Acht Menschen auf engstem Raum, die sich gegenseitig kritisch beäugen, bis es zum großen Krach kommt. Dies sind die Zutaten von Quentin Tarantinos neuestem Film (und nach Django Unchained zweitem Western), The Hateful 8.
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The Hateful 8
Western USA 2015. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 167 Minuten (Digitalfassung). Kinostart: 28. Januar 2016.
Mit: Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Walton Goggins, Jennifer Jason Leigh, Demián Bichir, Tim Roth, Michael Madsen, Bruce Dern, James Parks u.v.a. Drehbuch und Regie: Quentin Tarantino.
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8 kleine Hasserfüllte
Sechs, acht oder zwölf Jahre nach dem Ende des Sezessionskrieges, im Bundesstaat Wyoming. Ein schwerer Schneesturm lässt acht Personen, die alle in der nächst gelegenen Stadt Red Rock wichtige Angelegenheiten zu erledigen haben, in „Minnies Miederwarenladen“ stranden: Kopfgeldjäger John „The Hangman“ Ruth (Kurt Russell) mit seiner „Beute“, der wegen Mordes gesuchten Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh), im Schlepptau; der afroamerikanische Major Maquis Warren (Samuel L. Jackson), ebenfalls Kopfgeldjäger; Chris Mannix (Walton Goggins), zukünftiger Sheriff von Red Rock; der alte Südstaaten-General Sanford Smithers (Bruce Dern); der Engländer Oswaldo Mobray (Tim Roth); Cowboy Joe Gage (Michael Madsen) sowie der Mexikaner Bob (Demián Bichir), welcher in Abwesenheit von Besitzerin Minnie die Führung des Ladens übernommen hat. Fast jeder der acht Anwesenden hat etwas zu verbergen…
Der Kopfgeldjäger und die Gefangene
Bei seiner siebten regulären Regie-Arbeit Django Unchained (vorausgesetzt man zählt Kill Bill Vol. 1 und Vol. 2 als einen Film) erfüllte sich der amerikanische Kultregisseur Quentin Tarantino (Reservoir Dogs, Pulp Fiction, Jackie Brown) mit der Inszenierung eines Western einen großen Lebenstraum. Eine Zeit lang sah es nicht so aus, als ob eine weitere Produktion aus diesem Genre folgen sollte. Denn das ursprüngliche Drehbuch zu The Hateful 8 landete im Januar 2014 illegal im Internet, obwohl Tarantino es nur wenigen Vertrauen zur Lektüre überlassen hatte. Nach kurzer Überlegung, das Skript als Roman zu veröffentlichen, entschied sich Tarantino, den Film doch zu drehen, wobei er das Ende der Geschichte umschrieb.
Als entschiedener Gegner von digitalen Filmkameras drehte Meister QT mit seinem Stammkameramann (seit Kill Bill) Robert Richardson sein Western-Kammerspiel in Ultra Panavision 70, einem Format welches früher vor allem für Monumentalepen wie Ben Hur (1959) verwendet wurde und in den letzten 20 Jahren kaum noch zum Einsatz kam. Neben der Digitalfassung für den regulären Kinobetrieb wird von The Hateful 8 in wenigen ausgewählten Kinos eine sogenannte „Roadshow“-Fassung im Originalformat gezeigt, die nominell zwar 20 Minuten länger ist, durch eine Ouvertüre zu Beginn und eine 12miütige Pause effektiv jedoch nur wenige Minuten zusätzliches Material bietet. Altmeister Ennio Morricone lieferte erstmals seit 35 Jahren wieder die Filmmusik zu einem Western, nachdem in Tarantinos Filmen bisher Stücke aus den früheren Scores des mittlerweile 87jährigen Italieners Verwendung fanden.
Im Grunde enthält The Hateful 8 alle Zutaten für einen schmackhaften Tarantino-Zelluloid-Cocktail. Ein illustres Ensemble zwielichtig(st)er Figuren, gespielt von durch die Bank namhaften Schauspielern um Stammgast Samuel L. Jackson. Zu filigranen Dialogminiaturen geschliffene Verbal-Banalitäten gibt es ebenso reichlich wie überbordende Gewalt, wenn die Beteiligten irgendwann ihre Masken fallen und Pistolen sprechen lassen. Doch irgendwie zündet dieses absurde Feuerwerk nicht mehr wie es bei früheren Filmen des Regisseurs tat. Hat Meister Quentin etwa sein Pulver verschossen?
Die ausufernden Quasselszenen sind zwar teilweise spaßig, aber drehen sich zunehmend im Kreis, was nicht gerade für Kurzweil sorgt. Vor allem dem besonders übereifrig geschwätzigen Sheriff Mannix – Walton Goggins (Machete Kills) im Hyper-Grimassier-Modus – wünscht man schnell, er möge als erstes das Zeitliche segnen. Mit wenigen Abstufungen scheint Samuel L. Jackson (als Nick Fury Dauerbrenner im Marvel Cinematic Universe) immer wieder die gleiche Rolle zu spielen. Der Part des Oswaldo Mobray wurde deutlich erkennbar für Christoph Waltz (Inglourious Basterds, Django Unchained) geschrieben, nur bekleidet diesen Tim Roth, der halbwegs passabel die typischen Manierismen des zweifachen Oscar-Gewinners nachspielt.
Damit die gut 160 Minuten trotz der einfach gestrickten Story nicht allzu zäh werden, greift der Meister höchstselbst plötzlich als Off-Erzähler (in der Originalfassung) ins Geschehen ein und serviert uns zwei erklärende Rückblenden. Das macht die Dramaturgie dann aber auch nicht besonders ausgefeilt. Die Entwicklung der Geschichte zum zwischenzeitlichen „Whodunit“ inklusive Deduktion in bester Agatha-Christie-Manier bringt hingegen eher Spannung in dieses Kammerspiel von Lüge und Niedertracht.
Fazit: Trotz Ultraweitformat und neuer Musik von Maestro Morricone gibt’s in Tarantinos Westen sonst nicht viel Neues: Gequassel und Gemetzel. 6 von 10 Punkten.
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Verschneite Winterlandschaft
Major Warren schöpft Verdacht
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Marius Joa, 17. Februar 2016. Bilder: Universum Film.
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