Ein todkrankes, junges Mädchen trifft auf einen obdachlosen Gelegenheitsdealer und nimmt ihn mit nach Hause, um ihre Eltern zu schocken. Was sich daraus entwickelt erzählt der australische Film Milla meets Moses von Shannon Murphy.
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Milla meets Moses (Babyteeth)
Tragikomödie Australien 2019. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 120 Minuten. Kinostart: 8. Oktober 2020.
Mit: Eliza Scanlen, Toby Wallace, Essie Davis, Ben Mendelsohn, Emily Barclay, Eugene Gilfedder u.a. Regie: Shannon Murphy. Drehbuch: Rita Kalnejais. Nach ihrem Theaterstück.
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Kurz vor dem Abschied
Teenagerin Milla Finlay (Eliza Scanlen) ist schwer krank und hat nicht mehr lange zu leben. Auf dem Weg von der Schule nach Hause trifft sie den obdachlosen Junkie und Gelegenheitsdealer Moses (Toby Wallace). Nachdem er ihr geholfen hat, überredet Milla Moses, gegen Geld mit zu ihr nach Hause zu kommen, um ihren Eltern den Freund vorzuspielen. Millas Eltern Anna (Essie Davis), eine frühere Konzertpianistin, und Henry (Ben Mendelsohn), praktizierender Psychiater, zeigen sich anfangs geschockt, wollen ihrer Tochter aber Raum zur Entfaltung gönnen. Doch nachdem Moses nachts in das Haus der Finlays einbricht, um Medikamente zu stehlen, verbietet ihm Anna den Umgang mit ihrer Tochter. Doch so schnell lässt sich Milla dem Kontakt mit ihrem Freund nicht verbieten. Schließlich bittet Henry Moses, bei ihnen einzuziehen, um Milla in ihren letzten Wochen zur Seite zu stehen…
Wie nicht selten bei Independent-Produktionen hatte ich schon länger vom vorliegenden Film gehört und natürlich auf einen regulären deutschen Kinostart gehofft, der glücklicherweise passierte. Über den vordergründig dämlichen deutschen Verleihtitel Milla meets Moses konnte ich anfangs nur den Kopf schütteln. Nach der Sichtung muss ich aber zugeben, dass der Titel doch ganz gut passt. Schließlich ist die Geschichte in diverse Kapitel aufgeteilt und das erste zeigt die erste Begegnung der beiden Protagonisten, während der Originaltitel Babyteeth (zu deutsch: Milchzahn) auf eine späte Schlüsselszene anspielt.
Die beiden zentralen Personen hinter der australischen Produktion kommen beide vom Theater. Regisseurin Shannon Murphy inszenierte nach ihrem Studium der Theaterregie zehn Jahre lang auf Australiens Bühnen. Autorin Rita Kalnejais adaptierte ihr eigenes Theaterstück von 2013 für die Leinwand. Für beide ist es das Filmdebüt. Murphy drehte zwei Episoden der aktuellen dritten Staffel von Killing Eve, einer feministisch geprägten Agententhriller-Serie. Surge, ein Thriller mit Ben Whishaw, Kalnejais’ zweites Skript, feierte auf der Berlinale 2020 Premiere.
Wie Murphy im Interview mit Deutschlandfunk Kultur erklärte, wollte sie Milla nicht auf ihre Krebserkrankung reduzieren. An was genau das junge Mädchen genau leidet wird nicht näher ausgeführt. Die Handlung konzentriert sich fast komplett auf Milla, ihre Eltern und natürlich Moses. Nebenschauplätze gibt es wenig, beziehungsweise sie werden nur am Rande behandelt, wie die Rolle der hochschwangeren Nachbarin (gespielt von Emily Barclay, Als das Meer verschwand). Interessant wie die unterschiedlich die Finlays mit der aussichtslosen Situation. Während die todkranke Tochter so gut es geht ein normales Teenager-Leben verbringen möchte scheinen ihre Eltern wesentlich schlechter zurecht zu kommen. Vater Henry versucht Struktur und Ordnung in der Familie aufrecht zu erhalten, steht aber selbst kurz vor dem Zusammenbruch. Mutter Anna hingegen, die ihre Berufung als Konzertpianistin aufgegeben hat, funktioniert nur dank der Einnahme diverser Tabletten, welche ihr von Henry verschrieben werden. Murphy und Kalnejais zeigen hier die Ambivalenz des ganzen Szenarios, wenn sich die Frage danach, wer am “kaputtesten” ist, nicht so einfach beantworten lässt.
Zu keiner Zeit versinkt Babyteeth in Kitsch oder oberflächlichen Young-Adult-Gefilden, sondern schafft es zu jeder Zeit lebensecht und organisch zu bleiben, auch in den intensiveren Szenen. Dazu gibt es immer wieder Bilder und Szenen von kurioser Schönheit, etwa wenn Millas Gesicht von besonderem Licht angestrahlt wird. Und die Soundtrack-Auswahl muss man hier hervorheben. Von einem Instrumental-Cover des The Stranglers-Hits Golden Brown durch das Zephyr Quartett, Come Meh Way von Sudan Archives über Bizness von Tune Yards zu Just Another Diamond Day von Folk-Goldkehlchen Vashti Bunyan, bunter und schillernder hätte die musikalische Untermalung nicht sein können.
Das Herz des Films sind natürlich die im Zentrum stehenden Schauspieler: Eliza Scanlen (Sharp Objects, Little Women [2019]) als Mädchen zwischen Erwachsenwerden und Sterben, Toby Wallace als Moses, dem das Leben übel mitgespielt hat, der aber aufrichtiges Interesse an Milla zeigt, Essie Davis (Der Babadook, Miss Fishers mysteriöse Mordfälle) als überforderte Mutter Anna und der oft unscheinbare Ben Mendelsohn (Lost River, Captain Marvel) als scheinbar kontrollierter Vater Henry.
Fazit: Bewegende, einfühlsame Tragikomödie mit starken authentischen Darstellern. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 25. Oktober 2020. Bilder: X-Filme.
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