WALL-E

Die Macher von Pixar haben’s einfach drauf: Bereits mehr als vier Milliarden Dollar haben die bisherigen Filme auf der Kinoleinwand eingespielt. Warum auch das neueste Werk WALL-E die Kinosäle füllt, schreiben Johannes Michel und Sventja Franzen.

WALL-E
Animationsfilm, USA 2008. FSK: ohne Altersbeschränkung. 98 Minuten. Deutscher Kinostart: 25. September 2008.
Regie und Drehbuch: Andrew Stanton

Meisterwerk des Animationsfilms

WALL-E ist ein weiterer Animationsfilm, den Pixar nicht mehr alleine produziert. Bereits 2007 entstand Ratatouille gemeinsam mit Walt Disney – der Konzern hatte sich Pixar 2006 nach eigener Erfolglosigkeit einverleibt. Dennoch können die Pixar-Macher eigenständig agieren – und sie werden immer besser.

Die Erde um das Jahr 2800. Längst hat die Menschheit den verdreckten und zugemüllten Planeten Erde verlassen und lebt auf einem riesigen Raumschiff. Zurück geblieben sind nur Roboter, die die Erde aufräumen und so eines Tages für die Rückkehr der Menschen sorgen sollen. Über 700 Jahre nach dem Start des Projektes ist noch ein einziger dieser Blechkameraden übrig geblieben: Der kleine WALL-E (Waste Allocation Load Lifter Earth-Class) sammelt nach wie vor Müll, presst ihn in Blöcke und schichtet ihn gekonnt zu Türmen auf. Die Hochhaus-Kulisse von WALL-Es Stadt besteht daher längst zum größten Teil aus Müll-Hochhäusern. WALL-Es einziger Freund ist eine kleine Kakerlake, die zusammen mit ihm in einem Container wohnt. Im Gegensatz zu den dick gewordenen und von elektronischen Geräten abhängigen Menschen im Weltall hat WALL-E eine eigene Persönlichkeit entwickelt: Er sammelt viele Dinge, die ihm zu schade für den Müll erscheinen. So auch eine Videokassette von Hello, Dolly, einem Musical aus dem Jahr 1967. Die Kassette läuft fast den ganzen Tag in WALL-Es Behausung.
Eines Tages taucht der, im Gegensatz zu WALL-E, hypermoderne Roboter Eve (Extra-terrestrial Vegetation Evaluator) auf, um im Auftrag der Menschen nach Leben auf der Erde zu suchen. WALL-E verliebt sich sofort in die Roboterdame und kümmert sich liebevoll um sie. Als sie zum Raumschiff zurückbeordert wird, folgt er – und hat auch dort so einige Abenteuer zu bestehen.

WALL-E räumt die Erde auf.

Dass in Pixars Animationsfilmen nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen auf ihre Kosten kommen, ist nichts Neues. Auch dass die Autoren gerne Hommagen oder Querverweise auf andere Filme platzieren, ist bekannt. Nie zuvor allerdings sahen wir das in dieser Deutlichkeit wie in WALL-E. Ob E.T., Lautlos im Weltraum, Star Wars und natürlich Stanley Kubricks Meisterwerk 2001 – Odyssee im Weltraum – viele Meisterwerke des Science-Fiction-Genres werden gestreift und manchmal gar zitiert.

Die Hommage gipfelt darin, dass sogar in der Verwendung von Richard Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“, als sich der Raumschiff-Kapitän endlich gegen den das Schiff beherrschenden Roboter erhebt. Wer Kubricks 2001 bereits gesehen hat, wird viele Parallelen finden.

Aber das war’s natürlich längst nicht. Bereits in der ersten halben Stunde des Films, die vollständig ohne Dialoge auskommt, gewinnt der Zuschauer den kleinen Roboter lieb und lacht sich über dessen Aktionen schlapp. Es ist auch zu komisch, wie er, fast menschlich, einen Brotzeitbeutel packt und unterwegs alle möglichen Dinge aufliest, die von den Menschen einmal hinterlassen wurden. Dabei sind Glühbirnen, Zauberwürfel, Kekse und eben auch eine Pflanze, die schließlich Eve als Beweis für mögliches Leben auf der Erde in den Weltraum bringen soll.

