Ein superedles, abgelegenes Restaurant, ein berühmter Starkoch und eine illustre Gruppe von Gästen. Das und mehr bilden die Zutaten von The Menu, dem Kinodebüt von Serien-Spezialist Mark Mylod (Game of Thrones, Succession).
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The Menu
Psychothriller USA 2022. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 108 Minuten. Kinostart: 17. November 2022.
Mit: Anya Taylor-Joy, Ralph Fiennes, Nicholas Hoult, Hong Chau, Janet McTeer, Paul Adelstein, John Leguizamo, Aimee Carrero, Judith Light, Reed Birney, Arturo Castro, Mark St. Cyr, Rob Yang u.v.a. Drehbuch: Will Tracy und Seth Reiss. Regie: Mark Mylod.
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Performaniax meets Eine Leiche zum Dessert
Essensenthusiast Tyler (Nicholas Hoult) ist voller Freude über den bevorstehenden Besuch im Restaurant des gefeierten Starkochs Julian Slowik (Ralph Fiennes) während seine Freundin Margo (Anya Taylor-Joy) die Begeisterung nicht so ganz nachvollziehen kann. Gemeinsam mit den anderen Gästen des Abends – einem Filmstar (John Leguizamo) und seiner Assistentin Felicity (Aimee Carrero), dem reichen Ehepaar Anne (Judith Light) und Richard Liebrandt (Reed Birney), der renommierten Gastrokritikerin Lillian Bloom (Janet McTeer) und ihrem Verleger Ted (Paul Adelstein) sowie den drei Tech-Unternehmern Soren (Arturo Castro), Bryce (Rob Yang) und Dave (Mark St. Cyr) – gelangt das Paar mit einer Fähre auf die abgelegene Insel Hawthorne, wo Slowik seine kulinarischen Festivitäten abhält. Oberkellnerin Elsa (Hong Chau) empfängt die Gäste. Schon bald beginnen Slowik und seine Mitarbeiter ein mehrgängiges Menü, dessen Ausgang allerdings nicht vorsieht, dass irgendeiner der Besucher die Insel lebend wieder verlässt…
Die Idee zum Film hatte Autor/Produzent Will Tracy (Succession) als er während seiner Flitterwochen in Norwegen in einem abgelegenen Restaurant auf einer privaten kleinen Insel bei Bergen weilte. Gemeinsam mit Seth Reiss, mit welchem er auch an diversen Produktionen des Medienunternehmens The Onion zusammenarbeitete, schrieb Tracy das Skript zu The Menu, welches einige Zeit auf der sogenannten Black List von erfolgsversprechenden, noch unverfilmten Drehbüchern stand. Nachdem zuerst Alexander Payne (About Schmidt, Sideways) für die Regie vorgesehen war übernahm schließlich Mark Mylod, der bisher fast ausschließlich fürs Fernsehen inszeniert hatte (unter anderem Episoden der Serien Entourage, Shameless, Game of Thrones und Succession). Gedreht wurde ab September 2021 im US-Bundesstaat Georgia, unter anderem auf Jekyll Island.
Vom Setting her könnte man anfangs meinen, hier einen klassischen Whodunit-Krimi à la Agatha Christie vorgesetzt zu bekommen, siehe Knives Out, dessen Fortsetzung aktuell für kurze Zeit im Kino läuft und zu Weihnachten bei Netflix veröffentlicht wird. Doch diese ausgetretenen Pfade beschreitet man hier nicht. Vielmehr präsentiert sich The Menu als abgründiger Thriller, wobei die ihm innewohnenden Bedeutungsebenen gelungener als die Geschichte an sich sind.
Mylod und sein Team verstehen es ohne große Effekthascherei für eine Atmosphäre des Unbehagens zu sorgen und so Spannung zu erzeugen. Allein das regelmäßige In-die-Hände-Klatschen des Starkochs vor jedem neuen Gang reißt einen als Zuschauer*in immer wieder aus der vermeintlichen Wohlfühlzone. Slowik und seine zum großen Teil namenlose Belegschaft verdeutlichen wie nahe Genie und Wahnsinn in der Welt der Haute Cuisine beieinander sein können. In ihrem Film Performaniax über eine grenzüberschreitende Theatergruppe beantworten die beiden “Obsessive Filmmakers” Nisan Arikan und Lars Henriks die Frage danach was Kunst darf und was nicht ganze konkret mit “Kunst darf alles”. The Menu stellt die Dinner-Variante dieser Maxime dar. Die Gäste werden immer mehr zum Teil der “Performance”, zu Zutaten des titelgebenden Menüs.
Das alles lässt sich natürlich vor allem als beißende Kritik an den “willenlosen” Konsumenten, welche wie Masttiere einfach alles in sich hineinschaufeln (egal ob Essen, Literatur, Filme, Serien oder Musik) und so den Wert von Kunst überhaupt nicht mehr schätzen können, verstehen. Auch die fehlende kritische Auseinandersetzung mit dem Produkt der kreativen Arbeit wird thematisiert. Der als ziemlich verblendet dargestellte Superfan Tyler und Restaurantkritikerin Lilian halten das Gezeigte selbst dann noch für Theater und Bühnenzauber als es die erste Leiche gibt. Schauspielerisch erweist sich vor allem das Duell von Ralph Fiennes (Voldemort aus der Harry Potter-Filmreihe, M aus den letzten drei James Bond-Filmen, außerdem bekannt für u.a. Schindlers Liste und The Grand Budapest Hotel) als knallhartem Starkoch und Anya Taylor-Joy (The Witch, Last Night in Soho, The Northman) als undurchsichtige Margo, deren Anwesenheit dessen Plan zu sabotierten droht, als abwechslungsreich.
So gut die Sache mit den Bedeutungsebenen funktioniert, die Story kann da leider nicht so ganz mithalten. Dazu ergibt sich die Schar illustrter Gäste zu leicht ihrem Schicksal. Und dass eine der wichtigen Figuren im späteren Verlauf gewaltsam ums Leben kommt scheint in der Folge keine Rolle mehr zu spielen. Insgesamt hätte man das Szenario noch etwas besser ausarbeiten können. Für Foodies und Fans von teils unerwartet verlaufenden Thrillern aber ein unterhaltsamer und sehenswerter Film.
Fazit: Etwas unausgegorene Thrillerkost mit bissigem Nachgeschmack. 7 von 10 Punkten.
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Starkoch Slowik begrüßt seine Gäste
Slowik und sein Team
Oberkellnerin Elsa
Slowik und Margo
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Marius Joa, 26. November 2022. Bilder: Fox Searchlight.
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