Proxima – Die Astronautin

Beim dritten Kinobesuch dieses Jahres verschlug es mich zu einen leider durchgehend verregten Open-Air-Kinoabend mit Proxima – Die Astronautin von Alice Winocour. Dem Filmgenuss hat das Wetter aber wenig Abbruch getan.


Proxima – Die Astronautin
(Proxima)
Drama Frankreich, Deutschland 2019. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 107 Minuten. Kinostart: 24. Juni 2021.
Mit: Eva Green, Zélie Boulant-Lemesle, Matt Dillon, Lars Eidinger, Aleksey Fateev, Sandra Hüller u.a. Drehbuch und Regie: Alice Winocour.

 


Zwischen Lebenstraum und Mutterrolle

Für die französische Ingenieurin Sarah (Eva Green) erfüllt sich ein Kindheitstraum, als sie für eine Mission an Bord der internationalen Raumstation ISS zur Vorbereitung einer Reise zum Mars ausgewählt wird. Doch muss Sarah dafür ihre achtjährige Tochter Stella (Zélie Boulant-Lemesle) für ein Jahr zurücklassen, von dessen Vater Thomas (Lars Eidinger) die Astronautin getrennt ist. Ein in mehrfacher Hinsicht überaus anstrengender Spagat. Denn das Training mit den anderen Astronauten Mike (Matt Dillon) aus den USA bzw. Anton (Aleksey Fateev) aus Russland und die Trennung von ihrer Tochter bringt Sarah an ihre physischen und psychischen Grenzen…

Im Zentrum vieler Raumfahrtfilme der letzten Jahre wie Gravity (2013), Interstellar (2014) und Der Marsianer (2015) steht die erfolgreiche Durchführung der Mission oder die gefährliche Rückkehr der Astronauten auf die Erde oder gar deren Überleben. Im Zentrum von Filmemacherin Alice Wincours (Augustine, Der Bodyguard – Sein letzter Auftrag) Proxima – Die Astronautin (2019), der seine Premiere bei den Filmfestspielen von Toronto im September 2019 feierte und jetzt mit Verspätung noch in die deutschen Kinos anlief, steht eine Frau im Mittelpunkt, die an den Anforderungen ihrer „Doppelrolle“ als Mutter und Astronautin bei einer bevorstehenden Mission zu zerbrechen droht.

Die Dreharbeiten fanden vom 15. Februar bis 30. April 2018 in Frankreich, im Europäischen Astronautenzentrum in Köln, im russischen Swjosdny Gorodok (Star City) und auf dem Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan statt. Hauptdarstellerin Eva Green (Casino Royale, Penny Dreadful) absolvierte zuvor ein Training bei Thomas Pesquet, einem französischen Raumfahrer, der von November 2016 bis Juni 2017 an Bord der Internationalen Raumstation gewesen war. Die akribische Präparation der Filmcrew hat sich auf jeden Fall gelohnt. Denn Proxima überzeugt vor allem mit seiner Authentizität, zum einen beim Training und der Vorbereitung der Mission, zum anderen hinsichtlich der Zerreißprobe der Protagonistin.

Gekonnt montieren Winocour und ihr Team die beiden Leben Sarahs nebeneinander. Der durchgetaktete Alltag mit hartem Training, ärztlichen Untersuchungen, detailreichem Studium und wichtigen Dienstbesprechungen auf der einen, die wenigen „gestohlenen“ Stunden mit Tochter Stella auf der anderen Seite. Proxima findet für seine Figuren und Situationen immer eine authentische und lebensechte Tonalität. Selbst die auf den ersten Blick etwas plump gezeichneten Figuren wie Stellas Vater Thomas (Lars Eidinger) und der von Matt Dillon (L.A. Crash, Wayward Pines) gespielte amerikanische Astronaut Mike erhalten Gelegenheit, Profil zu zeigen. Thomas wirkt anfangs nicht so, als ob er sich alleine um seine Tochter, die zudem mit Probleme in der Schule zu kämpfen hat, kümmern kann. Und Mike scheint auf den ersten Blick nur der Machotyp zu sein, als er bei der Pressevorstellung des Missionsteams meint, dass Sarah auch deswegen mit ins All reisen darf, weil Französinnen als sehr gute Köchinnen bekannt seien. Als Psychologin Wendy, die teilweise mehr Zeit mit Stella als ihre eigene Mutter zu verbringen scheint, sehen wir Sandra Hüller (Toni Erdmann), die im vor wenigen Tagen gesichteten Ich bin dein Mensch eine scheinbar dauergrinsende Kundenberaterin verkörperte.

Dem eindringlichen Spiel von Eva Green und der jungen Zélie Boulant-Lemesle ist es zu verdanken, dass die im Zentrum der Geschichte stehende Mutter-Tochter-Beziehung ihre emotional-nachvollziehbare und einfühlsame Wirkung beim Zuschauer entfalten kann. Eine Szene kurz vor Schluss wurde in anderen Rezensionen zum Film als unrealistisch kritisiert. Im Interview mit der Website film-rezensionen.de erklärt Alice Winocour, dass diverse reale Astronauten in der gleichen Situation genauso gehandelt haben.

Fazit: Einfühlsames und authentisches Drama über die schwierige Situation einer Astronautin vor ihrem Flug ins All. 8 von 10 Punkten.

 


Marius Joa, 8. Juli 2021. Bilder: Koch Films.

 

 

 


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