Nomadland

Seit einigen Wochen sind die Kinos hierzulande teilweise wieder geöffnet. Die Gelegenheit zu einem Besuch des hiesigen Programmkinos nutzte ich am vergangenen Wochenende und sah den diesjährigen Oscar-Gewinner Nomadland von Regisseurin Chloé Zhao.

Nomadland
Drama USA 2020. FSK: ohne Altersbeschränkung. 108 Minuten. Kinostart: 1. Juli 2021.
Mit: Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Charlene Swankie, Bob Wells u.v.a. Nach dem Buch
Nomaden der Arbeit von Jessica Bruder. Drehbuch und Regie: Chloé Zhao.

 



Down the Road

Kurz nach dem Tod ihres Mannes verliert Fern (Frances McDormand) ihren Job, weil eine große Mine in Empire, Nevada, stillgelegt wird. Fern entschließt sich das meiste ihrer Habseligkeiten zu verkaufen und beginnt fortan als Nomadin in ihrem kleinen Van zu leben. Durch ihre Freundin Linda May (Linda May), mit welcher sie gelegentlich in einem Verteilerzentrum von Amazon oder anderswo als Saisonkraft arbeitet, erfährt Fern von einem Treffen anderer „Vandweller“, welches vom bekannten Nomaden Bob Wells (Bob Wells) geleitet wird. Nach anfänglichem Zögern schließt sich Fern der Gruppe an. Dabei lernt sie unterschiedliche Menschen kennen wie die gebrechliche, aber lebenslustige Swankie (Charlene Swankie) und den Koch Dave (David Strathairn) kennen. Unterschiedlichste Jobs bringen Fern in verschiedene Gegenden und sorgen für diverse Begegnungen…

Die Vorwürfe der letzten Jahre, dass die für die Verleihung der Oscars zuständigen Academy-Mitglieder fast nur männlich und/oder weiß seien und entsprechend fast nur (amerikanische) Filme von weißen Männern ausgezeichnet würden haben bei den letzten Oscars durchaus Wirkung gezeigt. 2020 gewann völlig überraschend das koreanische Sozialdrama Parasite nicht nur in den Kategorien bester internationaler Film und bestes Originaldrehbuch sondern auch für die beste Regie (Bong Joon-ho) und den besten Film. Bei den diesjährigen Academy-Awards gingen die Hälfte der Darstellerpreise an nichtweiße Schauspieler und bei der Kategorie Regie gab es ein totales Novum: zwei von fünf Nominierten waren Regisseurinnen. Mit der chinesischen Filmemacherin Chloé Zhao (The Rider) gewann erstmals eine Asiatin und zum zweiten Mal nach Kathryn Bigelow (The Hurt Locker) eine Frau den Regie-Oscar für ihr Roadmovie Nomadland, welches auch als bester Film und für die beste Hauptdarstellerin Frances McDormand ausgezeichnet wurde. Diese drei Oscars bildeten den Höhepunkt eines Siegeszuges durch die Award-Saison 2020/21. Offiziell startet der Film erst am 1. Juli deutschlandweit in den Kinos. Doch einige nach dem langen Lockdown wiedereröffnete Lichtspielhäuser haben Nomadland bereits in ihr Programm aufgenommen.

Bei den mit allerlei Vorschusslorbeeren und Preisen überhäuften Beiträgen stellt sich natürlich immer erst einmal die Frage, ob hier einfach nur ein lediglich ordentlicher Film mit wichtigem Thema ausgezeichnet wurde oder ob die ganzen Awards durchaus ihre Berechtigung haben. Nomadland erweist sich durchaus verdienter Gewinner, vor allem dank der unaufgeregten Authentizität. Zhao, Hauptdarstellerin McDormand (auch einer der Produzenten) und die Crew lebten während der Dreharbeiten im Herbst 2018 selbst in Vans. Der dokumentarische Charakter wird auch dadurch erreicht, dass viele reale Vandweller sich im Film selbst spielen, wie Linda May, Charlene Swankie und Buchautor/Youtuber Bob Wells. Für die deutsche Synchronisation hätte ich mir bei einigen Nebenfiguren passendere und organischere Sprecher gewünscht.

Auch wenn es sich inhaltlich wirklich anbieten würde so prangert Zhao mit ihrem Werk, welches auf einem 2017 erschienenen Sachbuch der Journalistin Jessica Gruber (Spezialistin für Subkulturen) basiert, die sozialen Missstände in den USA nicht direkt an. Es wird zwar deutlich gezeigt, dass Fern und andere immer wieder von Ort zu Ort ziehen, um zeitlich begrenzte Arbeit zu finden (etwa als Aushilfe bei Amazon in der Vorweihnachtszeit), aber Menschen, die von dieser Lebensweise schwer gezeichnet werden, sieht man hier kaum. Gleichzeitig wird das Nomadenleben aber auch nicht romantisiert. Vor allem durch die starke Performance von Frances McDormand (die nach Fargo und Theree Bilboards Outside Ebbing, Missouri ihren dritten Oscar gewann) wird glaubhaft vermittelt, dass für Protagonistin Fern das sesshafte Leben am irgendwann nicht mehr funktioniert.

Nomadland startet am 1. Juli 2021 regulär in den deutschen Kinos.

Fazit: Nüchtern-authentischer Film über eine entbehrungsreise, aber auch erfüllende Lebensweise. 8 von 10 Punkten.

 


Marius Joa, 20. Juni 2021. Bilder: Searchlight.

 

 

 

 


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