Vier befreundete, britische Schauspielikonen treffen sich, um über alte Zeiten zu plaudern. Ein Kamerateam hat die „Dames“ begleitet.
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Tea with the Dames – Ein unvergesslicher Nachmittag (Nothing Like a Dame)
Dokumentation UK 2018. FSK: ohne Altersbeschränkung. 84 Minuten. Kinostart: 25. April 2019.
Mit: Eileen Atkins, Judi Dench, Joan Plowright und Maggie Smith. Regie: Roger Michell.
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The Merry Dames of Britain
Die mittlerweile betagten Schauspielerinnen Eileen Atkins, Judi Dench, Joan Plowright und Maggie Smith kennen sich seit einem halben Jahrhundert und halten auch noch im hohen Alter den Kontakt zueinander aufrecht. Der südafrikanische Regisseur Roger Michell (Notting Hill, Enduring Love) hat eines dieser Treffen mit der Kamera begleitet.
Eileen Atkins (geboren am 16. Juni 1934) ist neben ihrer Bühnenkarriere vor allem für Filme wie Gosford Park (2001) und Robin Hood (2010, von Ridley Scott) bekannt. In Staffel 1 der Historienserie The Crown spielte sie Mary of Teck, die Großmutter von Königin Elisabeth II., in Poirot: Mord im Orientexpress die Prinzessin Dragomiroff. Atkins schrieb mit Kollegin Jean Marsh ein Konzept für eine Serie aus welchem Das Haus am Eaton Place (1971-1975; Originaltitel Upstairs, Downstairs) hervorging. Außerdem verfasste Atkins das Drehbuch zu Mrs Dalloway (1997), der Filmadaption des gleichnamigen Romans von Virginia Woolf.
Judi Dench (geboren am 9. Dezember 1934) dürfte aktuell die bekannteste des Damen-Quartetts sein. Ihre Filmkarriere kam nach fast vier Jahrzehnten im Theater erst spät richtig ins Rollen, nämlich durch die Rolle als Geheimdienstchefin M ab 1995 in den vier James Bond-Filmen mit Pierce Brosnan (Goldeneye, Der Morgen stirbt nie, Die Welt ist nicht genug und Stirb an einem anderen Tag) sowie den ersten drei 007-Streifen mit Daniel Craig (Casino Royale, Ein Quantum Trost und Skyfall). Außerdem verkörperte Dench unter anderem Königin Victoria in Ihre Majestät Mrs. Brown (1997), Königin Elisabeth I. in Shakespeare in Love (1998, Oscar als beste Nebendarstellerin) und Lady Catherine de Burgh in Stolz und Vorurteil (2005), nach dem Roman von Jane Austen.
Die Karriere von Joan Plowright (geboren am 28. Oktober 1929) spielte sich überwiegend auf der Bühne ab, von 1957 an vor allem an der Seite ihres zweiten Ehemanns, der britischen Schauspiel-Legende Sir Laurence Olivier (1907-1989). Im gleichen Jahr gewann Plowright für ihre Rollen im TV-Biopic Stalin (1992) und dem Kinofilm Verzauberter April (1992) je einen Golden Globe als beste Nebendarstellerin. Außerdem war sie in Filmen wie Dennis (1993) und Tee mit Mussolini (1999), letzterer an der Seite von Judi Dench und Maggie Smith sowie unter Regie von Franco Zeffirelli, zu sehen.
Maggie Smith (geboren am 28. Dezember 1934) kann ebenfalls auf eine lange Theaterkarriere zurückblicken. Im Kino war sie unter anderem in der Whodunit-Parodie Eine Leiche zum Dessert (1976) den Agatha-Christie-Adaptionen Tod auf dem Nil (1978) und Das Böse unter der Sonne (1982) sowie Gosford Park (2001) zu sehen. Smith spielte in allen acht Harry Potter-Filmen die Hogwarts-Professorin Minerva McGonagall. In der Historienserie Downtown Abbey (2010-2015), die im frühen 20. Jahrhundert spielt, verkörperte Maggie Smith die Dowager Countess of Grantham.
Alle vier Schauspielerinnen wurden im Laufe ihrer Karrieren für ihre Verdienste („services to drama“) von der Queen zur „Dame“ geadelt. Im ländlichen Cottage von Plowright, welches diese vor langer Zeit mit ihrer Familie erwarb, trifft sich das Quartett immer wieder. Regisseur Michell filmt eines dieser Treffen. Trotz fehlender Dramaturgie gestaltet sich der Film recht abwechslungsreich. Während die vier Damen auf liebenswert-humorvolle Weise viele Erlebnisse und Begebenheiten vor allem aus ihren frühen Berufsjahren zum Besten geben montiert Michell diese Szenen mit einem reichen Fundus an Archivmaterial, von alten Fotos über aufgezeichneten Theater-Aufführungen bis hin zu Filmausschnitten. Darunter befindet sich auch Super-8-Material eine der frühen Performances von Judi Dench im Rahmen der York Mystery Plays Anfang der 1950er.
Die Kamera verharrt nicht nur statisch bei Tisch, sondern erforscht auch das übrige Ambiente des Landhauses und setzt die Protagonistinnen gekonnt in Szene. Außerdem besitzt die Doku einen gewissen Behind-the-Scenes-Anteil, wenn in manchen Sequenzen plötzlich Crewmitglieder im Bild zu sehen sind oder die nächste Einstellung vorbereitet wird. Etwa zu Beginn erlebt man das Foto-Shooting für das Postermotiv. Das Schwelgen in Erinnerungen macht allen Beteiligten sichtlich Spaß und das Lachen der rüstigen Damen ist mehr als ansteckend. Nur selten schaltet sich Michell als Stimme aus dem Off ein und bringt die Gespräche in eine bestimmte Richtung. Die ernsteren Themen, wie der nachlassende gesundheitliche Zustand des Quartetts (Dame Joan Plowright etwa ist seit ein paar Jahren erblindet) oder die teilweise schwierige Arbeit mit den Ehemännern, werden zwar auch angerissen aber nicht zu sehr vertieft.
Es ist dem Genuss von Tea with the Dames mehr als zuträglich wenn man als Zuschauer ein wenig Hintergrundwissen zum britischen Theater und/oder dem jeweiligen Werdegang der vier Damen besitzt. Denn sonst findet man das intensiv betriebenen Name-Dropping recht langweilig. Natürlich lässt sich trefflich darüber streiten ob Michells Doku nicht vielleicht im Fernsehen besser aufgehoben wäre als im Kino. Es erfreut mich als Cineast allerdings doch sehr, dass so ein vergleichsweise „kleiner“ Film seinen Platz auf der großen Leinwand erhalten hat.
Fazit: Tea with the Dames lässt vier Grande Dames des britischen Schauspiels auf amüsante, liebenswerte und altersweise Art in Erinnerungen schwelgen. Vor allem Fans des Quartetts dürften hier auf ihre Kosten kommen. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 12. Mai 2019. Bilder: New KSM.
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