Als dritten und letzten Film sichtete ich bei den Fantasy Filmfest Nights 2024 The Empire von Bruno Dumont. Die absurde Scifi-Komödie wurde bei der diesjährigen Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet.
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The Empire (L’Empire)
Science-Fiction-Komödie Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien, Portugal 2024. 111 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Mit: Brandon Vlieghe, Lyna Khoudri, Anamaria Vartolomei, Camille Cottin, Fabrice Luchini, Julien Manier, Bernard Pruvost, Philippe Jore, Anne Tardivon u.a. Drehbuch und Regie: Bruno Dumont.
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French Space Oddity oder Das Imperium grapscht zurück
Seit Langem bekämpfen sich zwei Alienrassen: die Nuller, schwarze Schleimklumpen, und die Einser, weiße Lichtwesen. Kürzlich haben die Außerirdischen ihren Sternenkrieg in ein Fischerdorf an der Opalküste in Nordfrankreich verlegt und dort die Körper einiger Menschen übernommen. Den intergalaktischen Konflikt könnte der Magrat, ein den Nullen geborener, potenzieller Messias, zugunsten seines Volkes entscheiden. Weil die Einsen-Krieger um Jane (Anamaria Vartolomei) immer wieder die Sicherheit des Magrat bedrohen wurde dessen Vater Jonny (Brandon Vlieghe) persönlich mit dem Schutz seines Sohnes beauftragt. Dafür hat Jonny eine Gruppe berittener Leibwächter unter sich. Während sich im Weltraum die beiden Flotten allmählich zum Kampf bereit machen, kommt es im Fischerdorf immer wieder zu Zwischenfällen. Zudem fühlen sich Jane und Jonny trotz der Feindschaft ihrer Völker immer mehr zueinander hingezogen…
Orthodoxe, estnische Kung-Fu-Mönche mit Metal-Soundtrack (The Invisible Fight). Ein zeitloses Neo-Märchen, das zum Abenteuer für eine kindliche Motorrad-Gang wird (Riddle of Fire). Und nun eben ein in beschaulicher Kulisse ausgetragener Krieg der Sterne mit absurden Vorgängen. Die Fantasy Filmfest Nights 2024 hielten für mich im besten Sinne kuriose Filme bereits. Bruno Dumonts letztgenannte Space-Opera-Comedy hat mich ehrlich gesagt sogar besser unterhalten als die letzten sechs offiziellen Star Wars-Streifen. Für massentaugliches Schenkelklopfen erscheint die französisch-belgisch-deutsch-italienisch-portugiesische Co-Produktion allerdings kaum geeignet.
Man muss als Zuschauer*in hier schon Geduld und Offenheit für einen völlig anderen Ansatz in Bezug auf Scifi-Abenteuer haben. Auch wenn manche der Weltraumpanoramen optisch teils an Mel Brooks‘ köstliche Star Wars-Veralberung Spaceballs (1987) erinnern so liegt das Augenmerk von Regisseur Bruno Dumont (Die feine Gesellschaft [2016]) auf einer anderen Form des Humors. Von vorneherein erweist sich die Prämisse als absurd, dass ausgerechnet ein abgelegenes Dörfchen in der französischen Provinz als Schauplatz eines intergalaktischen Konfliktes herhalten muss. So entschleunigt wie das dortige Leben zwischen Strand und Fischerei präsentiert sich daher auch die Handlung. Eigentlich passiert in den 111 Minuten Laufzeit sogar recht wenig.
Über weite Strecken hat man das Gefühl, im genannten Dorf würden einfach zwei verfeindete Mafia-Familien einen eher leisen Kleinkrieg ausfechten. Nur dass manche von ihnen eben bisweilen mit verzerrter Stimme sprechen und andere Lichtschwerter schwingen. Dazwischen beraten sich die Mitglieder der beiden Parteien, etwa mit ihren Anführer*innen. In kurioser Romeo und Julia-Manier kommt es zu einem unerwarteten Techtelmechtel zwischen Jonny von den Nullern und Jane von den Einsern, nur echt mit überbordendem Geknutsche und albernen Sexszenen, die sich hart an der Grenze zur Geschmacklosigkeit bewegen. Lieferte die Prequel-Trilogie von George Lucas‘ kultiger Sternensaga nur aufgeblähten Kinder- und Teenie-Kram mit alles vereinnahmenden sterilen Computer-Effekten so wirkten die von J.J. Abrams produzierten und teils inszenierten Episoden VII, VIII und IX immerhin in ästhetischer Hinsicht authentischer, spulte aber überwiegend die gleiche Macht-Leier ab. Dumont widersetzt sich fast jeglichen Konventionen des Genres und zelebriert seinen eigenen Sternenkrieg-im-Fischerdorf.
Gedreht wurde L’Empire an mehreren Schauplätzen in Frankreich (etwa an der Opalküste), in Brüssel, Berlin und Italien. Vor allem in Anbetracht des eher bescheidenen Budgets von knapp acht Millionen Euro (zum Vergleich: Episode I kostete vor einem Vierteljahrhundert ca. 115 Millionen Dollar) können sich die Weltraumszenen mit den Raumschiffen der beiden verfeindeten Alienrassen auch auf der großen Leinwand wirklich sehen lassen. Wobei ikonische französische Bauwerke deutlich sichtbar Pate für die großen Raumkreuzer standen.
Dumont setzte bei seiner Besetzung auf eine Mischung aus professionellen Akteuren und Laiendarsteller*innen. Zu den bekanntesten Schauspieler*innen gehören Anamarie Vartolomei (Das Ereignis) als Jane, Lyna Khoudri (The French Dispatch) als Line, Camille Cottin (Call My Agent!) als Königin der Einsen und Fabrice Luchini (Alice oder Die Bescheidenheit) als Belzebuth, Herrscher der Nullen. Ich jammere ja gerne darüber, dass es Genrefilme in Deutschland besonders schwer haben, doch dass The Empire bei der Berlinale 2024 den Jurypreis (Silbernen Bären) gewonnen hat, lässt Hoffnung aufkommen. Vielleicht klappt es ja auch mit einer Heimkino-Veröffentlichung, gerne auch als Mediabook-Luxusedition in Form von Note Dame oder Versailles.
Fazit: Eigenwillig-absurde Parodie auf Star Wars, die sich in einem französischen Fischerdorf abspielt. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, Bilder: 12. Mai 2024. Bilder: Tessalit Productions/Red Balloon Film.
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