Murder Party (2021)

Der vierte Beitrag des 48. Internationalen Filmwochenendes in Würzburg scheint von Whodunits nach Agatha Christie inspiriert worden zu sein. Ein riesiges Anwesen, ein Mord und ein paar verdächtige Familienmitglieder, das sind die Zutaten von Nicolas Pleskofs Murder Party.


Murder Party
Krimikomödie Frankreich 2021. 103 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Mit: Alice Pol, Pascale Arbillot, Zabou Breitman, Adrien Guionnet, Gustav Kervern, Miou-Miou, Eddy Mitchell, Pablo Pauly, Sarah Stern u.a. Drehbuch: Nicolas Pleskof und Elsa Marpeau. Regie: Nicolas Pleskof.




Spielen mit Familie Daguerre – Ein Mordsspaß!

Jeanne war fünf Jahre alt, als ihr Vater starb. Seinen Tod hat sie nie verwunden. 30 Jahre später ist sie (Alice Pol) eine erfolgreiche Architektin, doch unzählige Ängste kontrollieren ihr Leben. Ein großer Auftrag soll neuen Schwung bringen. Der reiche Brettspielemogul César Daguerre (Eddy Mitchell) möchte sein riesiges Anwesen von Jeanne renovieren lassen. Doch ihre modernen Ideen gefallen dem alten Mann nicht. Kurze Zeit später ist César tot und alle Außentüren des Anwesens verriegelt. Alle Familienmitglieder, Césars Schwester Joséphine (Miou-Miou), seine zweite Ehefrau Salomé (Pascale Arbillot), Césars erwachsenen Kinder Théo (Pablo Pauly ) und Léna (Sarah Stern) sowie Butler Armand (Gustav Kervern) sind potenzielle Verdächtige. Genau wie Jeanne. Da kündigt eine verzerrte automatische Stimme ein Spiel an. Ziel ist es den Mörder Césars zu finden. Wer falsch rät oder nicht mitspielt muss sterben…

 César Daguerre spielt gern

Schaut man sich nur das Poster mit seiner Aufmachung und Farbgebung an so könnte man Murder Party für einen verspätet veröffentlichten Abklatsch/Mockbuster von Rian Johnsons Knives Out – Mord ist Familiensache (2019) halten. Doch weit gefehlt. Während sich Johnsons erfolgreicher, aus meiner Sicht aber etwas überbewerter Krimi nach klassischem Whodunit-Vorbild mit mehreren Twist intelligenter gibt als der Film eigentlich ist so hat mir das Regie-Langfilmdebüt des Franzosen Nicolas Pleskof etwas besser gefallen. Vor allem weil Murder Party sich gleichzeitig als Parodie und als Meta-Abgesang des Genres funktioniert.

Was Kulissen und Figuren angeht so wirkt die für lediglich 3,5 Millionen Euro gedrehte Produktion als hätte Wes Anderson seine eigene Version von Alle Mörder sind schon da (1985, Verfilmung des Brettspiels Cluedo) oder Neil Simons Whodunit-Satire Eine Leiche zum Dessert gemacht, ohne jedoch seiner Detailversessenheit in gleichem Maße wie sonst nachzugeben. Das sehr bunte Setting der Geschichte erinnert an die 1950er und 1960er, doch wird die Verortung in der Gegenwart recht früh durch den Gebrauch eines Smartphones verdeutlicht, welches jedoch wegen des fehlenden Handy-Empfangs im zeitlosen und später abgeriegelten Anwesen der Daguerres nutzlos ist. Protagonistin Jeanne Chardon-Spitzer erweist sich beileibe als keine abgebrühte oder gar erfahrene Detektivin, sondern sieht sich nach dem Tod des Daguerre-Patriarchen mit dessen Familie sowie einem möglichen Mörder im riesigen Domizil gefangen und nimmt im Kampf gegen ihre zahlreichen Phobien das Heft des Handelns in die Hand. Auch sie selbst zählt zum Kreis der potenziell Verdächtigen. Die vom geheimnisvollen Killer, dessen verzerrte Stimme nur über automatisierte Ansagen zu hören ist, inszenierten Spiele (auf Basis einiger fiktiver Spieleklassiker aus dem Hause Daguerre) und die Ausgangssituation erfüllen zudem alle Voraussetzungen eines Escape-Room-Szenarios.

Im Gegensatz zu Genre-Klassikern wie Mord im Orientexpress (1974) und Tod auf dem Nil (1978), beide nach Romanen von Agatha Christie, kann Pleskof hier kein überaus namhaftes oder ausuferndes Starensemble aufbieten. Mit Ausnahme von Miou-Miou (u.a. Die Aussteigerin [1979], Science of Sleep [2006]) und Schauspieler/Musiker Eddy Mitchell (Der Saustall [1981], Das Glück liegt in der Wiese [1995]) als altes Daguerre-Geschwisterpaar dürften die anderen Akteure hierzulande ener unbekannt sein. Völlig egal. Im gut aufgelegten Ensemble macht vor allem Alice Pol (Die Anonymen Romantiker) als von Ängsten gesteuerte und doch entschlossene Heldin wider Willen ihre Sache hervorragend. Zwischenzeitlich hatte ich bei aller Buntheit das Gefühl mich in einem französischen Remake der Märchen-Krimi-Comedy-Serie Pushing Daisies (2007-2009) zu befinden. Das von Regisseur Pleskof mit Co-Autorin Elsa Marpeau (u.a. Odysseus [2013]) verfasste Drehbuch hält die ein oder andere Überraschung bereit, ohne jedoch den Plot mit allzu vielen Twists zu überladen.

Ein bisher noch nicht bekannter deutscher Kinostart wäre Murder Party sicherlich zu wünschen, schließlich befindet sich der französische Film dieses Jahr in guter Genre-Gesellschaft. Am 10. Februar 2022 startet Kenneth Branaghs Version von Tod auf dem Nil, wobei schon seine Verfilmung von Mord im Orientexpress (2017) äußerst mäßig ausfiel. Außerdem soll Ende des Jahres die Fortsetzung von Knives Out erscheinen.

Fazit: Nicolas Pleskofs buntes Meta-Murder-Mystery wirkt als hätte Wes Anderson Cluedo – Das Mörderspiel in Frankreich verfilmt. 8 von 10 Punkten.


Alle sind verdächtig
 

Electrobrain!

 

Marius Joa, 30. Januar 2022. Bilder: BAC Films.

 


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