Für Genre-Streifen kennt man Jim Jarmusch so überhaupt nicht. Ein paar Jahre nach seinem Vampirfilm Only Lovers Left Alive (2013) drehte der Indie-Kultregisseur aber eine Zombie-Komödie. In The Dead Don’t Die wird eine sehr überschaubare Kleinstadt urplötzlich von Untoten überfallen…
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The Dead Don’t Die
Horrorkomödie USA 2019. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 103 Minuten. Kinostart: 13. Juni 2019.
Mit: Bill Murray, Adam Driver, Chloë Sevigny, Tilda Swinton, Steve Buscemi, Danny Glover, Caleb Landry Jones, Larry Fessenden, Eszter Balint, Tom Waits u.v.a. Drehbuch und Regie: Jim Jarmusch.
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„This is definitely going to end badly.“
In der beschaulichen 738-Seelen-Kleinstadt Centerville geht alles seinen gemächlichen Gang. Da haben vor allem die Polizisten Cliff (Bill Murray), Ronnie (Adam Driver) und Mindy (Chloë Sevigny) eher wenig zu tun. Doch eines Tages häufen sich merkwürdige Vorkommnisse. Die Tageszeiten spielen verrückt. Uhren, Handys und Radios geben ihren Geist auf. Außerdem verschwinden sämtliche Tiere wie Kühe, Hühner, Katzen und Hunde. Als der Mond plötzlich ungewohnte Farbenpracht zeigt steigen die Verstorbenen als Untote aus ihren Gräbern und beginnen ihren Angriff auf die Bewohner Centervilles. Während sich Tankstellenbetreiber Billy (Caleb Landry Jones) und Baumarkt-Verkäufer Hank (Danny Glover) mit allerlei Gerätschaften verschanzen weiß sich die eigenartige schottische Bestatterin Zelda Winston (Tilda Swinton) mit ihrem Samurai-Schwert gegen die Zombie-Horden zur Wehr zu setzen. Das Polizisten-Trio scheint derweil mit der sich ausbreitenden Untoten-Epidemie ziemlich überfordert…
Bob beobachtet das Geschehen
Jim Jarmusch (geboren am 22. Januar 1953) gehört zu den wenigen wirklichen Independent-Filmemachern. Zentrales Stilmittel, vor allem seiner letzten Werke, ist die Entschleunigung. So gelang ihm mit Only Lovers Left Alive eine quasi realistischer Film über Vampire, speziell über ihre mögliche Lebensgestaltung. In Paterson (2016) verarbeitete der Amerikaner die vermeintliche Banalität des Alltags eines Busfahrers in einen überaus poetisches Kunstwerk. Nach Gimme Danger, einer Dokumentation über Musiker Iggy Pop und dessen Band The Stooges, erweitert Jarmusch sein Gesamtwerk um das Genre Zombie-Film. Als Hauptinspiration zu The Dead Don’t Die, der am 14. Mai 2019 die diesjährigen Filmfestspiele von Cannes eröffnete, dürfte sicherlich der Klassikers Die Nacht der lebenden Toten (Night of the Living Dead) von Zombiefilm-Guru George A. Romero (1940-2017) gedient haben, doch Jarmusch drückt dem Setting freilich seinen eigenen Stempel auf.
Das Szenario entfaltet sich sehr gemächlich, fast so behäbig wie manche der Figuren agieren. Jarmusch kostet die Ungewissheit seiner handelnden Personen lange aus. Es vergeht fast der halbe Film bis die ersten Zombies ihren Gräbern ensteigen und die Lebenden attackieren. Abgesehen von ihrem Hunger nach Menschenfleisch haben die Untoten aber hier andere Interessen, verlangt es ihnen doch auch nach jenen Dingen, die sie zu Lebzeiten liebten, seien es Genussmittel (Kaffee, Chardonnay), Tennis oder W-LAN. Centerville wirkt wie eine späte Eingemeindung von Twin Peaks, die wegen Landflucht vom Aussterben bedroht ist, was aber keinen der Einwohner so recht zu stören scheint. Selbst die fortschreitende Zombie-Apokalypse sorgt selten für wirklich große Panik. Oder anders gesagt: die lethargischen Lebenden sind leichte Beute für die Wiedergänger!
Jarmusch versammelt hier eine All-Star-Besetzung (auf dem Poster treffend als „the greatest zombie cast ever disassembled“ angepriesen) seiner bisherigen Filme. Neben Bill Murray (Coffee and Cigarettes, Broken Flowers, The Limits of Control) und Adam Driver (Paterson) in den Hauptrollen sind das unter anderem Steve Buscemi (Mystery Train) als Redneck-Farmer/Trump-Fan und Iggy Pop (Dead Man) als koffeinsüchtiger Zombie. Während Tom Waits (ein weiterer schauspielernder Musiker) als Einsiedler Bob das Geschehen aus der Ferne beobachtet wirkt die von Leinwandikone Tilda Swinton (in Only Lovers Left Alive gab sie noch die gechillte Vampirlady) verkörperte skurille schottische Bestatterin Zelda Winston (!) wie eine durch nichts zu erschütternde Mischung aus Elbenkriegerin und der schwertschwingenden Braut aus Tarantinos Kill Bill-Filmreihe. Als kleinen Marketing-Gag – um junge Zuschauer anzulocken – erhielten auch die früheren Teenie-Stars Selena Gomez und Austin Butler kleine Parts.
Zubereitet wird dieses Jarmusch’sche „Ghoulash“ mit eher wenig Splatter und Gore, dafür aber mit allerlei Gesellschaftskritik, absurdem Humor und diversen Popkulturzitaten. Zwischenzeitlich durchbrechen die Figuren auch die vierte Wand, etwa wenn sie über den Titelsong des Films von Countrymusiker Sturgill Simpson sprechen, der für meine Geschmack fast ein wenig zu oft gespielt wurde.
Fazit: Mit einem überaus namhaften All-Star-Cast bis in die kleinsten Nebenrollen lässt Jim Jarmusch in gemächlich-lakonischer Art eine absurd-witzige Zombie-Apokalypse über eine abgelegene Kleinstadt hereinbrechen. 8 von 10 Punkten.
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Die Cops sind eher ratlos
Es kann nur eine geben!
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