Nachdem WALL-E und Eve sich angefreundet haben und die Reise in den Weltraum beginnt, staunt der Kinobesucher nur noch über die erstklassigen Bilder. Noch vor wenigen Jahren wäre dies selbst mit CGI-Effekten nicht möglich gewesen. Der Weltraum, das Raumschiff und auch sein Innenleben zeigen, wie viele Jahre die Pixar-Macher an diesem Werk gearbeitet haben.

Einziger Schwachpunkt des Films ist seine etwas zu dünne Story. Glücklicherweise wird es nach einigem Stillstand auch auf dem Raumschiff interessant, als der Kapitän erkennt, wie schäbig die Menschen in ihrem selbst erschaffenen Paradies leben und wie schön es wäre, endlich wieder auf die Erde zurückzukehren. WALL-E und Eve sind ab diesem Moment erst einmal Nebenfiguren und werden zu Helfern im Kampf gegen einen Bordcomputer, der seine Macht über die Menschen nach mehr als 700 Jahren nicht verlieren will.

Deutlich wird zu jedem Zeitpunkt eine Gesellschaftskritik, die – neben den vielen Zitaten – die jüngeren Zuschauer überfordern wird. Die viel zu dicken und faulen Menschen auf dem Raumschiff stehen natürlich für das Amerika (und die Welt) von Heute, wo es sich gerne bequem gemacht wird und keiner mehr Verantwortung übernehmen will. Für die Kinder bleibt der Film ein Spaß mit tollen Bildern, der erwachsene Kinobesucher wird aber etwas mehr als dem Kino mitnehmen.

Fazit: Gelungener, tiefgründiger Animationsfilm mit tollen Bildern und einem sympathischen „Hauptdarsteller“. Neben Ratatouille und Die Unglaublichen der gelungenste Pixar-Film. 9 von 10 Punkten.


Die Menschheit wohnt auf dem Raumschiff „Axiom“.

EVE ist abgeschaltet, doch WALL-E verlässt sie nicht.

EVE wird erst durch den Kontakt mit WALL-E zu mehr als einer gefühlslosen Maschine.
Johannes Michel, 8. Oktober 2008. Alle Bilder: Walt Disney/Pixar.

Empfehlungen
Dieser Film könnte Ihnen gefallen, wenn Sie folgende Filme mochten…

Die Unglaublichen (8/10)
Ratatouille (7/10)


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Eine Antwort zu „WALL-E“

  1. Avatar von Sventja Franzen
    Sventja Franzen

    Eine zweite Meinung zu WALL-E von Sventja Franzen:

    Noch vor dem Jahre 2120 ist der Planet Erde so ausgebeutet und unter Müll begraben, dass die Menschheit es vorzieht, ihrem unbewohnbaren Heimatplaneten den Rücken zuzukehren und es sich im Weltall gemütlich zu machen. Doch eine Horde Aufräumroboter bleibt zurück: Sie haben die Aufgabe, auf der Welt einen ordentlichen Frühjahrsputz durchzuführen, bis sich die Natur erholt hat und die Menschen die Erde wieder besiedeln können. Doch wo viel Müll ist, braucht auch das Aufräumen viel Zeit: Die Großreinemachaktion dauert nun schon 700 Jahre und der tollpatschige, aber wahnsinnig neugierige WALL-E ist der letzte, der übrig ist. Doch er erledigt nicht nur seine Arbeit, indem er Abfall zu Müllquadern presst um sie zu Wolkenkratzern zu stapeln, sondern er hat im Laufe der Zeit ein eigenes Bewusstsein entwickelt – er untersucht und entdeckt die unerklärliche Welt um ihn herum.
    Eines Tages wird seine Einsamkeit durchbrochen, als die hochmoderne und elegante aber gefühlsarme Roboterdame EVE auf die Erde geschickt wird, um nach organischem Leben zu suchen. Als WALL-E, der sich vollkommen in die attraktive Roboterdame verliebt hat, ihr stolz sein letztes Fundstück, eine frischgewachsene, gesunde Pflanze zeigt, deaktiviert sie sich, um das Pflänzchen als Beweis für Leben auf der Erde sicher zu bergen. Sie wird von einem Raumschiff abgeholt und zur „Axiom“ gebracht: Einem Mutterschiff, auf dem die Menschen seit 700 Jahren ihr Leben in Faulheit, Langweile und Übersättigung fristen und zu realitätsabgewandten Fleischklößen geworden sind. WALL-E begleitet EVE unbemerkt, doch als er ihr helfen will, die Pflanze dem Kapitän der „Axiom“ zu zeigen, wird er beschädigt und verliert sein Gedächtnis. Gleichzeitig erkennt der Kapitän der „Axiom“, dass der frühere Heimatplanet wieder bewohnbar geworden ist, doch der Bordroboter AUTO hat den Auftrag, mit allen Mitteln zu verhindern, dass die Erde jemals wieder bevölkert wird…

