Wenn sich Hollywood mit dem Terrorismus beschäftigt, beschleicht den Filmfan zuerst einmal die Frage, ob die Befangenheit nicht jeglichen guten Ansatz vernichten könnte. In Operation: Kingdom bleibt dieser erhalten, zumindest bis in die letzten Minuten. Johannes Michel über einen Film, der in den meisten Punkten überzeugt und ziemlich neutral bleibt.
Operation: Kingdom (The Kingdom)
Actionthriller, USA 2007. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 109 Minuten.
Mit: Jennifer Garner, Jason Bateman, Chris Cooper, Jamie Foxx, Jeremy Piven, Minka Kelly, Ashraf Barhoum, Ali Suliman u.a. Regie: Peter Berg.
Neutralität gewahrt oder: Warum muss immer eine Figur den Cowboy spielen?
Die Stadt Riad in Saudi Arabien kennen viele aus den Medien, allerdings meist in wenig rühmlichem Zusammenhang. Besonders in den 1990er Jahren und auch in unserem Jahrzehnt schockierten blutige Anschläge die Einwohner der Stadt. Am 12. Mai 2003 starben bei einer Selbstmord-Anschlagsserie gegen US-amerikanische Zivilisten 34 Menschen. Diesen Anschlag nimmt sich der Film als Vorlage.
Bei einem Baseballspiel in einem amerikanischen Wohngebiet in der Stadt Riad wollen sich Zivilisten amüsieren – aber es kommt ganz anders. Arabische Terroristen dringen in das hoch gesicherte Viertel ein und richten ein Blutbad an: Mehr als 100 Amerikaner verlieren ihr Leben. Zur Untersuchung des Vorfalls will das FBI ein Kommando nach Riad schicken. Dies gestaltet sich aber als schwierig, da dem FBI offiziell die Hände gebunden sind. Nachdem Agent Ronald Fleury (Jamie Foxx) gehörig unter Druck gesetzt hat, gelingt die Endsendung des Teams. Mit dabei sind neben Ronald Fleury Sprengstoffexperte Sykes (Chris Cooper), Forensik-Spezialistin Mayes (Jennifer Garner) und Analytiker Leavitt (Jason Bateman). In Riad stoßen sie allerdings auf eine Mauer des Schweigens und dürfen nur unter Aufsicht und sehr eingeschränkt ermitteln. Erst nach einigem Hin und Her verstehen sich Fleury und der saudische Polizeioffizier Al-Ghazi (Ashraf Barhom) immer besser und beginnen, gemeinsam nach den Attentätern zu suchen. Das aber bringt das Team in Lebensgefahr.
Das FBI-Team findet in Riad ein Schlachtfeld vor.
Für uns unvorstellbar, draußen in der Welt aber pure Realität: Soldaten und Zivilisten geben sich auf den Straßen die Waffen in die Hand, das ständige Bangen ums eigene Überleben gehört zum Alltag. Selbst gestandene Polizisten und Agenten wirken in dieser „Hölle“ verloren und wirken überfordert. Dies ist zugleich die große Stärke des Films, denn alle zu Anfang Starken (sowohl Amerikaner als auch Saudis) müssen eingestehen, dass sie einer derartigen Situation zwar nicht vollkommen machtlos, aber doch hilflos gegenüberstehen.
Regisseur Peter Berg zeichnet, in Zusammenarbeit mit Produzent Michael Mann (Heat, Insider, Collateral), ein Bild des Terrors, wie wir es nahezu täglich in den Nachrichten sehen können. Nur dass wir hier mehr erfahren. Wir dürfen hinter die Kulissen der Nachrichten blicken und sehen dabei, dass die strikten Einordnungen von Gut und Böse in diesem Geschäft nicht funktionieren. Auf der einen Seite stehen die FBI-Agenten, saudische Polizisten und gewisse Teile des saudischen Königshauses, die ein reales Interesse daran haben, die Vorfälle aufzuklären. Auf der anderen Seite finden sich korrupte US-Politiker, die nur an den Machterhalt denken und kein Interesse an der Aufklärung des Attentats verspüren sowie Terroristen, die zwar selbst zu Hause eine Familie haben, aber dennoch ohne jegliches Gewissen Töten und dabei sogar ihre Kinder einbinden und ihnen zeigen, wie nach ihrer Meinung die Welt funktioniert.
Damit auch für jeden Zuschauer eine Identifikationsfigur dabei ist, haben die Macher Chris Cooper als den Sprengstoffexperten Grant Skyes installiert, der in jeder Situation einen dummen Spruch über die Lippe bringt und die Saudis, zumindest anfangs, äußerst skeptisch sieht. Dagegen wäre prinzipiell nichts einzuwenden, dennoch beginnt Skyes bereits nach wenigen Minuten derart zu nerven, dass sich der Kinobesucher wünscht, jeder neuerliche Auftritt möge bitte schnellstens vorbei gehen.
Ansonsten überzeugt Operation: Kingdom handwerklich und schauspielerisch absolut. Die Aussage des Films trifft absolut den Punkt, woran die Konflikte auf unserem Planeten bisher leiden. Auch am Schluss setzt Peter Berg einen Akzent, mit dem kein Zuschauer gerechnet haben dürfte: Ronald Fleury fragt seine Kollegin Janet Mayes nach ihren Gedanken direkt nach dem Anschlag, bei dem unterem anderem ihr Freund ums Leben kam. Was sie sagt, darf schon aus Spannungsgründen hier nicht wiedergegeben werden, ist aber wirklich hörenswert und für den einen oder anderen durchaus überraschend.
Fazit: Solider Actionthriller, der endlich einmal keine 08/15-Beschäftigung mit dem Phänomen des internationalen Terrorismus abliefert und tiefgründiger bleibt als zunächst vermutet. 8 von 10 Punkten.
Agentin Janet Mayes auf Terroristenjagd.
Darf das FBI ein Team nach Saudi Arabien schicken? Agent Fleury meint ja.
Pflegen bald eine Freundschaft.
Johannes Michel, 28. Oktober 2007. Bilder: Universal.
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