Alienoid

Warum immer nur Blockbuster aus Hollywood schauen? Auch die Filmindustrie anderer Länder können bei ihren Großproduktionen mithalten, wie etwa der südkoreanische Genre-Hybrid Alienoid von Regisseur Choi Dong-hoon.

Alienoid (Oegye+in 1bu)
Science-Fiction/Fantasy/Komödie Südkorea 2022. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 142 Minuten.
Mit: Kim Woo-bin, Ryu Jun-yeol, Kim Tae-ri, Choi Yu-ri, So Ji-sub, Yum Jung-ah, Jo Woo-jin, Kim Eui-sung, Shin Jing-geun, Lee Si-hoon, Ji Kun-woo u.a. Drehbuch und Regie: Choi Dong-hoon.

Aliens, Magie, Zeitreisen und mehr

Eine Alienrasse benutzt seit Jahren die Körper ahnungsloser Menschen auf der Erde, um ihre Hälftlinge einzusperren. Der Cybord Guard (Kim Woo-bin) und die künstliche Intelligenz Thunder (Originalstimme: Kim Dae-myung) überwachen den reibunglosen Transfer und die Inhaftierung der Gefangenen, welche auch durch Zeitreisen in menschliche Körper in der Vergangenheit implantiert werden. Bei einem dieser temporalen Ausflüge entdeckt Thunder ein wehrloses Baby dessen Mutter gerade verstarb. Gegen Guards Widerstand nimmt Thunder das Kind mit in das Jahr 2012, in die Gegenwart. Guard zieht das Mädchen Lee Ahn (Choi Yu-ri) allein auf, ohne ihr seine wahre Identität zu enthüllen. Zehn Jahre später entdeckt Lee Ahn allmählich, dass hinter der mysteriösen Beschäftigung ihres Adoptivvaters und seines Geländewagens mehr steckt. In einem Krankenhaus wird das Mädchen Zeugin eines Transfers neuer Häftlinge auf dort anwesende Besucher. Da taucht ein Raumschiff auf, an dessen Bord sich ein gesetzloser Außerirdischer befindet, welcher die Befreiung des Controllers, eines Gangsterbosses, plant. Dieser Controller steckt ausgerechnet im Körper des Polizisten Moon Do-seok (So Ji-sub). Guard und Thunder versuchen die Befreiung des Bösewichts zu verhindern und müssen außerdem Lee Ahn beschützen.

Im 14. Jahrhundert macht sich der magiebegabte Kämpfer Mureuk (Ryu Jun-yeol) im Goryeo-Reich auf der koreanischen Halbinsel auf die Suche nach einer geheimnisvollen Waffe, welche dem Finder einen großen Lohn einbringen soll. Auch eine Gruppe maskierter Männer, das Magier-Duo Heug-seol (Yum Jung-ah) und Cheong-woon (Jo Woo-jin), eine Frau mit einer magischen Donnerwaffe (Kim Tae-ri) sowie ein Herr mit merkwürdiger Kleidung (Ji Kun-woo) haben es auf den besonderen Gegenstand abgesehen, welcher im Zusammenhang mit einem mysteriösen Phänomen von vor zehn Jahren steht.

Auch wenn ich mittlerweile dem klassischen amerikanischen Blockbuster-Kino aus Amerika weitgehend entsagt habe so bilden englischsprachige und europäische Werke den Schwerpunkt meines Medienkonsums. Dabei lohnt sich in Zeiten von hochwertigen Heimkino-Veröffentlichungen und den Möglichkeiten von Streaming auch immer wieder mal der Blick über den „westlichen“ Tellerrand hinaus, etwa nach Südkorea. Aus dem asiatischen Land, welches mehr zu bieten hat als K-Pop und die endlos gehypte Netflix-Serie Squid Game (2021), kenne ich bisher nicht sehr viele Filme. Neben Bong Joon-hos überraschenderweise, aber verdientermaßen mit vier Oscars ausgezeichneter Gesellschaftssatire Parasite (2019) sowie Snowpiecer (2013), Bongs Adaption der französischen Graphic-Novel Schneekreuzer, über einen Zug in der Postapokalypse, auch das erotische Sittengemälde Die Taschendiebin (2016) von Park Chan-wook, das meditative Drama Frühling, Sommer, Herbst, Winter…und Frühling (2003) von Kim Ki-Duk und den gnadenlosen Horror-Anime Beauty Water (202) von Cho Kyung-hun. Kürzlich sichtete ich auch Aloners (2021) von Debütant Hong Seong-eun, über eine sich selbst isolierende Einzelgängerin, sowie den aufwändigen Blockbuster Alienoid, welcher gekonnt mehrere Genres vereint.

