Thelma (2024)

Für ihr Alter ist Thelma eigentlich noch recht fit. Doch nachdem sie Telefonbetrügern auf den Leim geht, nimmt die 93jährige die Sache selbst in die Hand und versucht den Übeltätern auf die Spur zu kommen, in Thelma, dem Regiedebüt von Josh Margolin, mit der 94jährigen June Squibb in der Hauptrolle.

Thelma – Rache war nie süßer (Thelma)
Komödie/Drama USA 2024. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 99 Minuten. Kinostart: 10. Oktober 2024.
Mit: June Squibb, Fred Hechinger, Richard Roundtree, Parker Posey, Clark Gregg, Malcolm McDowell u.v.a. Drehbuch und Regie: Josh Margolin.



Mission: Possible

Vor zwei Jahren starb ihr Ehemann Ted, seitdem lebt die mittlerweile 93jährige Thelma Post (June Squibb) allein. Trotz altersbedingter Probleme kommt die rüstige Witwe noch ganz gut zurecht. Enkel Danny (Fred Hechinger) sorgt sich sehr um seine betagte Oma und hilft ihr in Computer-Angelegenheiten. Wenig später erhält Thelma einen Enkeltrick-Anruf, auf den sie hereinfällt. In der Annahme, Danny befinde sich im Gefängnis und benötige Geld für eine Kaution, schickt sie 10.000 Dollar. Danny und seine Eltern, Thelmas Tochter Gail (Parker Posey) und deren Gatte Alan (Clark Gregg) sind entsetzt. Als die Polizei klarmacht, dass ihr Geld sehr wahrscheinlich unwiderruflich weg ist, beginnt Thelma die Angelegenheit in die eigenen Hände zu nehmen. Gemeinsam mit dem bereits in betreutem Wohnen lebenden Ben (Richard Roundtree), einem alten Freund, macht sich Thelma auf einem Senioren-Scooter auf den Weg, die gestohlenen 10.000 Dollar wieder zu beschaffen…

June Squibb (geboren am 6. November 1929) ist fast 95 Jahre alt und trotzdem immer noch als Schauspielerin aktiv. Die ersten dreißig Jahre ihrer Karriere verbrachte sie ausschließlich auf der Theaterbühne, unter anderem beim Musical Gypsy am Broadway. Mit Anfang 60 spielte Squibb ihre erste Kinorolle in Woody Allens Alice (1990). Es folgten Nebenrollen in weiteren bekannten Filmen wie Zeit der Unschuld (1993) von Martin Scorsese, In & Out (1997) von Frank Oz, Rendezvous mit Joe Black (1998) von Martin Brest und About Schmidt (2002) von Alexander Payne. Für Paynes Roadmovie Nebraska (2013) erhielt sie eine Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin neben zahlreichen weiteren Nominierungen. Daneben spielte die 94jährige auch immer wieder Gastrollen in Serien, wie Emergency Room, Girls und The Big Bang Theory (als Sheldon Coopers Oma). Mit über 90 wurde June Squibb von Josh Margolin in seinem Spielfilmdebüt erstmals für eine Hauptrolle verpflichtet.

Thelma will’s nochmal wissen

Josh Margolin hat bisher vor allem als Schauspieler und Drehbuchautor gearbeitet, etwa bei der von ihm geschaffenen Serie My Boyfriend Is a Robot (2017). Für sein erstes abendfüllendes Werk als Regisseur hat sich Margolin von seiner eigenen Großmutter Thelma Post inspirieren lassen, die bis zum Alter von 99 noch allein lebte, mittlerweile stolze 103 Jahre ist und am Ende des Films einen kleinen Auftritt hat. Die Szenen in der Wohnung der Titelheldin drehte man im früheren Haus der echten Thelma. Thelma, der in Deutschland den etwas unglücklichen Untertitel Rache war nie süßer erhalten hat, feierte seine Uraufführung im Januar beim diesjährigen Sundance Film Festival.

Der kontinuierliche Fortschritt in der Medizin macht es möglich, dass Menschen heute um Einiges älter werden können als noch vor Jahrzehnten und auch das Fit-Bleiben im Alter keine Seltenheit mehr sein muss. Meine Großmutter mütterlicherseits war ebenfalls mit über 90 noch erstaunlich agil und verstarb im stolzen Alter von 96 Jahren. Trotz diverser überstandener Horror-Diagnosen (die in einer Szene aufgezählt werden) hält sich die Titelheldin von Margolins Film immer noch gut. Dass sie auf den Enkeltrick hereinfällt, wirft Thelma allerdings einigermaßen aus der Bahn. In Anlehnung an den nimmernüden Tom Cruise aus Mission: Impossible (Thelma sieht sich am Anfang einen der Streifen aus der Agentenfilmreihe an) will sie den Betrügern auf eigene Faust das Handwerk legen. Eine solche Prämisse hätte allerdings ganz schnell eine eher überzogene und alberne Actionklamotte nach sich ziehen können (siehe R.E.D.). Doch Regisseur Josh Margolin, der auch das Drehbuch schrieb und den Schnitt übernahm, und seinem Team gelingt der Spagat zwischen Actionkomödie und einer durchaus ernsthaften Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten des Lebens im hohen Alter.

Die Actionszenen sind altersmäßig gestaltet, wobei June Squibb fast alle ihre Stunts selbst übernahm. Auch wenn sich die „Actionszenen“ und Verfolgungsjagden (mit Senioren-Scooter!) eher unspektakulär wirken, so schafft es die überaus stimmungsvolle Musik von Nick Chuba (Shogun [2024]) für Spannung und Gangsterfilm-Atmosphäre zu sorgen. Ähnlich wie bei Old Men Never Die, einem Film über sehr langlebige Männer in einem Dorf im Nordiran, gestaltet sich die Inszenierung entsprechend entschleunigt. Dennoch geht es bisweilen turbulent zu. Der Hauptaugenmerk liegt aber eindeutig auf der trotz ihrer altersbedingten Beschränkungen resoluten Protagonistin. Thelma behandelt die Tücken des Älterwerdens bzw. Richtig-Alt-Werdens mit Humor, allerdings ohne sich über ältere Menschen lustig zu machen.

Hauptdarstellerin June Squibb glänzt in ihrer ersten Hauptrolle überhaupt mit großer Spielfreude, was auch auf ihre Schauspielkolleg*innen zutrifft. Da haben wir den vor knapp einem Jahr im Alter von 81 Jahren verstorbenen Richard Roundtree (Shaft) in seiner letzten Rolle als Ben, Fred Hechinger (The White Lotus) als Thelmas liebevollen, aber etwas verlorenen Enkel Danny, Parker Posey (Beau Is Afraid) als Thelmas Tochter Gail, Clark Gregg (Marvel’s The Avengers) als Schwiegersohn Alan und Malcolm McDowell (Uhrwerk Orange) als Harvey, welche alle ihren Teil dazu beitragen, dass Josh Margolins Regiedebüt bodenständig und lebensecht bleibt.   

Fazit: Herrlich bodenständige und passend entschleunigte Komödie über eine resolute 93jährige Oma, perfekt verkörpert von June Squibb in ihrer ersten Hauptrolle. 8 von 10 Punkten.


Enkel Danny hilft seiner Oma am Computer
Danny sowie seine Eltern Gail und Alan sind besorgt…
…denn Oma Thelma ist mit Ben den Betrügern auf der Spur



Marius Joa, 13. Oktober 2024. Bilder: Universal.  


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