    Andrew Stanton brachte schon eine ganze Auswahl an Meisterwerken hervor: Neben Toy Story (1995) und Monster AG (2001) drehte er Findet Nemo (2003) und legt nun die noch vor Toy Story konzipierte Maschinenromanze WALL-E vor. In Zusammenarbeit mit Pixar gelingt es ihm, Emotionen ohne Mund und Nase, sondern nur mit Augen auszudrücken. Er erschafft charakteristische, liebenswerte Roboter mit ganz eigenen, zarten Gefühlsregungen, die sich freuen und erschrecken können, die in der Lage sind, Freundschaften mit anderen Lebewesen einzugehen, die sich um jemanden sorgen können. Die vorsichtigen Versuche von WALL-E, sich EVE zu nähern, sind weder kitschig noch übertrieben lustig, sie sind einfach kindlich-naiv und damit absolut menschlich. Die Darstellung des Bewusstseins von WALL-E und schließlich auch von EVE zeugen von einem Höchstmaß an Einfühlungsvermögen und lassen den Zuschauere in eine Welt eintauchen, die gar nicht so weit von der eigenen entfernt zu sein scheint.

    Doch der Trickfilm ist nicht einfach nur irrsinnig niedlich, humorvoll, unterhaltsam, strotzt vor Liebe zum Detail und zeigt ein weiteres Mal auf, dass unschuldige und ehrliche Liebe alle Tiefpunkte des Lebens – oder des Roboterdaseins – überdauern kann, nein, auch die Gesellschaftskritik kommt nicht zu kurz. Der Leitgedanke „Was passiert, wenn die Menschheit die Erde verlässt, aber vergisst, den letzten Roboter auszuschalten“ führt nicht allein zur traurigen Darstellung des Zustandes unseres Planeten, der durch menschliche Ignoranz zu einem einzigen riesigen, unbewohnbaren Müllberg geworden ist. Nein, das traurige Schauspiel findet seine Vollendung im Weltall: Die Menschen sind unaussprechlich faul, da Roboter alles für sie übernehmen, sie sind fett, weil sie sich durch die vollständige Automatisierung nicht mehr bewegen müssen, und sie haben vergessen, dass es mehr geben kann als allein den Bildschirm vor ihrer Nase. Außerdem haben sie aus ihrem Verhalten nicht gelernt und produzieren noch immer Unmengen von Abfall, der einfach ins Weltall gekippt wird. Somit stellt sich zuletzt tatsächlich die Frage, ob AUTO mit seinem Auftrag, die Menschheit an der Rückkehr zur Erde zu hindern, nicht ein wenig recht hat.

    Ein würdiger Nachfolger von Findet Nemo!

    Fazit: Ein echtes Meisterwerk, voller Humor und Tiefe. Absolut empfehlenswert! 10 von 10 Punkten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner