Zehn Jahre nach dem eher misslungenen Germanikus ist Bayerns Vorzeige-Satiriker Gerhard Polt zurück auf der Leinwand. In …Und Äktschn! kämpft er als mittelloser Amateurfilmer gegen viele Widerstände, um endlich mit seinem neuesten Werk Filmgeschichte zu schreiben.
…Und Äktschn!
Komödie/Satire Deutschland/Österreich 2014. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 99 Minuten. Kinostart: 6. Februar 2014.
Mit: Gerhard Polt, Maximilian Brückner, Gisela Schneeberger, Nikolaus Paryla, Robert Meyer, Michael Ostrowski, Olaf Krätke u.v.a. Regie: Frederick Baker. Drehbuch: Gerhard Polt und Frederick Baker.
„Pekuniäre Tiefseetaucher ohne Atemgerät“
Die aktuelle Finanzkrise macht auch vor der bayerischen Provinz nicht halt. So ergeht es auch einigen Bewohnern von Neufurth an der Donau finanziell nicht gerade gut. Vor allem der Amateur-Filmemacher und Kinofreak Hans A. Pospiech (Gerhard Polt) ist dauerhaft knapp bei Kasse, die bevorstehende Scheidung von seiner vernachlässigten Ehefrau noch nicht eingerechnet. Um sich etwas über Wasser zu halten, verkauft Pospiech Weltkriegs-Memorabilien aus dem Nachlass seines verstorbenen Vaters. Pospiechs großer Konkurrent ist Nagy (Nikolaus Paryla), Direktor des hiesigen Filmclubs, der nicht müde wird, immer wieder von seinen früheren Begegnungen mit großen Filmregisseuren zu erzählen. In der Kneipe von Wirtin Grete (Gisela Schneeberger) trifft man sich um bei einem Bierchen mit dem Hobbyhistoriker Brunnhuber (Olaf Krätke) zu fachsimpeln, wenn Pospiech nicht gerade wieder mit einem Neffen Alfons (Maximilian Brückner) eines seiner berüchtigten Filmchen dreht.
Als Faltermeyer (Michael Ostrowski), dem Leiter der hiesigen Spar-Bank-Filiale, ein genialer Gedanke kommt, um seinem größten „Risikokunden“ aus den Miesen zu helfen und so die Firmenbilanz aufzuhübschen, nimmt das Chaos seinen Lauf. Faltermeyer schreibt einen Filmwettbewerb aus, bei dem es ohnehin nur einen Teilnehmer geben wird: Pospiech. Der unverbesserliche Zelluloid-Dilletant hat auch schon eine Idee für einen großen Film. Er will nichts anderes als Adolf Hitler als Privatmensch zeigen. Für die Rolle des Führers hat Pospiech bereits den seiner Ansicht nach perfekten Darsteller: Musik-Lehrer und Ladenbesitzer Günther Fleischbauer (Robert Meyer). Doch der sieht das ganze Projekt eher skeptisch…
Mit Germanikus, seinem filmischen Ausflug ins alte Rom, konnte Satiriker, Schauspieler und Autor Gerhard Polt (Man spricht deutsh, Kehraus) keinen Blumentopf gewinnen. Großer Aufwand (Dreh in den altehrwürdigen Cinecittà-Studios) und einige gelungene Gags konnten nicht über die ziemliche Substanzlosigkeit des Machwerks hinwegtäuschen. Zehn Jahre später ist Polt wieder in den Lichtspielhäusern vertreten. In …Und Äktschn! geht um großes Kino (oder was Provinznestler darunter verstehen). Für Polt-Werke sicherlich nicht zum ersten Mal sind die gesellschaftlichen sowie politischen Mechanismen des (bayerischen) Hinterlandes zentrale Thematik.
Immer wieder wird die Handlung durch Videoblog-Clips von Pospiech ergänzt, welche natürlich das probate Mittel bieten, Gerhard Polt wie auf der Bühne agieren zu lassen sowie gleichzeitig die Ansichten und Erfahrungen der Hauptfigur dem Zuschauer direkt näher zu bringen. Protagonist Pospiech ist abgesehen von seiner großen Leidenschaft eine traurige Existenz. Da die Ehe mit seiner Frau quasi am Ende ist, haust er nur noch in seiner Garage bei obskursten Sammlerstücken und Kamera-Equipment. Doch auch seinem Widersacher Nagy ergeht es im Grunde nicht besser. Als Immobilienmakler hat der Filmclub-Direktor keinen Erfolg und die meiste Zeit über scheint die Sabotage von Pospiechs umstrittenen Filmprojekts sein einziger Lebensinhalt. Und dann wäre da noch Alfons, Pospiechs Neffe und gleichzeitig sein Mitstreiter beim Filmemachen. Alfons fährt zwar im uralten BMW herum und beschallt seine Umwelt mit Musik der Toten Hosen, doch als jugendlicher Rebell im Ort hat er längst ausgedient.
…Und Äktschn ist nicht nur eine Gesellschaftsstudie über die kleingeistige Provinz, sondern landet dank seiner zielsicheren Pointen und herrlichen Zitate („Armut wäre ohne Geld überhaupt nicht denkbar!“ – „Zum Genie hat mir schon immer das Geld gefehlt!“) auch gelungene Seitenhiebe auf die geplatzte Finanz-Blase, kommunale Klüngeleien sowie die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Als Gemeinschaftsproduktion vom Bayerischen Rundfunk und des ORF befindet sich der Film sprachlich irgendwo zwischen Freilassing und Salzburg, was Pospiech bei der Auswahl der Schauspieler für seinen Hitler-Streifen natürlich in die Karten spielt. Gerhard Polt und seinem Co-Autor/Regisseur Frederick Baker gelingt hier eine sowohl inhaltlich als auch stilistisch prägnante und gelungene Kino-Posse.
Fazit: Bissige Provinz-Satire über einen bajuwarischen Ed Wood, der seine eigene Version von „Frühling für Hitler“ dreht. 8 von 10 Punkten.
Marius Joa, 15. Februar 2014. Bilder: Majestic.
Empfehlungen
Dieser Film könnte Ihnen gefallen, wenn Sie folgenden Film mochten…
Vorne ist verdammt weit weg (9/10)
Schreibe einen Kommentar