Nach knapp zwei Jahren Wartezeit (siehe House of the Dragon) ist auch die zweite Staffel der auf den Anhängen aus Tolkiens Romanepos basierenden Serie Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht endlich komplett. Darin werden Pläne und vor allem Ringe geschmiedet.
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Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht – Staffel 2
(The Lord of the Rings: The Rings of Power – Season 2)
Fantasyserie USA 2024. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 540 Minuten.
Mit: Charlie Vickers, Morfydd Clark, Charles Edwards, Robert Aramayo, Daniel Weyman, Markella Kavanaugh, Megan Richards, Owain Arthur, Sophia Nomvete, Peter Mullan, Benjamin Walker, Ismael Cruz Córdova, Sam Hazeldine, Lloyd Owen, Trystan Gravelle, Kevin Eldon u.v.a. Nach J.R.R. Tolken. Adaption: J.D. Payne und Patrick McKay. Regie: Charlotte Brändström, Louise Hooper, Sanaa Hamri.
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Ringe-Schmieden (zu) leicht gemacht
Mittelerde, im Zweiten Zeitalter. Kurz nachdem der berühmte Elben-Schmied Celebrimbor (Charles Edwards) drei Ringe für sein Volk geschmiedet hat, macht Galadriel (Morfydd Clark) eine schreckliche Entdeckung: bei Halbrand (Charlie Vickers), dem vermeintlichen Mann aus den Südlanden, handelt es sich um Sauron, den mächtigen Diener des im Krieg des Zorns vernichteten dunklen Herrschers Morgoth. In neuer Gestalt als Annatar gelingt es Sauron, Celebrimbor in Eregion zu isolieren und ihn vom Schmieden neuer Ringe zu überzeugen. Daraufhin entstehen die sieben Ringe für die Zwerge, welche von König Durin (Peter Mullan) bereitwillig entgegen genommen werden. Durins Sohn gleichen Namens (Owain Arthur) und dessen Gattin Disa (Sophia Nomvete) bemerken wenig später eine bedenkliche Änderung im Verhalten des Zwergenherrschers, welche die Existenz ihrer Heimat Khâzad-Dum gefährdet.
Galadriels alter Freund Elrond (Robert Aramayo) ist davon überzeugt, dass die drei Elbenringe nichts Gutes verheißen und will diese daher zerstören. Gil-Galad (Benjamin Walker), Hochkönig der Elben, verhindert dies, vor allem weil die Macht der Ringe das Schwinden der Elben in Mittelerde aufzuhalten vermag. Unterdessen führt Adar (Sam Hazeldine) sein Heer von Orks Richtung Eregion. Auf der von Menschen bewohnten Insel Númenor soll die erblindete Regentin Míriel (Cynthia Addai-Robinson) nach dem Tod ihres Vaters zur Königin gekrönt werden. Jedoch wird sie von ihrem Vetter Pharazôn (Trystan Gravelle) entmachtet, der sich selbst zum König ausrufen lässt, zum Entsetzen von Hauptmann Elendil (Lloyd Owen), der Míriel treu ergeben bleibt. In Begleitung von Harfuß-Mädchen Nori (Markella Kavanaugh) reist der namenlose Magier (Danie Weyman) in das ferne Land Rhûn, wo mögliche Antworten, aber vor allem große Gefahren lauern…
Die Wartezeit auf die erste Staffel von Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht gestaltete sich schon lange, die Pause zur zweiten war mit knapp zwei Jahren auch nicht ohne. Seit 3. Oktober 2024 sind die Episoden 9 bis 16 der von J.D. Payne und Patrick McKay geschaffenen Serie, welche auf den Anhängen des bekannten Romanepos von John Ronald Reuel Tolkien basiert, nun erschienen. Wie auch schon im Premierenjahr konzentriert sich die Story auf Ereignisse im Zweiten Zeitalter von Mittelerde, welche sich Jahrtausende vor dem in der Trilogie von Peter Jackson behandelten Ringkrieg abspielen. Für Season 2 wanderte die Produktion von Neuseeland ins Vereinigte Königreich, wo von Oktober 2022 bis Juni 2023 gedreht wurde. Weitere Dreharbeiten fanden auf der spanischen Insel Teneriffa statt.
Die Ringe der Macht hatte bereits, bevor überhaupt eine einzige Folge zu sehen war, mit rassistischen Hasskommentaren, die sich vor allem gegen den diversen Cast richteten, zu kämpfen. Unsägliche Internet-Trolle versuchten jeden möglichen Aspekt der Streaming-Produktion in den Dreck zu ziehen. Vergeblich. Die Serie erhielt nach der Premiere der ersten beiden Folgen Anfang September 2022 überwiegend gute Kritiken und hohe Abrufzahlen. In der Gesamtbetrachtung konnte mich Staffel 1 bis auf inhaltiche Schwächen weitgehend überzeugen. Die erzählerischen Schwächen (überhastetes Finale, generische Origin-Story von Isildur, übermäßiger Einsatz der „mystery box“ und vereinzelt überzogene Figuren) fielen mir trotz der hochwertigen Produktionswerte auch bei der Wiederholungssichtung im Vorfeld von Staffel 2 auf.
