In den letzten Jahren kamen einige deutsche Filme ins Kino, die die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges aufarbeiteten. Mit „The Good German“ haben wir eine amerikanische Produktion mit dieser Zielsetzung vor uns. Regisseur Steven Soderberg schickt George Clooney auf Verschwörerjagd im zertrümmerten Berlin nach Kriegsende, stilecht in schwarz-weiß Optik und mit Casablanca-Reminiszenzen ausgestattet.
The Good German.
Drama/Thriller, USA 2006. Regie: Steven Soderberg. Drehbuch: Paul Attansio.
Mit: George Clooney, Cate Blanchett, Tobey Maguire, Tony Curran, Jack Tompson. 107 Minuten.
As Time goes by
1944 sah Humphrey Bogard alias Rick auf einem nebligen Flugfeld in Casablanca seiner ehemaligen Geliebten Elsa Lund noch einmal tief in die Augen und versicherte sie seiner Liebe. Dann setzte er sie samt Ehemann in ein Flugzeug, das beide in die Freiheit flog. Traurig, aber immerhin spazierte er anschließend mit seinem ehemaligen Gegenspieler Renault als Freund vom Flugplatz.
2007 sieht George Clooney alias Jake auf einem verregneten Flugfeld in Berlin seiner ehemaligen Geliebten Lena Brandt noch einmal tief Augen und beschuldigt sie schwerer Kriegsverbrechen. Dann setzt sie sich allein in ein Flugzeug, dass sie in die Freiheit fliegt. Jake schleicht einsam vom Flugplatz.
Kaum ein Film hat das Kino so geprägt wie Michael Curtiz unsterbliches „Casablanca“. Regisseur Steven Soderberg („Out of Sight“, „Erin Brokowich“, „Traffic“) bringt nun mit „The Good German“ einen Film an den Start, der in Optik, Thematik und Handlung stark an das Noir-Kino der Vierziger im Allgemeinen und „Casablanca“ im Besonderen erinnert. Viele Szenen präsentieren sich fast wie abfotografiert, wie etwa, wenn sich George Clooney lässig auf den Tresen einer Berliner Bar stützt und einen Drink bestellt. Auch „Der dritte Mann“ von Carol Reed und „Eine auswärtige Affaire“ von Billy Wilder haben deutlich ihre Spuren hinterlassen. Gedreht wurde mit den Kameraobjektiven jener Zeit und auch original Filmmaterial von der Potsdamer Konferenz wurde eingearbeitet.
Clooney spielt Jake Geismar, der 1945 ins zerbombte Berlin kommt, um über die Potsdamer Konferenz zu berichten. Man steckt den Journalisten in militärische Kluft („Mit der Uniform drückt die Army aus, dass sie Humor hat.“) und teilt ihm den jungen Soldaten Tully (Tobey Maguire) als Fahrer zu. Jakes eigentliches Ziel in Berlin ist seine ehemalige Redakteurin Lena (Cate Blanchett), mit der er vor dem Krieg ein Verhältnis hatte und die er nicht vergessen konnte. Er findet sie als Prostituierte wieder, als Zuhälter ausgerechnet der so treuherzig wirkende Tully. Die Amerikaner suchen nach Lenas Ehemann Emil Brandt, der während der Bombardierung umkam, ebenfalls die Sowjets, weil sie das Interesse der Amerikaner an dem kleinen Sekretär misstrauisch macht. Tully versucht, aus der Situation Profit zu schlagen und treibt bald mit dem Gesicht nach unten im Fluss. Jake sucht nach Lena, um sie zu beschützen – und um die Wahrheit herauszufinden. Vertrauen kann er dabei weder den Russen noch den eigenen Leuten.
Jake Geismar (George Clooney).
Der Titel „The Good German“ spielt auf die Frage an, mit der sich alle Beteiligten herumschlagen: Der „gute Deutsche“, gibt es den noch? In der zertrümmerten Stadt scheinen die Überlebenden alle Verbrecher zu sein, denn um keine Opfer zu bleiben, mussten sie zu Tätern werden. So ist es eine bittere Umkehrung vom leidenschaftlichem „We’re always have Paris“ aus „Casablanca“, wenn Lena sagt, unanhängig ob Flucht oder nicht: „Niemand kommt je wirklich weg aus Berlin“. Der Film verurteilt nicht, zeigt seine Figuren als Täter und Opfer gleichermaßen und kritisiert anhand der Verschwörung, über die Jake schlussendlich stolpert (die Amerikaner siedeln hochrangige Nazi-Wissenschaftler in die USA um und lassen ihre Verbrechen unter den Tisch fallen) auch die Besatzermächte.
Hunger, Zwangsarbeit, Deportation, Prostitution, Vergewaltigungen durch russische Soldaten, Mengele-Experimente – der Film nimmt kein Blatt vor den Mund bzw. die Kamera. In einer Szene beobachtet Jake zwei Jungen, die in Potsdam mit Spielzeugschiffen am Fluss spielen. Das Bild kindlicher Unschuld wird zerstört, als ein amerikanischer Soldat hinter Jake tritt: „Kinder … vor zwei Monaten haben sie noch auf uns geschossen.“
„The Good German“ ist eine der letzten Produktionen der Produktionsfirma „Section Eight“, die Soderberg 2000 mit seinem Lieblingsschauspieler George Clooney zusammen gründete. Mit „Section Eight“ setzte Soderberg unter anderem seine eigenen Regieprojekte um, wie „Voll Frontal“ und „Oceans Eleven/Twelve“. Die Firma produzierte aber auch die Filme anderer Regisseure, unter anderem Chris Nolans Insomnia und Stephen Gaghans „Syriana„. Section Eight half außerdem ihrem Aushängeschild George Clooney bei seinem Regiedebüt. Clooney entwickelte sich nicht zuletzt durch seine beiden Regiearbeiten „Confessions of a Dangerous Mind“ und „Good Night, and Good Luck“ zu einem der politisch aktivsten Schauspieler seines Landes. Die Firma war von vorne herein nur auf einige Jahre angelegt und wird sich in diesem Jahr auflösen, aber nicht bevor im Sommer mit „Ocean’s Thirteen“ nochmal kräftig die Kassen klingeln.
Mit „The Good German“ hat sich Regisseur Steven Soderberg einiges vorgenommen. Eine Liebeserklärung soll es offensichtlich sein, aber auch eine kritische Überarbeitung und Richtigstellung gleichermaßen an das eher in Andeutungen lebende Vierziger-Jahre-Kino. Damit übertreibt es Soderberg an einigen Stellen deutlich, aber dank seiner faszinierenden Optik und hervorragender Schauspieler ist „The Good German“ trotzdem ein lohnender Kinobesuch.
Fazit: Wunderbar gefilmt, glänzend gespielt. 7 von 10 Punkten.
Lena Brandt (Cate Blanchett).
Tully (Toby Maguire).
Sarah Böhlau, 02. April 2007. Bilder: Warner.
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