In Rezo (nicht zu verwechseln mit einem deutschen Youtuber), einer Mischung aus Doku und Zeichentrick, die auf dem 46. Internationalen Filmwochende in Würzburg gezeigt wurde, erzählt der renommierte georgische Künstler, Autor und Regisseur Rewas Gabriadze von seiner Kindheit nach dem Zweiten Weltkrieg und wie er zur Kunst kam…
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Rezo (Знаешь, мама, где я был?)
Dokumentation/Animationsfilm Russland 2018. 62 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Mit: Rewas Gabriadze. Drehbuch: Rewas Gabriadze. Regie: Levan Gabriadze.
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Vom Kind zum Künstler
Rewas „Rezo“ Gabriadze wurde 1936 in der georgischen Stadt Kutaissi geboren. Er schloss sein Studium an einer Hochschule für Drehbuchautoren in Moskau ab und verfasste in der Folge über 35 Skripts (darunter für den sowjetischen Scifi-Kultfilm Kin-dsa-dsa!). Außerdem war Rezo als Bühnenautor, Regisseur von Kurzfilmen, Maler, Illustrator und Bildhauer tätig. Frustriert von der sowjetischen Zensur gründete er 1981 in Tiflis das Puppentheater Teatro Rezo Gabriadze, welches ihm die Möglichkeit bot, vom Regime unabhängig zu arbeiten. Bis heute leitet Rezo dieses Theater. Sein Sohn Levan Gabriadze (geboren 1969) arbeitete schon im Alter von 12 Jahren an den Filmprojekten seines Vaters mit. Weltweit dürfte Gabriadze junior vor allem als Regisseur des amerikanischen „Desktop“-Horrorfilms Unknown User (OT: Unfriended; 2014) bekannt sein, der vom kasachisch-russischen Filmemacher Timur Bekmambetow (Wächter der Nacht, Wanted) produziert wurde.
Für den vorliegenden Film, dessen Originaltitel übersetzt „Weißt du, Mama, wo ich gewesen bin?“ bedeutet, tat sich das Trio zusammen. Levan führte Regie und „interviewte“ seinen Vater, der das Drehbuch schrieb und die Animationen kreierte, während Bekmambetow als Produzent fungiert. So entstand eine im besten Sinne ungewöhnliche Biopic-Doku. Das mit 62 Minuten recht kurze Werk spult nämlich nicht einfach die wichtigsten Stationen im Leben des Protagonisten ab, sondern versetzt den Zuschauer in eine leicht überhöhte Zeichentrickwelt.
Als Kind wächst Rewas in Kutaissi auf. Der Junge flüchtet sich gerne in die Bibliothek, wo er Bücher liest während eine Ratte die Ledereinbände auffrisst. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kommt der Zehnjährige aufs Land zu seinen Großeltern, die ein kleines Haus mit etwas Landwirtschaft besitzen. Vom benachbarten Kriegsgefangenlager wird ein deutscher Soldat als Hilfsarbeiter zugeteilt, der bei der täglichen Arbeit zur Hand gehen soll. In dieser etwas rauhen, ländlichen Idylle verbringt der kleine Rewas erecht unbeschwerte Zeiten.
Gabriadze senior erzählt die Geschichte selbst, ist zwischenzeitlich immer wieder in aktuellen Schwarzweiß-Aufnahmen zu sehen, die dem Zuschauer als Anker dienen. Denn die in wunderschön-kindlichem Stil gehaltene Zeichentrickhandlung überwindet häufiger die Grenze zwischen Realität und Fantasie, etwa wenn historische Persönlichkeiten aus ihren Bildern springen, Zeitungen ein Eigenleben entwickeln oder sich der kleine Held mit einem übergroßen Frosch anfreundet. Diese einfallsreichen und märchenhaften Abstecher verleihen der ganzen Geschichte einen eigenwilligen Charme zwischen kindlicher Fabulierlust und nostalgischer Verklärung. Am Ende erfährt man wie Rezo dazu kam, sein erstes Werk zu schaffen und welche positiven Auswirkungen es hatte. Ich wiederum bin um die Erfahrung eines ungewöhnlichen Zeichentrickfilms reicher und habe etwas über einen großen georgischen Künstler gelernt.
Fazit: Liebevoll erschaffene Mixtur aus Interview-Monolog und Animation, kindlich verklärt und märchenhaft erzählt. 8 von 10 Punkten.
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Rewas Gambriadze erzählt aus seiner Kindheit
Zwischen Stalin und Lenin
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