Draculas Diener hat genug von seinem blutsaugenden Meister und besucht eine Therapie-Gruppe für Opfer toxischer Personen. Ob das gut ausgeht? Das erfahren wir in Chris McKays Horror-Comedy Renfield, mit Nicholas Hoult, Akwafina und Nicholas Cage in den Hauptrollen.
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Renfield
Horrorkomödie USA 2023. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 94 Minuten. Kinostart: 25. Mai 2023.
Mit: Nicholas Hoult, Akwafina, Nicholas Cage, Ben Schwartz, Shohreh Agdashloo, Camille Chen, Brandon Scott Jones u.v.a. Nach Dracula von Bram Stoker. Drehbuch: Ryan Ridley und Robert Kirkman. Regie: Chris McKay.
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Mein Boss ist ein Blutsauger
Vor etwa einem Jahrhundert hat der Vampirfürst Dracula (Nicholas Cage) R.M. Renfield (Nicholas Hoult) zu seinem Diener gemacht. Seitdem sorgt Renfield für das Wohlergehen seines Herrn, vor allem wenn sich dieser nach einer Konfrontation mit Vampirjägern mal wieder für einige Zeit regenerieren muss. Renfield sorgt auch dafür, dass Dracula immer genug Nachschub an frischem Blut bekommt. Doch mit der Zeit hat der Diener erkannt, dass er von seinem Meister ausgenutzt und schlecht behandelt wird, auch wenn Renfield durch Dracula ein sehr langes Leben und übermenschliche Kräfte erhielt, die aktiviert werden, wenn er lebendige Insekten verspeist. Renfield beginnt die Selbsthilfegruppe von Mark (Brandon Scott Jones) für Opfer toxischen Verhaltens zu besuchen und in der Folge die bösen Menschen im Leben der Geschädigten seinem Chef zu servieren. Dadurch erregt Renfield die Aufmerksamkeit des Gangsters Teddy (Ben Schwartz) vom einflussreichen Lobo-Clan in New Orleans. Die Polizistin Rebecca (Akwafina) wiederum versucht seit Langem die Verbrecher-Familie hinter Gitter zu bringen…
Draculas Diener hat genug vom Verhalten seines Meisters und geht deswegen in eine Therapiegruppe für Opfer toxischen Verhaltens, wobei er die toxischen Leute an den Vampirfürsten verfüttert und mit der Zeit seine eigene Situation aus einer etwas anderen Perspektive sehen kann. Das klingt nach einer spannenden Prämisse für eine Horror-Komödie, oder? Nur leider machen Regisseur Chris McKay (The Lego Batman Movie, The Tomorrow War) sowie die Drehbuchautoren Ryan Ridley (Community) und Robert Kirkman (The Walking Dead) aus dieser zu wenig und so erweist sich Renfield als blutige, teils witzige, aber doch insgesamt eher enttäuschende Angelegenheit.
Der Casting-Hammer war es natürlich niemand Geringeren als Overacting-Experte Nicholas Cage für die Rolle des legendären Vampirs zu gewinnen. Neben Superman und Captain Nemo, die er bisher nicht verkörpern konnte (ersten immerhin als Sprechrolle in einem Animationsfilm), war Dracula einer der drei absoluten Traumrollen Cages, der sich durch ein überaus expressives (um nicht zu sagen übertriebenes) Schauspiel in einigen Genre-Produktionen wie Mandy (2018) und Die Farbe aus dem All (2019) oder mit der hemmungslosen Selbstparodie in Massive Talent (2022) seit ein paar Jahren eine kuriose Renaissance erlebt. Und der mittlerweile 59jährige kostet seine Rolle als Blutsauger so richtig aus, wirkt dabei vom Makeup her ein wenig wie der Joker aus dem Batman-Franchise.
Doch nicht der übermächtige Vampirfürst steht im Mittelpunkt der Handlung, sondern sein „familiar“ Renfield. Nicholas Hoult (X-Men: Erste Entscheidung, The Great [Serie]) erweist sich als genau der richtige für diese Variation der Rolle des schrägen Erfüllungsgehilfen, der mit totenblassem Teint und altertümlicher Bekleidung optisch selbst als Vampir durchgehen könnte. Dazu liefert der zweite Nicholas im Cast auch die passende Körpersprache und Mimik. Obwohl der Titelheld auch für schlimme Dinge verantwortlich ist und durch seine „Superkräfte“ öfter mal die Gegner mit bloßen Händen auseinandernimmt so entwickelt er sich dank Hoults eigenwilligem Charme zum Sympathieträger. Als dritte im Bunde sehen wir Awkwafina (Crazy Rich Asians, The Farewell) als Polizistin Rebecca Quincey. Sie ist die letzte aufrechte Gesetzeshüterin in einer vom Lobo-Clan kontrollierten Großstadt und führt einen aussichtslosen, aber nimmermüden Kampf gegen das organisierte Verbrechen während ihre Kolleg*innen von der Polizei sich längst haben kaufen lassen.
Die Verortung der klassischen Horror-Figuren im heutigen New Orleans und die Konstellation mit Vampir, Selbsthilfegruppe und Mafia-Clan klingt spannend. Doch das Drehbuch bietet den Figuren und dem potenzialträchtigen Setting zu wenig Raum. Und nach der Sichtung frage ich mich ob die Idee nicht zu wenig für einen abendfüllenden Spielfilm hergibt und nicht besser als längerer Sketch oder als 45minütige Episode einer Horror-Anthologie-Serie aufgehoben wäre. Die blutig-brachiale Action und ein paar witzige Szenen können die inhaltliche Dürre dann eben doch nicht ausreichend kompensieren.
Fazit: Renfield erweist sich als kurzweilig und blutig, aber vor allem inhaltlich enttäuschend. 5 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 23. Juni 2023. Bilder: Universal.
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