Mit Krieg der Götter (2011) lieferte der für seine bildstarken Filme bekannte Regisseur Tarsem Singh ein schwaches, uninspiriertes Gemetzel ab. Wenige Monate später läuft nun sein neuester Streifen in den Kinos: Spieglein, Spieglein, eine Neu-Adaption eines bekannten Grimmschen Märchens.
Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen (Mirror Mirror)
Märchen-Komödie USA 2012. FSK: ohne Altersbeschränkung. 106 Minuten. Kinostart: 5. April 2012.
Mit: Julia Roberts, Lily Collins, Armie Hammer, Nathan Lane, Martin Klebba, Jordan Prentice, Mark Povinelli, Joe Gnoffo, Danny Woodburn, Sebastian Saraceno, Ronald Lee Clark u.a. Regie: Tarsem Singh. Nach den Gebrüdern Grimm.
„Schneechen“ und die sieben Räuber
Es herrscht Eiseskälte im ehemals so märchenhaften Königreich. Seit der König im finsteren Wald verschwunden ist, hält seine zweite Ehefrau, Königin Clementianna (Julia Roberts), die Herrschaft in eisiger Hand. Ihre Verschwendungssucht hat die Staatskasse tief in die roten Zahlen getrieben. Schönheit und Ansehen ihrer gerade 18jährigen Stieftochter Schneewittchen (Lily Collins), der rechtmäßigen Thronerbin, treiben die nicht mehr ganz so junge Königin zur Weißglut. So verbannt Clementianna Schneewittchen in den finsteren Wald, wo die Bestie und noch heimtückischere Gestalten lauern, wie sieben „riesenhafte“ Räuber. Die Königin streckt unterdessen ihre Fühler nach dem wohlhabenden Prinzen Alcott von Valencia (Armie Hammer) aus, denn eine Heirat mit ihm könnte ihre finanziellen Probleme lösen…
Die böse und verschwenderische Stiefmutter-Königin
Neben seiner erfolgreichen Karriere als Regisseur von Musikvideos und Werbespots gilt Tarsem Singh seit seinen visuell starken beiden Filmen The Cell (2000) und The Fall (2006) als Bildermagier. Der im November 2011 veröffentlichte Mythen-Blockbuster Krieg der Götter enttäuschte allerdings auf ganzer Linie. Nicht einmal fünf Monate später startete Tarsems neuer Film: Spieglein Spieglein, der ersten von zwei Schneewittchen-Filmen, die dieses Jahr auf die Kinozuschauer losgelassen werden.
Egal wie der zweite Film zum Thema, Snow White And The Huntsmen (Kinostart 31. Mai), sein wird – der Trailer lässt auf eine recht düstere Angelegenheit schließen – Spieglein Spieglein ist die heitere und familientaugliche Variante.
Der Film nimmt sich glücklicherweise nicht zu ernst und lebt von seinen zum großen Teil gelungenen Einfällen. So maskieren sich die sieben Zwerge mit Sprungfeder-Stelzen als Riesen, um Reisende im doch nicht ganz so finsteren Wald auszurauben. Das erinnert irgendwie an Robin Hood und seine Männer im Sherwood Forrest. Die nicht ganz so böse Königin/Stiefmutter unterzieht sich drastischen „Schönheitskuren“ (z.B. Bienenstich-Lippenaufspritzen und Piranha-Handbad!). Ein Rundumschlag gegen den Jugend- und Schönheitswahn und die Abgründe diverser Reality-Formate im Fernsehen.
Visuell trägt Spieglein Spieglein ohne Zweifel die Handschrift seines Regisseurs. Bei den prunkvollen Kulissen und den farbenfrohen sowie ausufernden Kostümen hat man bisweilen das Gefühl, die etwas überzeichnete Realverfilmung eines Disney-Zeichentrickklassikers zu sehen. Lily Collins, die Tochter des Musikers Phil Collins, wirkt als Schneewittchen optisch wie die fleischgewordene Trickfigur. Armie Hammer (The Social Network) gibt einen wunderbar vertrottelten Prinzen, der sich zwischendurch in ein anhängliches Hündchen verwandelt. Die liebenswerten Zwerge (hier ohne Zipfelmützen) werden von kleinwüchsigen Darstellern verkörpert, darunter Martin Klebba (Fluch der Karibik) und Jordan Prentice (Brügge sehen und sterben?!).
Und doch ist das Ganze im Grunde recht oberflächlich. Man hat das Gefühl, die Hälfte des Films besteht darin, dass die Figuren im verschneiten Birkenwald herumalbern. Das spannungsarme Drehbuch erlaubt ihnen auch wenig Spielraum. Spieglein Spieglein ist leider einer der Streifen, bei denen die besten Szenen fast alle im Trailer verheizt werden.
Fazit: Farbenfroh und vergnüglich, aber insgesamt recht oberflächlich. 6 von 10 Punkten.
Schneewittchen und die sieben Zwerge
Marius Joa, 23. April 2012. Bilder: Studio Canal.
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