Tiefe Wasser (2022)

20 Jahre nach Untreu hat der mittlerweile 81jährige Regisseur Adrian Lyne (9 1/2 Wochen, Ein unmoralisches Angebot) wieder einen Film veröffentlicht. In Tiefe Wasser spielen Ben Affleck und Ana de Armas ein Paar, welches eine Ehe unter dunklen Vorzeichen führt.

Tiefe Wasser (Deep Water)
Psychodrama/Thriller USA 2022. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 117 Minuten. Start: 18. März 2022.
Mit: Ben Affleck, Ana de Armas, Grace Jenkins, Tracy Letts, Dash Mihok, Rachel Blanchard, Kristen Connolly, Jacob Elordi, Lil Rel Howery, Brendan C. Miller, Jade Fernandez, Finn Wittrock, Michael Braun u.a. Nach dem Roman von Patricia Highsmith. Drehbuch: Zach Helm und Sam Levinson. Regie: Adrian Lyne.


Liebhaber, Gerüchte und Schnecken

Victor „Vic“ Van Allen (Ben Affleck) ist zwar noch weit vom Rentenalter entfernt, hat aber durch einen von ihm entwickelten Computerchip für Kampfdronen ausgesorgt und muss nicht mehr arbeiten. Er verbringt die Tage mit Radfahren, dem Entwerfen von Fotobüchern und der Schneckenzucht. Verheiratet ist Vic mit der jüngeren Melinda (Ana de Armas) und die beiden haben eine Tochter, die sechsjährige Trixie (Grace Jenkins). Obwohl die Familie ein schönes, stressfreies Leben führt steht die Ehe unter keinem so guten Stern. Melinda geht immer wieder mit jungen Männern fremd und bemüht sich gar nicht, diese Affären groß vor ihrem Mann oder den gemeinsamen Freunden geheim zu halten. Joel (Brendan C. Miller) schlägt Vic allerdings in die Flucht, indem er behauptet, er hätte einen früheren „guten Freund“ Melindas, der seit einigen Wochen vermisst wird, getötet. Diese Behauptung macht im Freundeskreis die Runde, wird aber als makabrer Scherz abgetan. Melinda bandelt kurze Zeit später mit dem jungen Pianisten Charlie (Jacob Elordi) an. Nach einer Party bei Vics Freund Jonas (Dash Mihok) wird Charlie tot im Pool aufgefunden. Während die meisten Gäste glauben, dass es sich um einen Unfall handelt, beschuldigt Melinda ganz offen ihren Ehemann Vic, der als letztes an Ort und Stelle war…

Adrian Lyne (geboren 1941) lieferte mit seiner zweiten Regie-Arbeit Flashdance (1983) einen der absoluten Kult-Tanzfilme. In der Folge drehte der englische Regisseur vor allem Filme über Leidenschaft, Obsessionen und problematische Beziehungen: 9 1/2 Wochen (1986), Eine verhängnisvolle Affäre (1987), Ein unmoralisches Angebot (1993), Lolita (1997, nach Vladimir Nabokov) und Untreu (2002). 20 Jahre später meldet sich der mittlerweile 81jährige mit Tiefe Wasser zurück. Die Veröffentlchung des mit Ben Affleck und Ana de Armas in den Hauptrollen prominent besetzten Werkes wurde wie viele andere Produktionen wegen der Corona-Pandemie mehrfach verschoben. Schließlich landete der bereits zwischen November 2019 und Anfang 2020 gedrehte Film als Stream bei Hulu (USA) bzw. Amazon (Rest der Welt).

Das Drehbuch von Zach Helm (Schräger als Fiktion) und Sam Levinson (Euphoria [US-Serie], Malcolm & Marie) basiert auf dem 1957 erschienenen, gleichnamigen Roman der amerikanischen Schriftstellerin Patricia Highsmith (1921-1995), die vor allem für ihre amoralische Figur Tom Ripley bekannt ist. Das Buch wurde zuvor bereits zweimal verfilmt: 1981 als französischer Version Eaux profondes (deutscher Titel: Stille Wasser) von Regisseur Michel Deville, mit Isabelle Huppert und Jean-Louis Trintignant sowie 1983 von Franz Peter Wirth als zweiteiliger deutscher Fernsehfilm mit Peter Bongartz und Constanze Engelbrecht. Man sollte an Lynes Adaption nicht mit der Erwartung an einen heißen Erotikthriller herangeben. Denn in Bezug auf erotische Szenen hält sich der Film fast völlig zurück. Im Vordergrund steht vielmehr die Beziehung der beiden Hauptfiguren und deren Dynamik. Zum richtig gelungenen Psychodrama um zwei Menschen, die scheinbar nicht miteinander aber auch nicht ohne einander können, hat es aber nicht gereicht.

