Vor ziemlich genau einem Jahr offenbarte Avengers: Age Of Ultron den vorläufigen, traurigen Höhepunkt des Blödbuster-Irrsinns aus Hollywood. Nun läuft Civil War in den Kinos, der zwar als dritter Captain America-Film fungiert, aber personell durchaus als „Avengers 2.5“ durchgeht. Doch was taugt der neueste Beitrag des „Marvel Cinematic Universe“?
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The First Avenger: Civil War (Captain America: Civil War)
Comic-Adaption/Actionfilm USA 2016. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 147 Minuten. Kinostart: 28. April 2016.
Mit: Chris Evans, Robert Downey Jr., Sebastian Stan, Scarlett Johansson, Anthony Mackie, Chadwick Boseman, Elizabeth Olsen, Jeremy Renner, Paul Rudd, Tom Holland, Don Cheadle, Emily VanCamp, Paul Bettany, Daniel Brühl u.v.a. Regie: Anthony und Joe Russo. Drehbuch: Christopher Markus und Stephen McFeely.
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Gemeinsam werden wir uns prügeln
Es war vor einem Jahr eine ziemliche Enttäuschung, wie sich Avengers: Age Of Ultron, die zweite Zusammenkunft der Helden des „Marvel Cinematic Universe“ (MCU) unter Regie von Genre-Held Joss Whedon (Firefly, Serenity) in seinen ausufernden und immer dämlicher werdenden Actionsequenzen suhlte sowie darüber hinaus weitgehend leblose „Zwischenszenen“ bot. Dem gleichem Mega-Blödbuster-Wahnsinn droht da natürlich auch der dritte Captain America-Streifen, in Deutschland unter dem Titel The First Avenger: Civil War seit gestern in den Kinos, zu verfallen. Schließlich sind mit Ausnahme des Mimik-Minimalisten/Donnergottes Thor und dem gelegentlich grünen Bruce Banner alle Helden des „MCU“ vereint, wobei sie sich im Verlauf entzweien. Doch aus irgendeinem Grund macht Civil War im Gegensatz zu Age Of Ultron so Einiges richtig und besser.
Spider-Man mischt auch mit
Die von den Avengers geschlagenen Schlachten waren nicht nur erfolgreich. Sowohl in New York (The Avengers, 2012), Washington D.C. (The Return Of The First Avenger, 2014) als auch in der osteuropäischen Metropole Sokovia (Avengers: Age Of Ultron, 2015) haben die Einsätze der Heldentruppe viele unschuldige Opfer gefordert. Daher planen 117 Nationen der UN ein Abkommen, das die „Superhelden“ unter staatliche Kontrolle stellt. Im Kreis der Avengers sorgt dieses Vorhaben für unterschiedliche Resonanz. Während Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.) das Abkommen auch wegen seines Gewissenskonflikts für notwendig hält, spricht sich Steve „Captain America“ Rogers (Chris Evans) strikt dagegen aus, auch weil er am eigenen Leib erfuhr, wie die große Organisation S.H.I.E.L.D. von der Terror-Gruppe HYDRA unterwandert wurde und daran zerbrach. Als auf dem UNO-Gipfel zu Unterzeichnung des Abkommens in Wien ein Bombenschlag verübt wird, fällt der Verdacht schnell auf den berüchtigten „Winter Soldier“ James „Bucky“ Barnes (Sebastian Stan), Steve Rogers ehemals besten Freund und Kampfgefährten aus dem zweiten Weltkrieg. In Bukarest wird Barnes, von HYDRA künstlich am Leben gehalten und per Gehirnwäsche zum perfekten Attentäter umprogrammiert, von der Polizei und T’Challa alias Black Panther (Chadwick Bosman), Herrscher des afrikanischen Staates Wakanda, gejagt. Captain America und Sam „The Falcon“ Wilson (Anthony Mackie) versuchen Barnes vor dem Zugriff der Behörden zu retten. Doch dadurch verschärft sich der innere Konflikt der Avengers und bald stehen sich zwei Teams unter Führung von Iron Man bzw. Captain America gegenüber…
