Lost River_Bully
…und gerät dabei an den Gangster Bully
Lost River_Billy
Billy gibt im Keller des Nachtclubs alles

Marius Joa, 5. Juli 2015. Bilder: Tiberius Film.


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