Während Captain America und ein angeblich außergewöhnlicher Spinnenmann ihr Pulver dieses Jahr schon recht früh verschossen haben, ist seit einigen Tagen ein echtes Highlight in der immer unübersichtlicheren Welt der Marvel-Comicadaption endlich im Kino. In Zukunft ist Vergangenheit vereint Regisseur Bryan Singer die Zeitebenen der bisherigen X-Men-Filme. Ob das funktioniert?
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X-Men: Zukunft ist Vergangenheit (X-Men: Days Of Future Past)
Comicverfilmung USA 2014. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 132 Minuten. Kinostart: 22. Mai 2014.
Mit: Hugh Jackman, James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Patrick Stewart. Ian McKellen, Halle Berry, Peter Dinklage, Nicholas Hoult, Ellen Page, Shawn Ashmore, Omar Sy, Daniel Cudmore, Evan Peters, Fan Bingbing, Adan Canto, Booboo Stewart u.v.a. Regie: Bryan Singer. Drehbuch: Simon Kinberg. Nach dem Comic von Chris Claremont und John Byrne.
Treffen der Generationen
2023. Fast sämtliche Mutanten sind versklavt oder ausgelöscht. Nur noch eine verschwindend kleine Widerstandsgruppe versucht sich immer wieder vor den übermächtigen Sentinels, einer tödlichen Robotereinheit, zu verstecken. Doch immer aussichtsloser wird der Kampf der verbleibenden X-Men. Da entschließen sich Anführer Charles Xavier (Patrick Stewart) und sein „alter Freund“ Erik Lehnsherr alias Magneto (Ian McKellen) zu einem letzten Versuch, die aussichtslose Situation zu retten. Kitty Pryde (Ellen Page) schickt mithilfe ihrer Kräfte das Bewusstsein des unzerstörbaren Wolverine (Hugh Jackman) in dessen jüngeres Ich im Jahr 1973.
Dort soll der Krallen wetzende Berserker die jungen Versionen von Charles (James McAvoy) und Erik (Michael Fassbender) zur Zusammenarbeit bringen, damit sie gemeinsam einen Mordanschlag der Gestalt-Wandlerin Mystique (Jennifer Lawrence) auf Wissenschaftler Dr. Trask (Peter Dinklage), den Erfinder der Sentinels, verhindern. Schwieriger könnte das Unterfangen für Wolverine allerdings kaum sein. Denn der junge Professor X versinkt in Selbstmitleid und hat seine telepathischen Kräfte verloren. Er und Magneto (letzterer sitzt wegen des Mordes an John F. Kennedy in einem Hochsicherheitstrakt ein) haben sich vor Jahren zerstritten. Wolverine bleibt nicht viel Zeit. Denn in der Zukunft ist es nur eine Frage von wenigen Tagen, bis die Sentinels das Versteck der X-Men ausfindig gemacht haben…
Die Zukunft ist düster
Sieben Filme in vierzehn Jahren. Das ist die Bilanz von Marvel Comics Mutantentruppe namens X-Men. Nach dem gelungenen, aber zu kurzen ersten Film (2000) und der rasanten Fortsetzung X-Men 2 (2003), beide mit Bryan Singer als Regisseur, inszenierte Brett Ratner (Rush Hour) das aus heutiger Sicht vorläufige Finale X-Men: Der letzte Widerstand (2006). Singer drehte stattdessen lieber einen überflüssigen Superman-Film. „X3“ bot einen dramatischen Schlusspunkt der Trilogie, ließ allerdings wegen (erneut) kurzer Laufzeit eine Entwicklung der unzähligen Charaktere nicht zu. Außerdem verstimmten die diversen vorzeitigen Ableben geliebter Hauptfiguren nicht nur die Fans, auch wenn man sich mit einer Szene nach dem Abspann ein Hintertürchen offen ließ.
