Thank You For Smoking

Rauchen ist out. Diesen Eindruck vermitteln zur Zeit Filme aus Hollywood. Denn: Rauchen dürfen nur noch die Bösen, also Russen, Araber und Verbrecher. Sarah Böhlau hat die böse Komödie „Thank you for smoking“ gesehen.

Thank You For Smoking, Satirische Komödie, USA 2005
Mit: Aaron Eckhart, Maria Bello, Cameron Bright, Katie Holmes, William H. Macy, Rob Lowe, Adam Brody, Sam Elliott. Drehbuch: Jason Reitman, Regie: Jason Reitman.

Von Nikotinpflastern und Nichtraucherkampagnen

In puncto Nichtraucherschutz sind uns die USA ein gutes Stück voraus: massive Kampagnen gegen Tabakindustrie und Raucher haben beispielsweise ein Rauchverbot in Gaststätten und an öffentlichen Plätzen längst durchgesetzt. Der amerikanische Raucher hat das Wohlwollen der Öffentlichkeit verloren, und das schlägt sich auch in filmischer Hinsicht nieder. Schon lange sah man auf der Leinwand keinen Kinohelden mehr zur Zigarette greifen.
Aus dem Blickwinkel des Tabaklobbyisten Nick Naylor (Aaron Eckhart) nimmt „Thank you for smoking“ in böser, aber nicht unversöhnlicher Weise den Kampf der Amerikaner gegen die Zigarette aufs Korn. Nick Naylor ist Vizepräsident der „Akademie für Tabakstudien“, die seit Jahrzehnten im Namen der Tabakbranche (völlig ergebnislos) nach den gesundheitlichen Risiken des Rauchens forscht. Er vertritt die Interessen der Tabakindustrie vor der gesundheitsfanatisierenden Öffentlichkeit. Und darin ist er ausgesprochen gut.
Im perfekt sitzenden Anzug und mit einem werbewirksamen Lächeln tritt er in Talkshows und Nachrichtensendungen auf. Dort lügt er, lenkt vom Thema ab, verdreht Tatsachen und redet Nikotin-Gegner an die Wand, ohne sich selbst von einem buhenden Publikum aus der Ruhe bringen zu lassen.
Aus seiner gescheiterten Ehe hat er einen halbwüchsigen Sohn (Cameron Bright), mit dem er tiefgründige Gespräche über Wahrheit, Moral und Gesellschaft führt. Liebevoll bringt Nick ihm die Grundzüge von Argumentation und Manipulation bei, die der Kleine auch prompt gegen seine eigene Mutter einsetzt.
Einmal pro Woche trifft sich Nick mit seinen beiden besten Freunden, den Pressesprechern der Alkohol- (Maria Bello) und Waffenindustrie (David Koechner) zum Essen, wo unter dem Namen TAG-Team (Tödlich – aber gut) Strategien abgeglichen und mit Opferzahlen aufgetrumpft wird.
Als aktuelles Projekt besticht der „Pin-Up-Boy der Nikotinbranche“ einen einflussreichen Hollywoodagenten, um Zigaretten in Kinofilmen wieder cool und sexy zu machen. Nicks erbittertster Gegner ist der konservative Senator Ortolan K. Finistirre (William H. Macy), der sich dem Kampf gegen den blauen Dunst auf die Wahlkampffahnen geschrieben hat.
Große Bedenken wegen seines Berufs kommen Nick eigentlich nicht, bis er live im Fernsehen eine Morddrohung erhält. Zudem hat er bei seiner Affäre mit der ehrgeizigen Journalistin Heather Holloway (Katie Holmes) ein paar intime Details zuviel verraten …

Nick Naylor (Aaron Eckhart).

Regisseur und Autor Jason Reitman bietet einen widersprüchlichen Protagonisten, dem die moralische Brisanz seines Handelns durchaus bewusst ist und der dem Zuschauer sogar fast angeberisch die Zahl der Rauchertoten um die Ohren schlägt. Er entsetzt mit Argumenten wie: „Die Tabakindustrie will nicht, dass dieser Junge an Krebs stirbt. Wir würden einen guten Kunden verlieren.“ Auf der anderen Seite wird ihm durch eine ungewöhnliche Mischung aus Selbstzufriedenheit und Selbstironie Charme verliehen, er kann als guter Vater punkten und durch menschliche Fehler (wie auf die falsche Frau reinzufallen) Mitleid wecken. Nick Naylor ist trotz seiner „moralischen Flexibilität“ durchweg sympathisch – sicher kein gewissenloser, innerlich abgestorbener „Lord of War“.

Der im Film erläuterten Maxime, nur Bösewichte rauchend zu zeigen, bleibt auch „Thank you for smoking“ treu. Obwohl er Raucher ist und Zigaretten das Hauptthema des Films, sieht man Nick kein einziges Mal rauchen. Denn wie der Hollywoodagent erklärt, sieht man in Kinofilmen nur noch RAVs (Russen, Araber und Verbrecher) mit Zigaretten. Eine Art filmischer Freispruch?

Passend zum sympathischen Antihelden ist sein Gegenspieler Senator Finistirre eher eine Witzfigur als erstzunehmende Bedrohung. In langweiligem Tweedanzug und geschmackloser Krawatte ist er der Inbegriff des patriotischen Spießers, der die moralische richtige Seite nur sehr unbefriedigend vertreten kann.
Der Film zieht auf wirklich komische Weise die Methoden der Tabakindustrie, die Mediengesellschaft und amerikanische Politik durch den Kakao. Immer wieder schaltet sich Nick aus dem Off in das Geschehen ein, lässt das Bild gefrieren, kommentiert, untertitelt, bebildert, erläutert oder lässt den Zuschauer an seinen Halluzinationen teilhaben.

An die Bösartigkeit von „Lord of War“ kommt Reitmann nicht heran und will es auch gar nicht. So ist „Thank you for smoking“ auch eher eine bissige Komödie als eine Satire, in diesen Sinn aber wirklich gelungen.

Fazit: Pointenreiche, böse Komödie. 9 von 10 Punkten.


Senator Finistirre (William H. Macy).
Sarah Böhlau, 6. September 2006. Bilder: Fox.


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Kommentare

2 Antworten zu „Thank You For Smoking“

  1. Avatar von Marius Joa
    Marius Joa

    Nachlese – Zweite Kritik von Marius Joa

    Komödie USA 2005. Regie: Jason Reitman. Nach Christopher Buckley. 92 Minuten. FSK ab 12.
    Mit Aaron Eckhart, Maria Bello, Cameron Bright, Adam Brody, Robert Duvall, Sam Elliot, Katie Holmes, David Koechner, Rob Lowe, William H. Macy, J. K. Simmons u.v.a.

    Nick Naylor (Aaron Eckhart) ist Vize-Präsident und Pressesprecher der amerikanischen Akademie für Tabakstudien, die völlig ergebnislose Forschungen vollführt, nur um die vielen Millionen Kunden von den gesundheitlichen (Folge-)Schäden des Rauchens abzulenken. Natürlich ist diese „Einrichtung“ von den großen Tabakkonzernen gesponsort. Regelmäßig trifft sich Nick mit seinen Kollegen von der Alkohol- und der Waffenindustrie (Maria Bello, David Koechner), mit denen er eine Art Freundschaft pflegt, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, zu wetteifern, wessen Gewerbe mehr Menschen tötet. Gleich zu Beginn weiß Nick übrigens in einer Talkshow das Publikum davon zu überzeugen, dass die Tabak-Industrie vom Tod eines krebskranken 15jährigen nicht profitiert, vor allem nicht, wenn dieser nicht weiterraucht. Ortolan K. Finistirre (William H. Macy), Senator von Vermont und entschiedener Gegner der Tabak-Bonzen, ist entsetzt, fordert er doch, dass künftig auf allen Zigarettenschachteln groß ein Totenkopf prangen soll. Trotz dieser und anderer widriger Umstände hat Nick ein schönes Leben, bei dem er viel quer durch die USA reist und dank seiner unnachahmlichen Rhetorik seine Gegner regelmäßig in ihre Schranken verweist. Probleme bereitet Nick nur seine Ex-Frau, die mit Sorgen bemerkt, dass sein Sohn Joey (Cameron Bright) seinen Vater als Vorbild sieht und von ihm lernt. Deshalb sind ihr auch die gemeinsamen Geschäftsreisen von Vater und Sohn ein Dorn im Auge. Nick und Joey treffen sich u.a. mit einem ausgeflippten Hollywood-Agenten (Rob Lowe) und dem wegen seiner Krebsdiagnose aufgebrachten Marlboro Man (Sam Elliot). Das süße Leben und die großen Pläne ändern sich doch als Nick bei einem Fernsehinterview eine wohl ernst gemeinte Mord-Drohung erhält, die Journalistin Heather Holloway (Katie Holmes) die gemeinsame Sex-Affäre nutzt, um Nicks heiklen Geheimnisse an die Öffentlichkeit zu bringen und er entführt wird.

    Jason Reitman, Sohn des bekannten Hollywood-Regisseur Ivan Reitman (Ghostbusters) adaptierte den gleichnamigen Roman von Christopher Buckley, der einen augenzwinkernden Blick auf die nicht ganz astreinen Machenschaften der US-amerikanischen Tabakindustrie wirft. Die Credits im Vorspann sind animierte Zigarettenpackungen, außerdem hört man öfters während des Films uralte Songs, die das Rauchen verherrlichen. Dies und die Tatsache, dass die „Tabak-Akademie“ mit Hilfe des genannten Agenten das Rauchen in Hollywoodfilmen (wieder) groß rausbringen wollen, verleihen dem Film eine besonders nostalgische und leicht ironische Note. Mit Betonung auf leicht. Denn eine wirkliche gelungene Satire ist Thank You For Smoking bei weitem nicht. Es gibt zwar einige Szenen, die den Zuschauer zum Schmunzeln oder Lachen bringen können, aber bleibt doch der Gesamteindruck zu glatt. Es werden im Film zwar einige Tabakmarken beim Namen genannt, aber richtig weh tun wird die Umsetzung wohl keinem der großen Konzerne. Denn die Kritik an den Marketingstrategien der Tabakindustrie wäre hier eigentlich noch wesentlich ausbaufähiger gewesen, was natürlich eine längere Laufzeit und nicht nur etwa 90 Minuten bedeutet hätte. Insgesamt ist dieser Streifen nur eine leichte Komödie über amerikanische Lobby-Eigenheiten.
    Es gelingt immerhin recht gut den eigentlichen Anti-Helden Nick doch irgendwie positiv darzustellen, der nicht nur ein gewissenloser Lobbyist, sondern auch ein engagierter Vater ist, und trotz einiger Schwierigkeiten seinem Kontrahenten, dem Senator aus Vermont, Paroli bieten kann sowie am Ende, als scheinbar alles den Bach runtergeht einfach die Schiene wechselt. Die Schauspieler wissen in ihren Rollen zu überzeugen, vor allem Aaron Eckhart als Nick und Cameron Bright (Birth, X-Men 3) als dessen aufgeweckter Sohn, der die vom Vater eben gelernten Argumentationskniffe sogleich gegen die eigene Mutter anwendet.

    Fazit: Leicht amüsante, aber in Bezug auf Kritik und Satire ausbaufähige Komödie über Tabak-Lobbyismus in den USA. 7 von 10 Punkten.

    Marius Joa, 22. Januar 2007.

  2. […] Maria Bello gefiel mir am besten in Thank You For Smoking. […]

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