Meerjungfrauen weinen nicht

Nach zwei Corona-geprägten Jahren mit digitaler und hybrider Veranstaltung findet das 49. Internationale Filmwochenende in Würzburg wieder im Normalbetrieb statt. Zur Eröffnung wurde der österreichische Film Meerjungfrauen weinen nicht von Regisseurin Franziska Pflaum gezeigt.

Meerjungfrauen weinen nicht
alternativ: Mermaids Don’t Cry (internationaler Titel)
Komödie Österreich 2022. 91 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Mit: Stefanie Reinsperger, Julia Franz Richter, Karl Fischer, Inga Busch, Nico Ehrenteit, Johanna Kottulinsky, Jonas Gerzabek u.a. Drehbuch: Christiane Kalss und Franziska Pflaum. Regie: Franziska Pflaum.

Zwischen Patchwork-Chaos und Traumflosse

Annika (Stefanie Reinsperger) liebt es in ihrem Meerjungfrauen-Kostüm zu schwimmen. Als dieses kaputt geht entdeckt sie im Internet die perfekte Flosse, welche allerdings knapp 2.500 Euro kostet. Zuviel für Annika, deren Job als Kassiererin im Supermarkt wegen drohender Einsparmaßnahmen auf der Kippe steht. Denn für Filialleiterin Mrs. Biber (Inga Busch), die zwischen knallharten Ansagen und esoterischem Gerede pendelt, zählt Annika zu den Wackelkandidaten. Zudem sucht ihr Vater Hermann (Karl Fischer), der sich einbildet auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein, Unterschlupf bei seiner Tochter und Karo (Julia Franz Richter), Annikas Arbeitskollegin und beste Freundin, lädt ständig die beiden Kinder Jackie (Johanna Kottulinsky) und Niki (Jonas Gerzabek) bei ihr ab. Annikas Traum droht in weite Ferne zu rücken…

Nach der komplett digital durchgeführten Internationalen Filmwoche 2021 und der 48. Ausgabe als Hybridveranstaltung ist das Internationale Filmwochenende Würzburg beim 49. Mal zurück im Normalbetrieb wie vor der Corona-Pandemie. Zwischen dem 26. und 29. Januar 2023 werden/wurden wieder Spielfilme, Dokumentationen, Kinderfilme und Kurzfilme an vier Spielstätten gezeigt. Auch der Empfang von Stargästen ist in diesem Jahr wieder möglich. Am Donnerstag, den 26. Januar 2023, stand als Eröffnungsfilm die österreichische Komödie Meerjungfrauen weinen nicht auf dem Programm, deren Regisseurin Franziska Pflaum auch zugegeben war.

Protagonistin Annika führt ein einfaches Leben zwischen Job im Supermarkt, Meerjungfrauen-Schwimmen im örtlichen Hallenbad und ihrer kleinen Wohnung als Rückzugsort. Doch die junge Frau hat auch das Problem, nicht Nein sagen zu können und wird dadurch von Personen in ihrem privaten Umfeld ausgenutzt. Vater Hermann, ein eingebildeter Kranker, zieht bei ihr ein und lässt sich von vorn bis hinten bedienen. Die alleinerziehende Mutter Karo nutzt Annika immer öfter für die Betreuung ihrer Kinder und auch Love Interest Mark leistet seinen Beitrag zum überfülltem Wohnraum. Eine Situation zum Aus der (Schwimm-)Haut fahren!
Franziska Pflaums Langfilm-Debüt liest sich auf den ersten Blick wie einer der üblichen Feelgood-Comedies aus dem sozial schwierigen Millieu. Doch die Regisseurin und ihre Co-Autorin Christiane Kalss (Wir Kinder vom Bahnhof Zoo [2021]) nehmen die bekannten Elemente und entlocken dem Genre etwas Lebensechtes, Authentisches. Das Endergebnis erweist sich auf sympathische Weise als unperfekt, auch weil es völlig unaufgeregt mit althergebrachten, antiquierten Narrativen bricht.

Stefanie Reinsperger (Braunschlag) überzeugt als Protagonistin Annika, die all die Baustellen in ihrem Leben bewältigen muss und deren nicht den „Idealmaßen“ entsprechende Figur innerhalb der Handlung kein Thema ist. Ein leises Plädoyer für Body Neutrality. Karl Fischer (Donna Leon, Therapie für einen Vampir) gibt Annikas hypochronischen Vater, der am liebsten die ganze Zeit vor dem Fernseher verbringt. Besonders gelungen fand ich Inga Busch (Bonn – Alte Freunde, neue Feinde) als Mrs. Biber, die Filialleiterin des Supermarktes, welche teilweise streng wirkt nur um dann ebenso die esoterische Neo-Schamanin zu geben, welcher das Drehbuch auf köstliche Art Kalenderblatt-Weisheiten in den Mund legt.

Nach der Vorfühurng des Films erzählte Franziska Pflaum davon, wie sie in einem Berliner Schwimmbad auf das immer mehr zum Trend werdende Mermaiding (Schwimmen im Meerjungfrauen-Kostüm mit Monoflosse) stieß und daraus den Film entwickelte. Die diversen Probleme in der Produktion, etwa das Handling der 25 kg schweren Flosse, die Unterwasserszenen (bei welchen teilweise ein übergewichtiger Mann für die Hauptdarstellerin doubelte) und das begrenzte Budget kamen ebenfalls zur Sprache. Im Sommer 2023 soll Meerjungfrauen weinen nicht in die österreichischen Kinos kommen. Einen deutschen Kinostart gibt es leider bisher nicht, ebenso wenig wie einen internationalen Verleih.

Fazit: Lebensechte, verträumte und unterhaltsame Komödie über die Widersprüchlichkeiten im Leben einer menschlichen Meerjungfrau. 8 von 10 Punkten.

Annika und ihre beste Freundin Karo
Annikas Vater und Karos Kinder sind auch noch da

Marius Joa, 28. Januar 2023. Bilder: Prisma Film.

Kommentare

Eine Antwort zu „Meerjungfrauen weinen nicht“

  1. Avatar von Ulrike

    klingt interessant – vielleicht sehe ich ihn irgendwann mal auf filmfriend.

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