Trotz einer gelungenen Inszenierung fehlt es über weite Strecken an Spannung. Lediglich kurz vor Schluss gibt es dann mal eine rasante Verfolgungsjagd. Auch inhaltlich macht Tiefe Wasser zu wenig aus seinem Potenzial, vor allem wenn sich der Storyverlauf als eher banal erweist und im letzten Drittel das zentrale „Mysterium“ relativ unspektakulär aufgelöst wird. Dagegen steht die subtile, ambivalent-abgründige Atmosphäre definitiv auf der Habenseite. Lyne benötigt hier auch keinerlei theatralische Szenen, die meist etwas unheimlich-ruhige Stimmung passt sehr gut zur Beziehung des Ehepaares Vic und Melinda.

Ben Affleck (wird im August 50 Jahre alt) zählt zu den bekanntesten Personen Hollywoods. Nicht zu Unrecht wird er teilweise für seine schauspielerischen Leistungen kritisiert und die These vertreten, dass er hinter der Kamera (als Regisseur und Drehbuchautor) besser ist als davor. In der Rolle des stillen Schneckenzüchters Vic, mit leeren Blicken, streckenweise finsterer Miene und meistens ruhiger, recht leiser Stimme kann Affleck durchaus überzeugen. Als Gegenpol fungiert Ana de Armas als Ehefrau Melinda. Die 33jährige kubanisch-spanische Schauspielerin konnte sich in den letzten Jahren mit Rollen in englischsprachigen Großproduktionen wie dem Neo-Noir-Science-Fiction-Film Blade Runner 2049 (2017) von Denis Villeneuve, dem Whodunit-Krimi Knives Out (2019) von Rian Johnson (in welchem sie sogar die zweite Hauptrolle spielte) und zuletzt im neuesten James-Bond-Film Keine Zeit zu Sterben (2021) von Cary Joji Fukunaga im Filmbusiness etablieren. Als nächstes wird de Armas dieses Jahr in Blonde, einer fiktionalen Aufarbeitung des Lebens von Marilyn Monroe, bei Netflix zu sehen sein.

Ihre Melinda ist lebenslustig, leidenschaftlich und zieht im Gegensatz zu Vic gerne die Aufmerksamkeit auf sich, etwa wenn sie bei einer Party spontan einen 40 Jahre alten italienischen Gassenhauer am Klavier zum Besten gibt. Affleck und de Armas waren von Anfang 2020 bis Januar 2021 auch im echten Leben ein Paar. Weil sich die Handlung sehr auf die beiden zentralen Charaktere konzentiert haben die Nebenfiguren eher wenig Gelegenheit Profil zu entwickeln, wobei neben den als Melindas „Freunde“ zeitweise präsenten Jacob Elordi (Euphoria) als Charlie und Finn Wittrock (American Horror Story) als Tony, immerhin Tracy Letts (Lady Bird) als Schriftsteller Don, Kristen Connolly (House of Cards) als dessen Gattin Kelly, Dash Mihok (Ray Donovan) als Jonas und Lil Rel Howery (Free Guy) als Grant soweit Screentime bekommen, das man sie vom Rest des hier gezeigten High-Society-Freundeskreis der Van Allens, welcher gefühlt von einer schicken Party zur nächsten übergeht, unterscheiden kann.

Tiefe Wasser ist seit dem 18. März 2022 bei Amazon Prime abrufbar.

Fazit: Solides, teils abgründiges Drama um eine zerstörerische Ehe und ihre Auswirkungen, welchem es leider an Spannung mangelt. 6 von 10 Punkten.



Melinda

Autor Don und Ehefrau Kelly

Pianist Charlie ist Melindas „guter Freund“

 

Marius Joa, 27. März 2022. Bilder: Amazon.

 

 


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner