Oktober 2009 sollte es werden, Februar 2010 wurde es. Paramount hatte den neuen Film von Starregisseur Martin Scorsese lieber um einige Monate verschoben – nach wenig überzeugenden Kritiken. So wollten sich die Studios eine Blamage ersparen – schließlich hätte Shutter Island möglicherweise keine Oscar-Nominierung erhalten. Johannes Michel war im Kino und schreibt über Paramounts Angst vor dem Scheitern, und warum diese sogar berechtigt ist.
Shutter Island
Thriller USA 2010. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 138 Minuten. Deutscher Kinostart: 25. Februar 2010
Mit: Leonardo DiCaprio, Mark Ruffalo, Ben Kingsley, Emily Mortimer, Michelle Williams, Max von Sydow, Jackie Earle Haley, John Carroll Lynch u.v.a. Regie: Martin Scorsese
Zu anspruchsvoll?
Martin Scorsese gehört zweifelsohne zur Creme de la Creme der Regisseure in Hollywood. Seine Filme stellen immer auch einen gewissen Anspruch an sich selbst– bestes Beispiel war hier Departed – Unter Feinden. Wer nur Action und Hochspannung erwartet oder wer ins Kino geht, um einmal vollständig abzuschalten, ist hier fehl am Platze. Und scheinbar gehörten die Verantwortlichen von Paramount genau zu dieser Klasse der Filmfans.
Wir schreiben das Jahr 1954. Die Insel Shutter Island beherbergt ein Gefängnis für geistesgestörte Gewaltverbrecher. Aufgeteilt in drei Trakte leben dort 66 Menschen und natürlich zahlreiche Wächter, Ärzte und Psychologen. Als eine Gefangene spurlos verschwindet, obwohl ihre Zelle verschlossen und das Fenster vergittert war, ruft der Chefarzt Dr. Cawley (Ben Kingsley) die US-Marshals Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) und seinen neuen Partner Chuck Aule (Mark Ruffalo) zur Hilfe. Die beiden bekommen aber schnell Probleme. Erst dürfen sie die notwendigen Akten nicht in Augenschein nehmen, dann werden sie bei Verhören gewarnt: Sie sollten die Insel schnellstmöglich wieder verlassen. Als schließlich ein Sturm wütet, der Strom auf der Insel ausfällt und die Gefangenen sich überall verteilen, bekommen die Marshals endlich Gelegenheit, sich ein bisschen freier zu bewegen. Ans Verlassen der Insel ist momentan ohnehin nicht zu denken. Immer größer wird der Verdacht, dass auf der Insel verbotene Experimente an Gefangenen zum Alltag gehören. Außerdem beschäftigt Daniels der Tod seiner Frau, die bei einem Brand ums Leben kam. Und der Brandstifter war einmal Insasse auf Shutter Island…
Dr. Cawley weigert sich, den Marshals Einsicht in die Patientenakten zu gewähren.
Schon in den ersten Minuten von Shutter Island wird klar: Irgendetwas geht auf der Insel nicht mit rechten Dingen zu. Mehrere Gefangene scheinen die Polizisten geradezu zu warnen. Im Zuschauer baut sicher daher die Frage auf: Was ist hier los? Vielleicht etwas Übersinnliches? Oder hat Daniels doch recht und Dr. Cawley und sein Team experimentieren an Menschen? So arbeitet der Film auf einen Höhepunkt hin, der allerdings erst zwanzig Minuten vor Schluss eintritt.
Und genau hier liegt das einzige wirkliche Problem von Shutter Island. Wer sich einfach ins Kino setzt, um sich berieseln zu lassen, der wird über Scorseses Werk den Kopf schütteln. Zumal er wahrscheinlich die Zusammenhänge gar nicht verstehen wird, die sich gerade auf der Leinwand ergeben. Denn es ist Mitdenken gefragt. Vor allem Namen sollte sich der Zuschauer merken können. Ja, vielleicht hätte Shutter Island als Film im Programmkino besser funktioniert, fürs Multiplex ist er kaum geeignet. Der Trailer hingegen hatte noch anderes versprochen, die Produktionsfirma hat Shutter Island von Beginn an völlig falsch vermarktet.
Sicher: Mit ein wenig Schliff hätte Scorsese den Film um etwa zwanzig Minuten kürzen können – und damit einige Längen im Mittelteil ausgelassen. Auch die vielen Rückblenden treffen nicht jedermanns Geschmack und unterbrechen das Fortschreiten der Handlung immer wieder. Aber davon lebt Shutter Island, und ohne diese Szenen würde niemand das Ende verstehen. Scorsese löst, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, das Geschehene vollständig auf, es bleiben keine Fragen offen. Oft muss sich der Zuschauer das Ende der Geschichte selbst zusammenspinnen, Scorsese fügt hingegen alle Teile zu einem Ganzen zusammen. Lobenswert.
Die Besetzungsliste von Shutter Island verspricht viel – und hält es auch. Mark Ruffalo (Zodiac, Collateral) kommt zwar neben Leonardo DiCaprio (Aviator, Departed, Titanic) kaum zur Geltung, Ben Kingsley und auch Max von Sydow hingegen passen hervorragend in die Rollen von Ärzten, denen man zutraut, nach mehr als nur dem Wohl ihrer Patienten zu streben.
Fazit: Kinofilm zum Mitdenken. Zum Schluss fügt das Drehbuch geschickt viele Puzzleteile wieder zusammen. 8 von 10 Punkten.
Daniels und sein Partner inspizieren jeden Fleck der Insel.
Bei Verhören erleben die beiden zahlreiche Überraschungen.
Johannes Michel, 1. März 2010. Bilder: Paramount
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