Für acht Oscars nominiert und doch nur zwei gewonnen – allerdings in einer „Königskategorie“: Daniel Day-Lewis wurde als bester Hauptdarsteller für seine überragende Leistung in There Will Be Blood ausgezeichnet. Doch macht ein guter Schauspieler schon einen guten Film? Lena Stadelmann war im Kino.
There Will Be Blood
Drama, USA 2007. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. 158 Minuten. Deutscher Kinostart: 14. Februar 2008.
Mit: Daniel Day-Lewis, Paul Dano, Dillon Freasier, Ciarán Hinds, Kevin J. O’Connor u.a. Regie: Paul Thomas Anderson.
Schwarze Seelen
Im Jahre 1898 beginnt Daniel Plainviews (Daniel Day-Lewis) Karriere als „Ölmann“: mit einem untrüglichen Gespür für Stellen, an denen Öl zu finden ist und wie man es am Besten zu Geld machen kann, reist Daniel zusammen mit seinem Adoptivsohn H.W. durch New Mexico und baut sich mit mehreren Bohrstellen ein kleines Unternehmen auf. 1911 kommt eines Nachts ein junger Mann zu Daniel, der sich als Paul Sunday (Paul Dano) vorstellt und Daniel den Tipp gibt, das Land der Sundays zu kaufen, da es dort Öl gebe. Daraufhin reist Daniel nach Kalifornien in das kleine Dorf Little Boston und bietet Pauls Vater und seinem Zwillingsbruder Eli (ebenfalls Paul Dano) an, deren Land für 5000 $ zu kaufen und damit Elis Kirche der Dritten Offenbarung zu unterstützen. Doch als Daniel erst angefangen hat, nach Öl zu bohren, denkt er nicht im Geringsten daran, Eli das Geld für die Kirche zu geben, und es kommt zu einem ewigen Machtkampf zwischen Eli und Daniel um die Vorherrschaft in Little Boston.
Regisseur Paul Thomas Anderson (Boogie Nights, Magnolia) hat das Drehbuch für seinen neuen Film selbst geschrieben und dafür den Roman „Oil!“ von Upton Sinclair für die Leinwand adaptiert (wofür es übrigens eine der acht Nominierungen gab). There Will Be Blood steckt voller Symbolik, grandiosen Bildern und herausragenden Schauspielern und hat ein ganz vordergründiges Problem: er ist zu lang und das ohne Grund. Es ist völlig legitim einen Film über (hauptsächlich) eine Figur zu drehen, deren Charakter zu beleuchten und ihren Fall zu verfolgen, doch die Figur des Daniel Plainview ist zu einseitig misanthropisch, um dafür gute zweieinhalb Stunden zu benötigen. Dabei versucht Anderson gar nicht, Plainviews Verhalten zu analysieren oder zu erklären, vor allem nicht die Radikalität, mit der der Film schließlich endet. Der einzige Grund, weshalb das den Film nicht mehr als drei Punkte kostet, ist Daniel Day-Lewis (Gangs of New York), der zu Recht dieses Jahr für diese Rolle fast alle Preise für den besten Schauspieler abräumte, darunter den Golden Globe und natürlich den Oscar. Er schafft es, einer antipathischen, verschlossenen Figur derart Leben einzuhauchen, dass man zum Schluss keineswegs nur Mitleid, sondern auch Respekt vor Daniel Plainview hat.
Die absoluten Highlights des Films sind immer wieder die Zusammentreffen von Eli und Daniel, zweier Figuren, die beide auf ihre Art absolut fanatisch sind und dem Grat zum Wahnsinn immer näher kommen. Das Bemerkenswerte ist dabei, dass Paul Dano (Little Miss Sunshine) Day-Lewis durchaus Paroli bietet und die beiden zusammen zu absoluter Höchstform auflaufen, vor allem bei der skurrilen Taufzeremonie Daniels und natürlich beim großen Showdown. Bemerkenswert ist es vor allem deshalb, weil sich Day-Lewis ein Jahr lang auf die Rolle des Daniel Plainview vorbereiten konnte, während Dano nur vier Tage Zeit hatte. Eigentlich hätte er nur die Rolle des Paul Sunday spielen sollen und ein anderer Schauspieler die Rolle des Eli, doch nachdem Danos Szenen als Paul gedreht waren, entschloss sich Paul Thomas Anderson, auch die Rolle des Eli von Dano spielen zu lassen. Das hat neben der herausragenden Leistung von Paul Dano den Effekt, das der Zuschauer bis zum Schluss nicht ganz sicher ist, ob Paul und Eli tatsächlich Zwillinge sind oder doch nur eine Person, da die beiden keine gemeinsame Szene haben.
Schauspielerisch hat der Film außer Day-Lewis und Dano wenig zu bieten, erwähnenswert ist nur noch Dillon Freasier als Plainviews Sohn H.W., der nach einem Unfall bei den Bohrtürmen taub ist und von einem zwar stillen, aber fröhlichen Kind zu einem verschlossenen Jungen wird.
Doch der Film hat neben den tollen Schauspielern wie gesagt auch noch einiges andere zu bieten: zum einen die tollen Bilder von Robert Elswit (der dafür ebenfalls einen Oscar bekam), der sowohl die Landschaftsbilder als auch den Alltag der Bohrtürme trotz wenig Farbenvielfalt erstaunlich intensiv darstellt. Zum anderen die den ganzen Film durchziehende Symbolik des Öls, das zwar Macht und Geld aber auch Tod und Besessenheit mit sich bringt. Schon zu Beginn des Films (eindrucksvolle elf Minuten ohne eine Dialogzeile) zeigt sich, dass das Öl Plainview nicht nur Glück bringen wird: im ersten Bohrloch hat zuerst er selbst einen schlimmern Unfall und später kommt dort H.W.’s leiblicher Vater ums Leben. H.W. verliert sein Gehör bei einer Bohrung, was zur Entfremdung zwischen Vater und Sohn und damit zum Verfall Plainviews führt. Plainview bekommt wegen des Öls eine schwarze Seele, doch da ist er nicht der einzige: auch der augenscheinlich reine, religiöse Eli hat äußerst irdische Interessen, die schon bei den Verhandlungen um das Sunday-Land beginnen. Religion und Wirtschaft, die sich in There Will Be Blood zu Beginn anscheinend gegenüberstehen, vermengen sich während des Films zusehends und richten in der gefährlichen Mischung aus Machtstreben und Besessenheit beide Figuren zugrunde.
Fazit: Spannendes Öl-Epos mit großartigen Darstellern, das allerdings etwas zu lang ist und für eine Charakterstudie zu sehr an der Oberfläche bleibt. 7 von 10 Punkten.
H.W. (Dillon Freasier) und Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) auf dem Weg zu den Sundays.
Eli Sunday (Paul Dano) will Geld für seine Kirche haben.
Um sein Öl-Imperium zu bekommen, lässt sich Daniel widerwillig von Eli taufen.
Lena Stadelmann, 27.02.2008. Bilder: Buena Vista.
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