Eher eine durchwachsene Angelegenheit war X-Men Origins: Wolverine (2009), das eine weitere Reihe von Solo-Abenteuer diverser Mutanten einleiten sollte. Doch daraus wurde aus unterschiedlichen Gründen bisher nichts. Einen völligen Neustart wagte Regisseur Matthew Vaughn (Layer Cake, Der Sternwanderer) 2011 mit X-Men: Erste Entscheidung. Das Reboot erzählte von den Anfängen, als Charles Xavier und Erik Lehnsherr (später Magneto) eine Gruppe junger Mutanten zusammentrommeln und eine Schule für sie gründen. Erste Entscheidung konnte überzeugen, aber irgendwie war dem Film die recht kurze Produktionszeit doch etwas anzusehen. Am Ende des zweiten Wolverine-Films Weg des Kriegers (2013) gab es bereits einen deutlichen Hinweis auf Zukunft ist Vergangenheit.
Mit dem neusten Teil aus der X-Men-Reihe haben sich Regisseur Bryan Singer und Autor Simon Kinberg an ein Mammutprojekt gewagt: die Figuren aus beiden Zeitlinien (Filme eins bis drei sowie Erste Entscheidung) mit einem Zeitreiseplot zu vereinen. Mein erster Gedanke: das kann bei der Menge an Personal doch nur schiefgehen, oder? Nein, tut es nicht.
Irgendwie ist X-Men: Zukunft ist Vergangenheit völlig unerwartet weder überladen noch überhastet. Völlig souverän meistert der Film die diversen Herausforderungen. Natürlich können nicht alle der neuen Figuren wirklich detailliert ausgearbeitet werden, aber besser als in Der letzte Widerstand ist die Situation allemal gelöst. Auch die spektakulären Actionszenen überzeugen, was bei einem Budget von etwa 250 Millionen Dollar aber erwartet werden darf. Es bleibt auch genug Zeit für ruhige, langsame Momente. Ganz und gar nicht langsam ist mit Peter Maximoff alias Quicksilver (Evan Peters) ein neuer Mutant, dessen Fähigkeit zu blitzschnellen Handlungen vor allem für Erheiterung sorgen. Von ihm hätten wir gerne etwas mehr gesehen. Auch von Golden Globe-Gewinner Peter Dinklage (Game Of Thrones) als Dr. Trask. Loben muss man John Ottman, der nicht nur die Musik komponierte, sondern als Tänzer auf zwei Hochzeiten ebenfalls den Schnitt übernahm. Und der ist wirklich hervorragend. Es gelingt in ausgewogenem Maße die beiden Handlungsstränge/Zeitebenen nebeneinander zu stellen und miteinander zu verbinden, natürlich mit Schwerpunkt auf der Vergangenheit.
Ein paar Negativpünktchen gibt es aber. Obwohl in 3D gedreht wurde, bringt das dem Film bis auf wenige gelungene Pop-Out-Effekte keinen echten Mehrwert. Während der Handlung in den 1970ern taucht mit Mystique nur eine einzige Mutantin auf, die im Vergleich zum Vorgänger wenig Raum zur Entfaltung bekommt. Die übrigen Charaktere aus Erste Entscheidung sind übrigens tot, wie man eher nebenbei erfährt. Das hätte man auch eleganter lösen können. Insgesamt ist das aber Jammern auf hohem Niveau.
Mit einer Szene nach dem Abspann wird (nicht zum ersten Mal in einer Marvel-Verfilmung) quasi die für Mai 2016 geplante Fortsetzung X-Men: Apokalypse angekündigt. Regie führt erneut Bryan Singer nach einem Drehbuch von Simon Kinberg. Mit einem dritten Wolverine-Film (2017) und der Adaption des Spin-Offs X-Force sind weitere Filme in Planung. Die X-Men wollen ihr Netz also verdichten.
Fazit: Spannender, effektiv erzählter Zeitreise-Mutantenstadel mit optimaler Laufzeit. 8 von 10 Punkten.
Mystique will…
…den Wissenschaftler Trask töten
Charles und Erik müssen sich zusammenraufen
Marius Joa, 27. Mai 2014. Bilder: Fox/Marvel.
Linktipp
Rezension zum Comic von Chris Claremont und John Byrne
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