The Five Devils

Vickys Familie droht aus den Fugen zu geraten als ihre Tante zu Besuch kommt. Dank ihres außergewöhnlichen Geruchsinns kommt das Mädchen Geheimnissen der Vergangenheit auf die Spur, in The Five Devils von Léa Mysius (Ava – Plötzlich erwachsen).

The Five Devils (Les cinq diables)
Mysterydrama Frankreich 2022. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 97 Minuten. Kinostart: 13. April 2023. Mit: Sally Dramé, Adèle Exarchopoulos, Swala Emati, Moustapha Mbenge, Daphné Patakia, Patrick Bouchitey u.a. Drehbuch: Léa Mysius und Paul Guilhaume. Regie: Léa Mysius.



Duftspur der Vergangenheit

Vicky (Sally Dramé) lebt mit ihren Eltern, der Schwimmeisterin Joanne (Adèle Exarchopoulos), und dem aus dem Senegal stammenden Feuerwehrmann Jimmy (Moustapha Mbenge), in einer kleinen Gemeinde in den Alpen. Da sie wegen ihrer Hautfarbe von Mitschülern gehänselt wird verbringt das Mädchen lieber Zeit allein. Vicky besitzt einen unglaublich starken Geruchssinn und nutzt diesen, um mit allerlei Zutaten zu experimentieren. Eines Tages kommt Julia (Swala Emati), die Schwester von Vickys Vater, zu Besuch. Das Auftauchen der Tante sorgt für Spannungen in der kleinen Familie. Nachdem Vicky wieder eine ihrer Mixturen geschaffen hat, fällt sie in Ohnmacht und wacht gut zehn Jahre in der Vergangenheit auf, wo sie Julia, Joanne, Jimmy und deren Freundin Nadine (Daphné Patakia) beobachtet…

Mit Ava – Plötzlich erwachsen (2017), über eine 13jähriges Mädchen, welches fast erblindet ist und einen besonderen Sommer erlebt, legte die 1989 geborene Léa Mysius ihr Debüt als Regisseurin eines fiktionalen Langfilms vor. Genau wie der Vorgänger erschien auch der zweite Film der Französin in Cannes, fünf Jahre nach dem Erstling. In The Five Devils kommt ein Mädchen mit ausgefeiltem Geruchsinn Geheimnissen ihrer Familie auf die Spur.

Vicky hat eine besonders feine Nase

Das von Mysius mit ihrem Lebensgefährten und Kameramann Paul Guilhaume verfasste Drehbuch bietet an sich eine recht einfache Geschichte auf, welche aber durch das parallele Erzählen in zwei Zeitebenen kunstvoll verwoben wird. Aufgrund der besonderen Begabung der kindlichen Protagonistin und dem unerklärten Reisen in die Vergangenheit wird das Mystery-Drama gerne mit Twin Peaks (1990/91 bzw. 2017) oder der Literaturverfilmung Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders (2006) verglichen. Ich persönlich fand zumindest in atmosphärischer Hinsicht eher Ähnlichkeiten zur französischen Mystery-Serie The Returned (Les Revenants) (2012/15), in welcher die Bewohner eines Ortes in den Bergen plötzlich erleben, dass ihre toten Angehörigen zurückkehren.

Wenn Vicky zwischendurch nicht nur in ihrem Kinderzimmer herumexperimentiert, sondern in einem großen Topf im Garten allerlei Zutaten (z.B. eine tote Krähe) zusammenbraut, so wähnt man sich als Zuschauer*in fast ein wenig bei einem Hexen-Horrorfilm. Doch abgesehen von den nicht näher erklärten Sprüngen Vickys in die Vergangenheit ihrer Familie vor ihrer Geburt gibt es keine wirklich übersinnlichen Elemente. Vicky fungiert hier als stille, fast unsichtbare Beobachterin, vermag dabei nach und nach die Puzzleteile ihrer Familiengeschichte zusammenzusetzen, obgleich sie manche Dinge aufgrund ihres jungen Alters nicht ganz versteht.

Inszeniert wird die ganze Angelegenheit ohne große Dramatik oder Effekte. Die Szenerie in den Alpen gestaltet sich auch eher trostlos, was wiederum sehr gut zur frostigen Atmosphäre am Ort der Handlung und der hier gezeigten Familie passt. Der magisch-realistische Ansatz verleiht der Geschichte eine verbleibende Portion Rätselhaftigkeit, auch wenn am Ende (fast) alle offenen Fragen geklärt sind.

Regisseurin Léa Mysius kann sich auf ihr starkes Schauspielensemble verlassen. Die junge Sally Dramé gibt als Vicky ihr gelungenes Schauspieldebüt. Vickys von Adèle Exarchopoulos (Blau ist eine warme Farbe, Smoking Causes Coughing) gespielte Mutter Joanne erweist sich als zentrale Figur. Auch Swala Emati ist hier als Julia erstmals in einem abendfüllenden Spielfilm zu sehen.  

Nach dem regulären Kinostart im April wird The Five Devils ab 2. Juni 2023 beim Arthouse-Streaminganbieter MUBI verfügbar sein.

Fazit: Geschickt verwobenes Mystery-Drama über eine Mädchen mit besonderer Nase und ihre Reise in die Vergangenheit der eigenen Familie. 8 von 10 Punkten.



Vicky mit Mutter Joanne und Vater Jimmy
Tante Julia kommt zu Besuch



Marius Joa, 7. Mai 2023. Bilder: MUBI.


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