Old Men Never Die

Mit Old Men Never Die von Regisseur Reza Jamali durfte ich einen kuriosen fünften Film bei der Internationalen Filmwoche in Würzburg erleben. In einem nordiranischen Dorf wartet eine Gruppe uralter Männer auf den Tod, der nicht kommt.

Old Men Never Die (Piremard’ha Nemimirand)
Drama/Komödie Iran 2019. 85 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Mit: Nader Mahdilou,
Hamdollah Salimi, Salman Abbasi, Neda Haghshenas, Velayat Khoobdel, Sefat Ahari u.a. Drehbuch und Regie: Reza Jamali.

 

 


Im Tal der Unsterblichen

In einem abgelegenen Dorf im Norden Irans ist seit 45 Jahren niemand mehr gestorben. Eine Gruppe hochbetagter Männer, angeführt vom 100jährigen Aslan (Nader Mahdilou), lebt zusammen und wartet auf den Tod. Doch dieser tritt nicht ein. Um eine Serie von Selbstmorden zu verhindern hat die Regierung Soldaten abkommandiert, welche die Senioren im Auge behalten. Schon bald entwickelt sich ein touristischer Run auf das Dorf. Mehrere Familien bringen ihre todkranken Alten dorthin. Aslan und seine Freunde hoffen unterdessen, dass die Neuankömmlinge vielleicht den Tod mitbringen…

Die Prämisse von Old Men Never Die, dem Langfilmdebüt des iranischen Filmemachers Reza Jamali (geboren 1978), der 2009 eine Kurzfilmversion der Geschichte veröffentlicht hatte, klingt erst einmal ziemlich düster und ernüchternd. Und doch glänzt der Film immer wieder durch absurde Situationen voller schwarzem Humor. Vor allem beim „Running Gag“ mit den Soldaten, die quasi als Sanitäter oder Pflegekräfte fungieren, wenn sie die Suizidversuche der alten Männer immer wieder zu verhindern versuchen. Gleichzeitig vermeidet die Geschichte aber auch plumpe Haudrauf-Scherze. Die absurde Komik ergibt sich dagegen aus dem kuriosen Schicksal der alten Dorfbewohner.

Ihren Zustand nehmen die betagten Herren zum Anlass über Leben und Tod zu philosophieren. Vor allem Aslan fragt sich desöfteren, ob sein ausbleibendes Ableben nicht die Strafe dafür sein könnte, dass er vor vielen Jahren als Henker reihenweise Verbrecher hingerichtet hat. Auch den minimal jüngeren Totengräber des Dorfes haben die letzten viereinhalb Jahrzehnte übel mitgespielt, ist er doch seitdem ununterbrochen arbeitslos.

Das Setting dieser beinahe zeitlosen, universellen Parabel wirkt auf mich ebenfalls faszinierend. Das Dorf der Langlebigen liegt nämlich in einem Tal von unwirklicher, paradiesischer, fast berauschender Schönheit, welche die Kamera auch gekonnt einfängt. Die Inszenierung bleibt über die gesamte Laufzeit auch angenehm entschleunigt, schlicht und ergreifend weil die alten Herren nicht mehr sonderlich gut zu Fuß sind. Im Zentrum steht freilich das unnachahmliche Ensemble, dessen Akteure sicherlich etwas jünger als die von ihnen dargestellten schrulligen Charaktere sein dürften. Old Men Never Die zelebriert auf seine Art das vielleicht nicht süße, aber doch ehe stressfreie Leben im hohen Alter. Ein wundervoller Film, der es hoffentlich eines Tages auch in regulärer Auswertung ins deutsche (Heim-)Kino schaffen wird.

Fazit: Herrlich schwarzhumorige Tragikomödie über „Unsterbliche“ in einem abgelegenen Dorf. 9 von 10 Punkten.

 


Marius Joa, 7. Februar 2021. Bilder: Persia Film Distribution.

 

 

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