Kurz vor Jahresende ging es dann nochmal ins Programmkino. Mary Shelley handelt, wie der Titel schon verrät, von der Schöpferin des legendären Romans Frankenstein.
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Mary Shelley
Historiendrama UK, Australien, Irland, Luxemburg, USA 2017. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 120 Minuten. Kinostart: 27. Dezember 2018.
Mit: Elle Fanning, Bel Powley, Douglas Booth, Stephen Dillane, Joanne Froggatt, Ben Hardy, Tom Sturridge u.a. Regie: Haifaa Al-Mansour. Drehbuch: Emma Jensen und Haifaa Al-Mansour.
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Die Frau, die Frankenstein erschuf
1813. Die 16jährige Mary Wollstonecraft Godwin (Elle Fanning) lebt mit ihrem Vater William Godwin (Stephen Dillane), einem verschuldeten Philosophen und Buchhändler, ihrer Stiefmutter (Joanne Froggatt), Stiefschwester Claire Clairmont (Bel Powley) und einem kleinen Bruder in London. Als Kind zweier geschätzter Schriftsteller – Marys Mutter verfasste die bahnbrechende Verteidigung der Rechte der Frau (1792), starb aber bei der Geburt ihrer Tochter – möchte die junge Frau auch den Weg ihrer Eltern einschlagen und zieht sich immer wieder vom Trubel der Stadt zurück, um zu schreiben. Während eines Aufenthalts bei Freunden in Schottland trifft Mary erstmals auf den fünf Jahre älteren, radikalen Dichter Percy Bysshe Shelley (Douglas Booth). Als Shelley William Godwin als literarischen Mentor engagiert, treffen er und Mary erneut zusammen. Die beiden verlieben sich ineinander, doch selbst Marys verständnisvoller Vater, dem die Bildung und Zukunft seiner Tochter am Herzen liegt, verweigert dem Paar seinen Segen, auch weil Percy bereits verheiratet ist. Percy, Mary und Claire brennen schließlich gemeinsam durch. Nachdem Claire eine Affäre mit dem berüchtigten Lord Byron (Tom Sturridge) begonnen hat, lädt der Adelige das Trio in seine Villa am Genfer See ein. Das schlechte Wetter im Jahr ohne Sommer (1816) zwingt die Gruppe junger Leute, zu denen auch Byrons Leibarzt John Polidori (Ben Hardy) gehört, zu innerhäuslichen Aktivitäten. Byron fordert schließlich seine Gäste zu einem literarischen Wettbewerb heraus. Jeder der anwesenden Schriftsteller soll eine Schauergeschichte schreiben. In der Nacht kommt Mary eine plötzliche Idee und zurück in London beginnt sie ihr großes Werk zu schreiben: Frankenstein oder Der moderne Prometheus (1818). Doch die Verlage Londons sind nicht bereit, das Werk einer Frau zu veröffentlichen…
Mary und Percy
Die Comicverfilmung Aquaman, der Animationsfilm Der Grinch, das späte Sequel Marry Poppins’ Rückkehr oder das sicherlich ähnlich einfallreiche Transformers-Spin-Off Bumblebee, so lauten die diesjährigen Blockbuster zu Weihnachten. Doch aus meiner Sicht gibt es interessantere Beiträge aus dem Independent-/Arthaus-Bereich. Wie etwa Mary Shelley, nach der Premiere beim Toronto International Film Festival 2017 auch noch mit einem verspäteten deutschen Kinostart bedacht.
Regisseurin Haifaa Al-Mansour stammt aus Saudi-Arabien, einem Land, in welchem Frauen fast keine Rechte besitzen, erst seit kurzem wieder Autofahren dürfen. Ihr Spielfilmdebüt Das Mädchen Wadjda (2012) drehte die 44jährige unter restriktiven Bedingungen in ihrer Heimat. Im April 2018 wurden in dem islamisch geprägten Staat erstmals seit 1980 wieder Kinos eröffnet. Das Thema Frauenrechte im Allgemeinen dürfte Al-Mansour also sehr am Herzen liegen. Das wird auch in ihrer zweiten Regie-Arbeit Mary Shelley deutlich.
Auch wenn Mary Wollstonecraft Godwin (später Mary Wollstonecraft Shelley) einen fortschrittlich denkenden Vater hatte, der ihr vor allem dank eigenem Unterricht eine gute Bildung ermöglichte, so lebte sie in einer Zeit, in welcher Frauen keine bedeutende Rolle in der Gesellschaft spielten. Ihre Entwicklung zur Schriftstellerin inszeniert der Film daher vor allem als Emanzipationsgeschichte. Emanzipation von einer patriarchalisch geprägten literarischen Welt, in welcher Frauen lediglich das Verfassen von Liebesromanen zugestanden wurde, aber auch eine Loslösung vom Vorbild ihrer Mutter, die elf Tage nach Marys Geburt verstorben war. Die Handlung platziert die Entstehung von Frankenstein in eine Phase der Isolation und Entfremdung seiner Schöpferin, deren Lage nicht nur durch die angespannte finanzielle Situation, die Trauer um ihre früh verstorbene Tochter sowie den unsteten Charakter ihres Partners alles andere als einfach war. Al-Mansour und Drehbuchautorin Emma Jensen sind sichtbar in ihrem Element, wenn sie die Protagonistin als Kämpferin zeigen. Doch leider stolpert die Story auf dem Weg zum Erfolg der Titelheldin durch zu viele dramaturgische Unebenheiten, vor allem wenn es um den kreativen Prozess Mary Shelleys geht, der mit unmotivierten Flashbacks und klischeehaften Montagen zu holprig abgehandelt wird.
Neben der altersmäßig perfekt besetzten Ella Fanning , die sich in Filmen wie The Neon Demon oder Die Verführten (2017) eine Namen im Arthaus-Kino erarbeitet hat, in der Hauptrolle überzeugt vor allem Bel Powley (Diarry of A Teenage Girl) als Claire, die sich zurecht oft als fünftes Rad am Wagen fühlt, diesen “Sidekick-Part” aber zu nutzen vermag. Douglas Booth (Stolz und Vorurteil und Zombies, Loving Vincent) scheint zumindest optisch in jeden Film, der im 19. Jahrhundert spielt, zu passen. Die beiden Serienstars Maisie Williams (Game of Thrones) und Joanne Froggatt (Downton Abbey) werden dagegen in sehr kleinen Rollen verschenkt.
Ab dem 9. Mai 2019 wird Mary Shelley als BluRay und DVD erhältlich sein.
Fazit: Mary Shelley gefällt als zeitloses Plädoyer für Frauenrechte, Gleichberechtigung und die Anerkennung literarischer Leistungen, bleibt dramaturgisch aber teilweise zu beliebig. 7 von 10 Punkten.
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Marys Stiefschwester Claire
Lord Byron bittet zum Wettstreit
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