Ninjababy

Nach Somalia und Österreich bei den ersten beiden Beiträgen führte mich Ninjababy, mein dritter Kinobesuch beim 48. Internationalen Filmwochenende Würzburg, in die Welt einer etwas verlorenen norwegischen Comiczeichnerin, die mit einer ungewollten Schwangerschaft konfrontiert wird.


Ninjababy
Drama/Komödie Norwegen 2021. 103 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Mit: Kristine Kujat Thorp, Tora Christine Dietrichson, Nader Khademi, Arthur Berning, Silya Nymoen, Herman Tømmeras u.a. Drehbuch: John Fasting, Yngvild Sve Flikke und Inga H. Sætre. Regie: Yngvild Sve Flikke.

 


Planlos und schwanger

Rakel lebt ziellos in den Tag hinein. Ihr Studium lässt sie schleifen. Neben Parties und zwanglosem Sex liebt die 23jährige vor allem Zeichnen. Als sich ihr Körper langsam verändert schlägt Ingrid (Tora Christine Dietrichson), Rakels beste Freundin und Mitbewohnerin, einen Schwangerschaftstest vor. Und tatsächlich ist Rakel schwanger. Bei der ärztlichen Untersuchung stellt sich zudem heraus, dass sie bereits im sechsten Monat und daher eine Abtreibung unmöglich ist. Dabei möchte Rakel doch lieber Astronautin, Comiczeichnerin, Försterin oder Bierverkosterin sein. Sicherlich nicht Mutter. Die Suche nach dem Vater gestaltet sich als schwierig, denn Rakel hatte mit mehreren Männern Sex, wie dem einfühlsamen Aikido-Lehrer Mos (Nader Khademi) und dem verantwortungslosen Kiffer Pikkjesus (Arthur Berning). Außerdem ist sich Rakel sicher, dass sie das Kind nicht will. Adoption scheint eine Lösung. Als ob die Schwangerschaft und die damit verbundenen Probleme nicht schon genug wären erscheint Rakel auch ihr ungeborenes Kind als Comicfigur Ninjababy (Stimme: Herman Tømmeras), das zu ihr spricht…

Yngvild Sve Flikke (geboren 1974) war 15 Jahre lang für den norwegischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk NRK tätig, bevor sie begann, eigene Filme umzusetzen. Ihr Regiedebüt Women in Oversized Men’s Shirts (2015) wurde viermal für den norwegischen Filmpreis Amanda nominiert. Flikkes zweiter Spielfilm Ninjababy (2021) feierte seine Uraufführung im Januar 2021 auf dem Tromsø International Film Festival, die internationale Premier erfolgt im März 2021 beim South by Southwest Film Festival in den USA. In Deutschland lief Ninjababy erstmals im Juni 2021 auf der Berlinale. Einen deutscher Kinostart hat der Film bisher leider nicht. Und dabei funktioniert die Geschichte wirklich gut.

Protagonistin Rakel weiß die ganze Zeit, dass sie einfach keine Mutter sein möchte. Auch und vor allem nachdem sie von ihrer viel weiter als gedacht vorangeschrittenen Schwangerschaft erfährt. Rakel hatte eigentlich andere Träume, vor allem vom Erfolg als Comiczeichnerin, auch wenn ihr Grafik-Studium zu Beginn des Films an einem toten Punkt angekommen scheint. Doch nun muss sie den Vater ihres ungeborenen Kindes ausfindig machen und mögliche Ersatzeltern finden. Im Gegensatz zur thematisch ähnlichen amerikanischen Produktion Juno (2007) von Jason Reitman hält Ninjababy nicht durchgehend den Ton einer lockeren Komödie. Vielmehr hadert die Heldin mehrfach mit ihrem Schicksal und der Ausweglosigkeit. Ihre schwierige Situation wird zu keiner Zeit wirklich verharmlost. Alleingelassen mit ihrer Situation ist Rakel allerdings nie. Nicht nur ihre beste Freundin/Mitbewohnerin Ingrid, Aikido-Lehrer Mos, Halbschwester Mie und im späteren Verlauf auch der wahre Vater des Kindes, stehen ihr bei.

Die humoristische Auflockerung erfolgt natürlich nicht nur durch gelegentliche Situationskomik mit Dialogwitz, sondern vor allem durch die zum Leben erweckte Titelfigur. Die Animationen stammen von Künstlerin Inga Sætre, die mit ihrer Graphic Novel Fallteknikk (2011) erfolgreich war und auch am Drehbuch mitschrieb. Gesprochen wird das Ninjababy von Herman Tømmeras, welcher in der norwegischen Netflix-Serie Ragnarök eine der Hauptrollen spielt. Rakels Zwiegespräche mit dem eigenwilligen Wesen, das sich mit ihren Gedanken und Entscheidungen meist nicht einverstanden zeigt, liegen einfach in ihrer blühenden Phantasie begründet. Desöfteren wird die Filmhandlung auch anderweitig durch zeichnerische Mittel oder animierte Sequenzen ergänzt. Gemeinsam mit dem starken, außerhalb Norwegens sicherlich weitgehend unbekanntem, Darstellerensemble hebt dieser inhaltliche und inszenatorische Kniff Ninjababy von Filmen wie Kuck mal, wer da spricht! (1989) ab.

Fazit: Einfühlsame Mischung aus Drama und Komödie mit Zeichentrickelementen über eine junge, ziellose Frau und den Umgang mit ihrer ungewollten Schwangerschaft. 8 von 10 Punkten.

 


Rakel und ihre beste Freundin Ingrid
 

Rakel und Mos
 

Im Krankenhaus

 


Marius Joa, 29. Januar 2022. Bilder: Motlys.

 

 

 


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