Von der Papierform liest sich Civil War, basierend auf dem gleichnamigen Comic-Event (2006/07) des Schotten Mark Millar (Wanted, Kick-Ass), wie ein dritter „Avengers“-Film. Der ausbrechende Konflikt zwischen den beiden Fraktionen (eine für das genannte Abkommen, die andere dagegen) und die Vielzahl der darin verwickelten Personen sorgten dafür, dass ich meine Erwartungen im Vorfeld sehr herunterschraubte und im Grunde mit einem blöden Dauer-Action-Disaster wie Age Of Ultron rechnete. Doch hier überraschen uns die Regie-Brüder Russo und ihr Team. Zwar ist „Captain America 3“ vor allem personell ziemlich überladen, aber die Action-Szenen sind nicht so ausufernd und langweilig wie noch vor einem Jahr. Das kommt vor allem daher, dass die Kämpfe diesmal nicht mit irgendwelchen Roboter-Drohnen ausgefochten werden, die von einer bösen künstlichen Intelligenz gesteuert werden. Hier sind die Fights persönlicher, unmittelbarer und vor allem physischer, wobei im Krawall-Höhepunkt am ungewöhnlich menschenleeren Flughafen Leipzig-Halle viele Gebäude und Flugzeuge dran glauben müssen. Der Bruch im Helden-Gefüge lässt sich auch nicht so einfach durch nett gemeinte „Lass uns wieder Freunde sein“-Bekundungen aus der Welt schaffen. Am Ende der knapp zweieinhalb Stunden ist vieles anders und wird daher in den kommenden Filmen (siehe unten) noch thematisiert. Die Avengers in der bekannten Form gibt es nicht mehr.
Zum wirklich gelungenen Superhelden-Abenteuer fehlt Civil War allerdings noch ziemlich viel. Wegen des starken Actionanteils bleibt so manche Figur und ihre Motivation inhaltlich ziemlich auf der Strecke. Wie leider nicht anders erwartet (aber doch anders erhofft) gilt das vor allem für die drei weiblichen Charaktere, Black Widow, Agent Sharon Carter und die unberechenbare Scarlet Witch, denen kein wirklich ausgearbeitetes Eigenleben vergönnt wird, die nackte Handlungsfunktionalität muss im Macho-Mekka Hollywood als Daseinsberechtigung reichen. Das höchst ambivalente Thema der politischen Kontrolle der „Superhelden“ hätte man abseits der Scharmützel mehr ausarbeiten müssen. Dann eben zuungunsten der zahlreichen Actionsequenzen.
Als allzu konstruierte, unerwartete Wendung zaubert das Drehbuch der „MCU“-Stammautoren Christopher Markus und Stephen McFeely noch aus dem Hut, dass vor 25 Jahren der Winter Soldier Tony Starks Eltern (gespielt von Roger Slattery und Hope Davis) ermordete. Diese Information dient als Aufhänger für weiteres Gekloppe kurz vor Schluss. Aber The Return Of The First Avenger hat eindrucksvoll bewiesen, dass es wesentlich dümmere Plottwists gibt. Außerdem muss man dankbar sein, dass der neue Marvel-Film nicht so massiv überfrachtet und zerfahren ist wie die letzte Comic-Verfilmung aus dem Hause DC.
Die mit Civil War begonnene dritte Phase des „Marvel Cinematic Universe“ wird noch dieses Jahr mit Doctor Strange (Kinostart: 27. Oktober 2016) fortgesetzt. 2017 erscheinen gleich drei neue Filme: Guardians Of The Galaxy: Volume 2 (ab 27. April 2017), Spider-Man: Homecoming (06.07.2017) und Thor: Ragnarök (26.10.2017). Für 2018 sind der Solofilm von Black Panther (Start: 15.02.2018), Teil 1 von Avengers: Infinity War (26. April 2018) sowie Ant-Man And The Wasp (ab 09.08.2018) geplant. Kulminieren soll Phase 3 dann 2019 mit dem zweiten Teil des Infinity War (25. April 2019) sowie dem ersten Film mit einer weiblichen Heldin in der Hauptrolle: Captain Marvel (noch ohne genauen Termin).
Fazit: Die Russo-Brüder machen mit dem dritten Captain America-Film manches richtig, vermeiden vor allem den totalen Action-Overkill. Zu einer wirklich starken Comic-Adaption hat es dann aber aufgrund der insgesamt oberflächlichen Ausarbeitung nicht ganz gereicht. 6 von 10 Punkten.
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Black Panther will Rache
Auf in den Kampf…
…denn die Iron Man-Fraktion wartet schon.
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Marius Joa, 29. April 2016. Bilder: Marvel/Disney.
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