Wie der Originaltitel verrät, welcher übersetzt soviel wie „Alien+Mensch,Teil 1“ bedeutet, handelt sich beim Film des Regisseurs Choi Dong-hoon (War of the Wizards, The Thieves, Assassination) nur um den ersten Beitrag einer auf mehrere (zwei) Teile ausgelegten Reihe. Beide Teile wurden von März 2020 bis April 2021 direkt am Stück gedreht, für ein Budget von 40 Milliarden Won, was umgerechnet ca. 28 Millionen Euro entspricht. Aus Hollywood-Sicht erscheint das nicht unbedingt viel und die gleiche Angelegenheit hätte in den USA sicherlich das Vierfache gekostet, doch gerade auf technischer und inszenatorischer Ebene kann Alienoid wirklich überzeugen. Gelungene, absolut nahtlos eingebundene CGI-Effekte (wie etwa der sein Aussehen ändernde Guard), einigermaßen große Action-Setpieces und makellos choreographierte Kampfszenen (inklusive der aus chinesischen Wuxia-Streifen bekannten „Überwindung“ der Schwerkraft) bilden die Stärken des koreanischen Kinofilms, der bei uns nur, aber immerhin im Heimkino und Streaming erschien.

Die epische Laufzeit von zwei Stunden und zwanzig Minuten sowie die Vermischung diverser Genres und Themen haben mich anfangs ehrlich gesagt etwas abgeschreckt. Die Befürchtung, hier einen hemmungslos überladenes Mega-Krawallgetöse erleben zu müssen hat sich allerdings nicht bestätigt. Ja, Chois Werk wirkt mit seinen unzähligen Motiven und Versatzstücken bisweilen überladen, die ganze Sache gestaltet sich aber dadurch unterhaltsam. Im Zentrum der Geschichte steht die „Unterbringung“ außerirdischer Häftlinge in menschliche Körper sowie das entstandene Chaos, als manche dieser gefährlichen Aliens ausbrechen. Neben diesem Science-Fiction-Plot spielt aber auch ein Großteil des Film im Goryeo-Reich des 14. Jahrhunderts, wodurch man sich auch in Fantasy- und Martial-Arts-Gefilden bewegt. Noch dazu wird die ganze Chose durch zwischenzeitlich viel Humor und diverser kurioser Einfälle gewürzt. Beispiel gefällig: der immer etwas trottelig agierende Mureuk trägt einen Fächer bei sich, aus dem er nicht nur Schwerter und Schirme hervorholen kann sondern auch seine beiden Gehilfen (Shin Jing-geun, Lee Si-hoon) in Katzen- und Menschengestalt! Das hemdsärmelige Magier-Duo hat zudem diverse nützliche „Gadgets“ im Gepäck, wie ein unsichtbar machendes Tuch oder einen Spiegel mit besonderem Effekt.

Tut man sich einige Zeit lang als Zuschauer*in mit dem personell zahlreichen Figurenensemble schwer so wird das zwar bei näherem Hinsehen nicht besonders komplexe, aber geschickt verwobene Zeitreisegarn im Verlauf gut aufgelöst. Dabei erinnert der Aufbau der Handlung an eine abgespeckte Version der deutschen Mysteryserie Dark, wo auch unterschiedliche temporale Ebenen gekonnt zusammengefügt wurden. Am Ende lbeibt das Publikum mit einem Cliffhanger zurück, welcher im bereits abgedrehten zweiten Teil wohl aufgelöst werden wird. Ich bin jedenfalls gespannt ob in der Fortsetzung Zeitreisen auch wieder eine entscheidene Rolle spielen.

Alienoid ist seit dem 20. Januar 2023 auf DVD und BluRay sowie als Stream bei diversen Anbietern erhältlich.

Fazit: Rasanter, unterhaltsamer Genre-Blockbuster-Mix aus Südkorea. 7 von 10 Punkten.

Mureuk und seine beiden Gehilfen
Das Magierduo
Wilde Action im 14. Jahrhundert

Marius Joa, 3. März 2023. Bilder: Capelight.


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