Moonage Daydream

David Bowie (1947-2016) war einer der schillerndsten Musiker des 20. Jahrhunderts. Filmemacher Brett Morgen erforscht mit seiner Doku Moonage Daydream Leben und Werk des Künstlers anhand von allerhand Archivmaterial und Original-Kommentaren von Bowie selbst.

Moonage Daydream
Musik-Dokumentation USA, Deutschland 2022. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 140 Minuten. Kinostart: 15. September 2022. Buch, Schnitt, Produktion, Regie: Brett Morgen.

 

 


Stream of Sound and Vision

Egal ob mit den Kunstfiguren Major Tom, Ziggy Stardust und Thin White Duke oder als er selbst, David Robert Jones alias David Bowie revolutionierte die Rock- und Popmusik. Auch wenn ich mich selbst nicht als wirklichen Fan betrachte, so lernte ich den Briten in den 2000er Jahren auch aufgrund seiner Arbeiten als Schauspieler sehr schätzen, etwa in den Filmen Der Mann, der vom Himmel fiel (1976), The Hunger – Begierde, Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence (beide von 1983), Reise ins Labyrinth (1986) und Prestige (2006). Dokumentation über Bowie gibt es unzählige. Der Amerikaner Brett Morgen, welcher schon Dokus über den früh verstorbenen Nirvana-Sänger Kurt Cobain und die weltbekannte Verhaltensforscherin Jane Goodall in seiner Vita stehen hat, erhielt für sein neuestes Werk Moonage Daydream, benannt nach dem gleichnamigen Song von 1971, nicht nur den Segen von Bowies Familie, sondern auch den Zugriff auf die Privatarchive des 2016 mit 69 Jahren an Leberkrebs verstorbenen Musikers. Aus diesem unerschöpflichen Fundus sowie diversen Interviewausschnitten hat Morgen einen audiovisuell epischen, zwei Stunden und zwanzig Minuten langen Film erschaffen, und das über einen Zeitraum von fünf Jahren. Nach der Premiere auf dem diesjährigen Filmfestival von Cannes fand Moonage Daydream vor einigen Wochen auch den Weg in die Kinos.

Morgens Film sprengt den Rahmen einer klassischen Dokumentation, bewegt sich stattdessen an der Schnittstelle zwischen introspektivem Künstlerporträt, Bildercollage und Experimentalfilm. Als durchgehendes Motiv fungiert der Mond. Aufgrund des Titels und der Tatsache, dass Bowie sich vor allem in der Rolle von Ziggy Stardust immer wieder als Außerirdischer inszenierte, absolut passend. Überwiegend gestaltet sich der Inhalt chronologisch, doch Morgen, der neben Buch und Regie auch den Schnitt übernahm und als einer der Produzenten tätig war, vermischt bisweilen die Zeitebenen, etwa in der Eröffnungsmontage, wenn zur Musik des von den Pet Show Boys aufgenommenen Remixes von Hello Spaceboy (1995/96) Szenen aus dem Musikvideo zu Blackstar (2016), dem Titeltrack von Bowies letztem Album zu sehen sind.

Ausgangspunkt für Moonage Daydream bleibt konsequent die Innenperspektive des hier porträtierten Künstlers. Ausnahmen bilden eigentlich nur die gelegentlich eingestreuten Reaktionen von Fans, die sich wie ihr Idol gekleidet und gestylt haben. Ansonsten kommt nur Meister Bowie selbst zu Wort, sei es in seinen über die Jahrzehnte zahlreichen Fernseh-Interviews oder in diversen Off-Kommentaren, in welchen er über seine Sichtweisen, künstlerischen Prozesse, sein Privatleben, seine Herkunft und mehr spricht. Den Großteil des gezeigten Bildmaterials bilden Konzertausschnitte, überwiegend aus der Ziggy Stardust-Zeit, welche teils mit einem kaleidoskopartigen Effekt ästhetisch potenziert werden. Neben prviaten Aufnahmen besticht Morgens Werk auch mit bisher unveröffentlichem Material, welche Bowies Vielfältigkeit als Künstler beweisen, der nicht ausschließlich auf dem Gebiet der Musik tätig war, sondern auch Theater spielte, Skulpturen schuf, malte und mit Videokunst experimentierte.

Das Phänomen David Bowie wird hier näher beleuchtet, ohne diesen jedoch zu entzaubern. Morgen versteht es auch, die Entwicklung Bowies vom avantgardistisch-provokativen Künstler aus den 1960ern und 1970ern, der sich hinter seinen Bühnenpersonas versteckte, hin zum gereifteren Musiker der 1980er, 1990er und 2000er, welcher mit sich selbst mehr ins Reine kommen konnte, herauszuarbeiten. Mit seiner rasanten, psychedelischen Inszenierung, die mich bezüglich der Montage sehr an Baz Luhrmanns fiktionales Biopic Elvis erinnerte, macht es Moonage Daydream den Zuschauern nicht leicht, vor allem jenen ohne Vorkenntnisse. Doch bietet Brett Morgen mit seiner Doku genügend Anlass, sich im Anschluss an die Sichtung mit David Bowie erstmals oder wieder zu beschäftigen.

Moonage Daydream erscheint am 31. Mai 2013 auf DVD und BluRay.

Fazit: Ein intensiver, kaleidoskopartig-dokumentarischer Bilderrausch, welcher dem Phänomen David Bowie auf eigenwillige Art gerecht wird. 8 von 10 Punkten.


 

 

 


Marius Joa, 9. Oktober 2022. Bilder: Universal.

 

 


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Kommentare

Eine Antwort zu „Moonage Daydream“

  1. Avatar von Ulrike

    Vorkenntnisse hatte ich kaum – und war absolut begeistert.

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