Beim diesjährigen Fantasy Filmfest verpasst kam ich an Halloween dank einer Sondervorstellung doch noch in den Leinwand-Genuss von Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer, der kanadischen Blutsauger-Tragikomödie von Ariane Louis-Seize.
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Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer
(Vampire humaniste cherche suicidaire consentant)
alternativ: Humanist Vampire Seeking Consensual Suicidal Person
Tragikomödie Kanada 2023. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 91 Minuten.
Mit: Sarah Montpetit, Félix-Antoine Bénard, Steve Laplante, Sophie Cadieux, Noémie O’Farrell, Arnaud Vachon, Marine Brassard, Madeleine Péloquin u.v.a. Drehbuch: Ariane Louis-Seize und Christine Doyon. Regie: Ariane Louis-Seize.
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Die Leiden der jungen Vampirin
Sasha (Sarah Montpetit) ist eine junge Heranwachsende, die sensibel, schüchtern und gerne allein ist. Soweit an sich kein Problem, wäre sie nicht die Tochter einer Vampirfamilie. Und irgendwann muss Sasha lernen, selbst für Nachschub an frischem Blut zu sorgen. Doch die Jungvampirin tut sich schwer, Menschen Leid anzutun, geschweige denn diese bis zum Tod auszusaugen. Irgendwann haben der verständnisvolle Vater Aurélien (Steve Laplante) und die resolute Mutter Georgette (Sophie Cadieux) genug und verdonnern ihre Tochter bei deren wenig zimperlichen älteren Cousine Denis (Noémie O’Farrell) zu wohnen. Glücklicherweise trifft Sasha bald auf den von allen Seiten gemobbten Teenager Paul (Félix-Antoine Bénard), der schon seit einiger Zeit mit Selbstmordgedanken spielt…
Lange Filmtitel haben meist den Vorteil, dass die Prämisse der Handlung darin schon ausgebreitet wird. So auch bei Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer, dem Langfilmdebüt der kanadischen Filmemacherin Ariane Louis-Seize. Das Blutsauger-Leben kann nämlich sehr schwierig sein, wenn man auf den roten Lebenssaft der Menschen angewiesen ist, es gleichzeitig aber nicht übers Herz bringt, diese anzugreifen und zu töten. Aus diesem Dilemma machen Louis-Seize und ihre Co-Autorin Christine Doyon eine angenehm unaufgeregte und stimmige Dramedy zwischen Coming-of-Age-Story und Horror-Komödie.
Vampire und Teenager/Heranwachsende, das gab es schon häufiger, siehe die fragwürdige Twilight-Filmreihe oder So finster die Nacht. Doch Vampire humaniste cherche suicidaire consentant, so der französische Originaltitel, liefert dem Genre einen neuen Twist. Die junge Vampir-Protagonistin bringt es bisher einfach nichts übers Herz, anderen Schaden zuzufügen, auch wenn langfristig ihr (untotes) Überleben davon abhängt. Wie gut, dass Sasha auf den todunglücklichen Paul trifft, der schon ein paar halbherzige Anstalten in Richtung Suizid gemacht hat. Doch das einvernehmliche Arrangement bringt die beiden Hauptfiguren bald vor unerwartete Probleme.
Ariane Louis-Seize und ihr Team iszenieren diesen kuriosen Hybrid überwiegend ruhig und stimmungsvoll. Wirklich blutig geht es kaum zu, wobei der ein oder andere „Aderlass“ natürlich passiert. Nicht nur, dass sich die komplette Handlung bei Dunkelheit abspielt, der Film findet auch die richtige Bildsprache für sein eigenwilliges Sujet. Besonders gefallen hat mir eine mehrminütige Szene ohne Schnitt, in welcher Sasha und Paul gemeinsam Musik hören. Die halbe Miete erreicht natürlich allein das unverbrauchte Hauptdarsteller*innen-Duo Sarah Montpetit als schüchtern-rehäugiges Vampirmädchen Sasha und Félix-Antoine Bénard als ängstlich-unglückliches Opfer in Spe namens Paul. Darüber hinaus glänzt Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer mit einem tollen Soundtrack, von Antonio Vivaldis Vier Jahreszeiten in einer Piano-Version bis hin zum Song Emotions von Brenda Lee.
Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer ist seit dem 24. Oktober 2024 auf DVD und BluRay sowie als kostenpflichtiger Stream bei diversen Anbietern erhältlich.
Fazit: Sympathisch-liebenswerte Vampir-Dramedy mit zwei wundervollen Jungschauspieler*innen in den Hauptrollen. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 3. November 2024. Bilder: Atlas Film.
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