München

Besser kann ein Film eigentlich kaum wegkommen: zwei Kinoredakteure sind unabhängig voneinander der Meinung, dass wir eine derartige Leistung von Regisseur Steven Spielberg schon lange nicht mehr gesehen haben. Details finden Sie in unseren beiden Kritiken zu „München“.

Drama USA 2005. Regie: Steven Spielberg. Musik: John Williams. 164 Minuten. FSK ab 16.
Mit Eric Bana, Daniel Craig, Ciarán Hinds, Mathieu Kassovitz, Hanns Zischler, Geoffrey Rush, Ayelet Zorer, Michael Lonsdale, Mathieu Amalric, Moritz Bleibtreu, Meret Becker u.v.a. Nominiert für zwei Golden Globes und fünf Oscars.

Nach der Geiselnahme israelischer Athleten bei den olympischen Sommerspielen von München, in deren Verlauf elf Geiseln und alle palästinensischen Geiselnehmer starben, wird der Mossad-Agent Avner Kauffman von ganz oben mit einem Geheimauftrag betraut. Mit einem Team von Spezialisten soll er die Hintermänner von München in Europa aufspüren und liquidieren. Als Kontaktmann fungiert der undurchsichtige Ephraim. In Frankfurt trifft Avner auf sein Team: den radikalen Südafrikaner Steve, den gewissenhaften Carl, den unscheinbaren Belgier Robert und den Deutschen Hans. Avner selbst ist in Deutschland aufgewachsen und lernt über einen alten Jugendfreund seinen Informanten Louis kennen, der für das Team die Zielpersonen aufspürt. Die Anschläge haben natürlich Auswirkungen, die Palästinenser reagieren mit Bombenterror gegen israelische Botschaften und die Mitglieder des Teams beginnen sich zu fragen, ob das, was sie tun, wirklich richtig ist. Sind die Zielpersonen wirklich schuldig und was ist mit unkalkulierbaren Kollateralschäden? Kann das Team dem Informanten trauen? Vor allem Avner leidet, wartet er doch auch darauf, zu Frau und Tochter heimkehren zu können.

Steven Spielberg drehte dieses hochkarätige Drama um Vergeltung und Vaterlandsloyalität an einigen Schauplätzen Europas, hauptsächlich auf Malta und in Ungarn. Obwohl Spielberg selbst Jude ist, liefert er hier keinen Propaganda-Film ab, der die Killer um Avner als glorreiche Helden feiert. Sein Werk ist vielmehr eine vielschichtige Parabel um Vergeltung, Mord und die Auswirkung auf die Menschen. Immer wieder lässt er die Hauptfigur Avner und damit den Zuschauer die Geschehnisse um die Geiselnahme durchleben. Das schonungslose Zeigen von brutalster Gewalt ist das Kennzeichen des Films. Wenn Menschen mit Schusswaffen geradezu hingerichtet werden und nach einer Explosion die Körperteile Toter herumliegen, so dient das dem Zweck die Grausamkeit des Konflikts zwischen Israel und Palästinensern zu zeigen. Dass es niemals Gewinner geben kann, zeigt die Figur des Avner, der nach seinem Auftrag kein normales Leben mehr führen kann, weil er sich verfolgt fühlt und die Bilder der Gewalt nicht aus seinen Gedächtnis streichen kann. Am Ende ist er trotz seiner „Verdienste“ für Israel nicht viel mehr als ein Geächteter.

Obwohl die Darstellungen oft eher nüchtern wirken, so glänzt der Film durch eine hochkarätige und glänzende Besetzung. Der Australier Eric Bana („Troja„) verkörpert den schlichten Mossad-Agenten Avner Kauffman, der durch seinen Auftrag gezeichnet wird. Das „Killer“-Kommando ergänzen Daniel Craig, der neue 007, als radikalster der Männer, der die Geschehnisse noch gelegentlich mit ein paar Sprüchen auflockert, der Ire Ciarán Hinds als Denker Carl, der Franzose Mathieu Kassovitz als sensibler Bombenleger Robert und der deutsche Schauspieler Hanns Zischler als Dokumentfälscher Hans. Aber auch die Nebenrollen sind mit Moritz Bleibtreu als Jugendfreund Avners, Meret Becker, Geoffrey Rush als Ephraim und Michael Lonsdale („James Bond 007 Moonraker„) als merkwürdigem Clanchef hochkarätig besetzt.

Ausstattung und Garderobe sind mehr als gelungen und so fühlt man sich in die frühen siebziger Jahre zurück versetzt. Die beklemmende Kameraarbeit verleiht den Geschehnissen einen besonders realistischen Touch.
Negativ ist wohl anzumerken, dass der Zuschauer bei den vielen Schauplatzwechseln zwischendurch den Überblick darüber verlieren könnte, wo sich Avner und sein Team denn gerade befinden. Außerdem wirkt der Film gegen Ende ein wenig unabgerundet und teilweise verwirrend. Ein bisschen mehr Erklärung hätte nicht geschadet. Der neue Spielberg ist ein Plädoyer für Frieden und Menschlichkeit. Es wird deutlich, dass die Rache kein Ende nimmt und auch keinen Frieden bringt, sondern die Menschen nur kaputt macht.

Fazit: Steven Spielberg liefert mit „München“ wohl seinen besten Film der letzten Jahre ab, ein eindrucksvolles Plädoyer für Frieden und Menschlichkeit mit schonungslos-realistischen Gewaltszenen, glänzenden Darstellern und viel Stoff zum Nachdenken. 9/10.


Avner und sein Team: Robert, Carl, Hans und Steve.
Marius Joa, 31. Januar 2006


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Kommentare

2 Antworten zu „München“

  1. Avatar von Johannes Michel
    Johannes Michel

    Zweite Filmkritik zu München: Spielbergsche Glanzleistung

    Kurios: Kein Meter von München wurde auch wirklich in München gedreht. Statt dessen hatte sich Steven Spielberg für Malta und Ungarn entschieden. Dumm nur, dass dies dem geübten Auge schon gleich zu Beginn auffällt, da das gezeigte Stadion so gar nicht dem architektonisch markanten Olympiastadion ähnelt.
    Auch wenn hier gleich mit einer kleinen Kritik begonnen wurde… München ist mit Sicherheit der beste Film von Steven Spielberg in den vergangenen Jahren, vielleicht sogar seit Schindlers Liste. Schonungslos und erschütternd wird die Brutalität gezeigt, mit der beide Seiten – die Palästinenser und die Israelis – gegeneinander vorgehen. Der Film verherrlicht dabei keineswegs die Gewalt, er zeigt sie aber in ihrer Schonungs- und Sinnlosigkeit.
    Zu Beginn findet sich der Zuschauer in München zur Zeit der Olympiade 1972. Ein palästinensisches Terrorteam stürmt das Quartier der israelischen Nationalmannschaft und nimmt die Sportler als Geiseln. Im Stil von TV-Einblendungen und Mitschnitten wird dann der weitere Verlauf der Entführung bis hin zum Eklat auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck präsentiert, bei dem alle Terroristen und Geiseln ums Leben kamen.
    Das israelische Team um Avner Kauffmann (Eric Bana) und Steve Cake (Daniel Craig) soll die Toten „rächen“ und elf Hintermänner der Tat aus dem Weg räumen. Aus dem anfangs vollkommen unprofessionell und verunsichert arbeitenden Team wird eine effektive Killergruppe. Die Männer schaffen es aber nicht, als ihr Auftrag zu Ende geht, wieder zu einem normalen Leben zurückzukehren. Selbstmorde, Verunsicherung sowie die ständige Angst, ebenfalls nicht mit dem Leben davonzukommen, prägen die Zukunft.
    Die bis in die Nebenrolle gut besetzte Schauspielertruppe kann eine mehr als überzeugende Leistung abliefern. Das gilt insbesondere für Eric Bana wie auch für Daniel Craig, den man sich allerdings immer noch nur schwer als neuen James Bond vorstellen kann. Auch Kameraführung, Ausstattung sowie die gesamte „Inszenierung“ sind weit überdurchschnittlich.
    Nach knapp zwei Stunden, als alle bisher möglichen Killeraufträge ausgeführt wurden, offenbart der Film aber Längen und der Zuschauer erwartet jede Minute den Abspann. Dieser aber lässt noch eine knappe halbe Stunde auf sich warten. Auch eine der letzten Szenen, als Avner mit seiner Frau Sex hat und dabei die Ereignisse aus München sozusagen als Gedankensplitter eingefügt werden, muss sich Kritik gefallen lassen.

    Fazit: Bester Spielberg seit langem, der aber Längen zeigt. Besser wäre zudem der Dreh an Originalschauplätzen gewesen. Aufgrund einer sehr guten Leistung des Gesamtteams gibt es aber dennoch 8 von 10 Punkten.

    Johannes Michel, 01. Februar 2006

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