Sherlock Holmes, der Hansdampf in allen Gassen. Ob als Prügel-Variante (Robert Downey Jr.), moderne Version (Benedict Cumberbatch) oder als grimassierender New Yorker (Johnny Lee Miller). In Mr. Holmes präsentiert Sir Ian McKellen eine neue Facette: den Meisterdetektiv als alten Mann.
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Mr. Holmes
Drama UK/USA 2015. FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung. 104 Minuten. Kinostart: 24. Dezember 2015.
Mit: Ian McKellen, Laura Linney, Milo Parker, Hiroyuki Sanada, Hattie Morahan, Patrick Kennedy u.a. Regie: Bill Condon. Drehbuch: Jeffrey Hatcher. Nach dem Roman A Slight Trick Of The Mind von Mitch Cullin.
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Bittere Lektion
Ian McKellen in einem Film von Bill Condon (Kinsey, Inside WikiLeaks), das gab es bereits 1998. McKellen verkörperte in Gods And Monsters James Whaley, Regisseur der legendären Horrorklassiker Frankenstein (1931) und Frankensteins Braut (1935). 17 Jahre später kam es zur erneuten Zusammenarbeit des renommierten britischen Mimen (bekannt vor allem als Zauberer Gandalf in den Tolkien-Verfilmungen von Peter Jackson sowie als Mutant Magneto in den X-Men-Filmen) und Condon.
Mr. Holmes in Japan
1947 ist der längst zur Legende gewordene Detektiv Sherlock Holmes (Ian McKellen) 93 Jahre alt und lebt zurückgezogen auf dem Land mit Haushälterin Mrs. Munro (Laura Linney) und deren Sohn Roger (Milo Parker). Durch die Romane und Kurzgeschichten seines verstorbenen Partners Dr. John Watson hat die Figur Sherlock Holmes ein mediales Eigenleben entwickelt, dass mit dem realen Holmes eher wenig gemein hat. Auch hat Watson die realen Fälle für die literarische Verarbeitung aus künstlerischer Freiheit etwas verändert. Vor allem Holmes‘ letzter Fall, der 35 Jahre zurückliegt und den Meisterdetektiv zur Aufgabe seiner Berufung trieb. Der alte Holmes möchte das beschönigende Ende der Roman-Version durch das Niederschreiben der wahren Geschichte korrigieren. Doch kann sich der 93jährige aufgrund seines schwindenden Geisters nicht mehr an die Vorgänge von damals erinnern. Dem aufgeweckten Roger, welchem Holmes die Pflege seines Bienenvolkes näher bringt, ist es zu verdanken, dass die Erinnerungen nach und nach zurückkehren.
Die Geschichte von Mr. Holmes verteilt sich auf drei Zeitebenen. In der Gegenwart (1947) versucht sich der zunehmend gebrechliche und beginnend demente Ex-Detektiv an seinen letzten Auftrag zu erinnern. Parallel gibt es außerdem eine Rückblende auf Holmes‘ kürzlich unternommende Japanreise, seinen Besuch bei einem großen Bewunderer (Hiroyuki Sanada). Anhand dieser recht einfachen, aber wirkungsvoll konstruierten Struktur lässt der Film den alten Mann die bitterste Erkenntnis, seine schwerste Lektion wieder entdecken. Empathie ist manchmal wichtiger als Logik. Oder anders gesagt: es ist nicht immer weise, dem Gegenüber die aufgrund der Deduktion erkannte Wahrheit an den Kopf zu werfen.
Diese Neuorientierung der beliebten literarischen Figur funktioniert vor allem aufgrund des eindringlichen Spiels von Titeldarsteller Sir Ian McKellen (zum Zeitpunkt der Dreharbeiten übrigens 75 Jahre alt), der sowohl den 93jährigen als auch den knapp 60jährigen Sherlock Holmes überzeugend verkörpert. An seiner Seite agiert der unbekümmert aufspielende 11jährige Milo Parker als Roger, dessen Neugier und Wissensdurst dem alten Mann neuen Lebensmut geben.
Fazit: Unspektakulärer, ruhiger Film über den bekannten Meisterdetektiv, wie man ihn selten zu sehen bekommt: menschlich und altersweise. 8 von 10 Punkten.
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Der Junge Roger hilft Sherlock Holmes…
…sich an seinen letzten Fall zu erinnern
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Marius Joa, 28. Dezember 2015. Bilder: Alamode Film.
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