Über 100 Tage war ich aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Schutzmaßnahmen nicht im Kino. Am vergangenen Wochenende hieß es dann endlich wieder einen Film auf der großen Leinwand erleben, nämlich das Kriegsdrama Monos, über eine Gruppe jugendlicher Guerilla-Soldaten.
—
Monos – Zwischen Himmel und Hölle (Monos)
Kriegsdrama Kolumbien, Argentinien, Dänemark, Deutschland, Niederlande, Schweden, Uruguay, USA 2019. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 103 Minuten. Kinostart: 4. Juni 2020.
Mit: Moses Arías, Sofia Buenaventura, Julianne Nicholson, Karen Quintero, Paul Cubides, Laura Castrillón, Sneider Castro, Julian Giráldo, Deibi Rueda, Wilson Salazar u.a. Drehbuch: Alejandro Landes und Alexis Dos Santos. Regie: Alejandro Landes.
—
Immersiver Überlebenskampf
Irgendwo in den abgelegenen Bergen Kolumbiens. Eine Gruppe junger Guerilla-Kämpfer im Teenageralter, genannt „Monos“, halten in ihrem Versteck eine amerikanische Geisel (Julianne Nicholson) fest. Ihr Kommandant (Wilson Salazar) gibt der Gruppe neue Anweisungen. Als zu beaufsichtigende Leihgabe erhalten sie die Kuh Shakira. Außerdem gestattet der Kommandant, dass Anführer Lobo (Julian Giráldo) und Lady (Karen Quintero) eine Beziehung eingehen. Nach einer durchfeierten Nacht wird Shakira versehentlich erschossen. Lobo nimmt den „Unfall“ auf seine Kappe. Als feindliche Milizen das Team angreifen, befiehlt der Kommandant den Rückzug in den Dschungel. Der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe wird auf eine harte Probe gestellt…
Sie heißen Lobo (Wolf), Lady, Rambo, Sueca (Schwedin), Pitufo (Schlumpf), Perro (Hund), Boom-Boom sowie Patagrande (Großer Fuß), wurden von Kindesbeinen an von ihrem strengen Kommandanten zu perfekten Guerilla-Kämpfern trainiert und gedrillt. Als ihre Mission zu scheitern droht brechen Konflikte innerhalb der Gruppe aus. Der zweite fiktionale Spielfilm des 1980 in Brasilien geborenen kolumbianisch-ecuadorischen Filmemachers Alejandro Landes wird als Mischung von William Goldings Roman Herr der Fliegen, Francis Ford Coppolas Antikriegsfilm Apocalypse Now (nach der Erzählung Herz der Finsternis von Joseph Conrad) und Werner Herzogs Aguirre, der Zorn Gottes mit Klaus Kinski beschrieben. Ehrlich gesagt kenne ich bisher weder die genannten Filme noch ihre möglichen literarischen Vorlagen. Doch Monos besitzt genug Eigenständigkeit, um nicht als bloßes Abziehbild bekannter Vorbilder dazustehen. Schauplatz der Handlung auch auch der Dreharbeiten ist zwar Kolumbien, aber die Geschichte über Kindersoldaten (denn das sind zumindest ein Großteil der Protagonisten; der jüngste, Pitufo, wohl noch keine 13 Jahre alt) funktioniert als universale Parabel über die Härte des Krieges und die Rohheit der (menschlichen) Natur.
Produktionsfirmen und Filmförderungsfonds aus acht Ländern stellten das Budget von zwei Millionen Dollar zur Verfügung. Von über 800 Kindern und Jugendlichen als potenzielle Kandidaten für die acht Akteure der Guerilla-Einheit kamen 20 bis 30 in die engere Auswahl und nahmen an einem Boot-Camp inden Bergen teil, wo sie von Schauspielerin Inés Efron gecoacht und von Wilson Salzar militärisch trainiert wurden. Der kleinwüchsige Salazar war von elf bis 24 selbst Kindersoldat der kolumbianischen Guerillabewegung FARC. Ursprünglich sollte er „nur“ als Berater und Trainer fungieren, doch Landes verpflichtete ihn schließlich auch für die Rolle des Kommandanten. Die Dreharbeiten begannen Ende 2016 und dauerten gut neun Wochen. Gefilmt wurde vor allen in bisher von der Kamera unberührten Landschaften Kolumbiens. Diese Locations verleihen dem ganzen Film eine urtümliche, wilde, berauschende Kraft, welche Kameramann Jasper Wolf in Bildern voll rauher Schönheit einfängt. Trotz einer nicht wirklich epischen Länge von 103 Minuten hinterlässt Monos beim Zuschauer das Gefühl, Teile des Überlebenskampfes der Protagonisten hautnah miterlebt zu haben. Ein immersives Erlebnis, bei welchem der politische Hintergrund keine Rolle spielt. Mit Ausnahme von Moíses Arias (Hannah Montana, Kings of Summer) als Patagrande und der erfahrenen Julianne Nicholson (Black Mass, I, Tonya) als Geisel, die nur „Doctora“ genannt wird, verfügte keine der Darsteller zuvor nennenswerte Schauspielerfahrung. Der Casting-Abteilung gelang es jedoch, große Talente zu entdecken, wie Sofia Buenaventura als androgynem Rambo, Laura Castrillón als Sueca und Deibi Rueda als kindlicher Pitufo.
Fazit: Ungezähmtes Drama über eine Gruppe jugendlicher Guerilla-Kämpfer, mit immersiver Kraft und rauschhaften Bildern. 8 von 10 Punkten.
—
—
Marius Joa, 27. Juni 2020. Bilder: DCM Filmdistribution.
Schreibe einen Kommentar