Zur Einstimmung auf die neuen Folgen hörte ich mir auch eine Ausgabe des Podcasts Zu Unrecht an, in welcher aus unterschiedlichen Perspektiven (viel bis wenig Vorkenntnisse von Tolkiens Werken) ein zweiter Blick auf die erste Staffel geworfen wurden, welcher mir einen interessanten Punkt eröffnete: Figuren wie Galadriel und Elrond, welche zu Zeiten des Ringkrieges im Dritten Zeitalter Legendenstatus haben, sind Jahrtausende zuvor noch nicht mythisch verklärt und daher zwangsläufig fehlerbehaftet. Das lässt die vermeintlichen Diskrepanzen zwischen den bekannten Charaktern aus Rings of Power und der Filmtrilogie in einem ganz anderen Licht stehen. Wobei ich die Enthüllung um Sauron im Finale der ersten Season schon etwas zu effektheischend empfand, vor allem da man ihn vorher noch bereitwillig zum nächsten (Proto-)Aragorn hochstilisiert hatte.
Was Sauron betrifft wirft man zu Beginn von Season 2 einen Blick zurück und zeigt die Ereignisse von der „Ermordung“ seiner sterblichen Hülle (gespielt von Jack Lowdon) durch Adar (Sam Hazeldine ersetzt den leider wegen kreativer Differenzen ausgeschiedenen Joseph Mawle) und die Orks, seine Existenz im Schatten für lange Zeit, bis zur Übernahme des Körpers von Halbrand. Positiv überrascht hat mich die Metamorphose zu Annatar, wenngleich Darsteller Charlie Vickers mit der blonden Perücke vielleicht etwas albern aussieht, und die Figurendynamik mit den zwischen Pflichtgefühl und Schöpfungsdrang hin- und hergerissenen Elbenschmieden Celebrimbor. Die Tragik von letzterem wird durch eine starke Performance von Charles Edwards eindrucksvoll untermauert. Für mich das schauspielerische Glanzlicht der ganzen Staffel.
In den ersten Folgen hatte ich noch das Gefühl, dass die Showrunner J.D. Payne und Patrick McKay sowie ihre Co-Autor*innen die schwierige Aufgabe, aus den in der Vorlage lediglich nach Jahren aufgezählten Ereignissen des Zweiten Zeitalters von Mittelerde eine stringente Handlung zu schaffen, in der zweiten Runde besser hinbekommen. Dieser positive Eindruck ließ allerdings im weiteren Verlauf nach. Während vor allem der Handlungsstrang um Annatar und Celebrimbor sowie die Storyline im Zwergenreich Khâzad-Dum überzeugen können, so gibt es im Rest der Geschichte immer wieder Leerlauf oder zu forcierte Wendungen.
So spielen manche Charaktere, wie Isildur, in der zweiten Hälfte fast gar keine Rolle mehr, was mich vermuten lässt, dass den Autor*innen zu ihnen einfach wenig eingefallen ist. Etwas zu überhastet gestaltet sich der Storyarc auf Númenor, wo die rechtmäßige Thronerbin Míriel in zu kurzer Zeit von ihrem Cousin entmachtet wird und ihre Getreuen unterdrückt werden. So eine entscheidende Wendung hätte man über einen längeren Zeitraum entwickeln müssen und nicht nur so wenige Episoden. Die meiste Zeit tritt auch der Plot um den Fremden und die Harfuß-Mädchen im lebensfeindlichen Wüstenland Rhûn auf der Stelle. Payne, McKay und Co reizen auch das Mystery-Box-Erzählen zu sehr aus. Ein weiterer, „dunkler“ Zauberer, dessen Identität zwar noch nicht bestätigt wird, Tolkien-erfahrene Zuschauer*innen aber ganz klar erkennen können, tritt nämlich auf den Plan
Und dann wäre da noch der fast etwas plumpe Fanservice, wenn Staffel zwei Figuren und Elemente aus der Vorlage auspackt, welche in der Filmtrilogie von Peter Jackson nicht vorkamen und letzterem dabei quasi eine lange Nase gezogen wird. Rory Kinnear (Penny Dreadful, Men) als Tom Bombadil macht seine Sache wirklich gut, kaum mehr als ein Erklärbar darf die kuriose Gestalt allerdings nicht sein. Zudem bekommen es die Elben mal kurz mit einer Horde Grabunholde zu tun und eine Begegnung mit zwei Ents darf nach Ansicht der Macher auch nicht fehlen, auch wenn diese keine wirklichen Konsequenzen nach sich zieht. Sehr wahrscheinlich wäre es besser gewesen, nicht alle wichtigen Plot-Elemente des Zweiten Zeitalters in die Handlung einer Serie zusammenzuwürfeln sondern stattdessen mehrere separate Anthologie-Formate mit den wichtigsten Themen (Untergang Númenors, Schmieden der Ringe usw.) im Zentrum zu produzieren. So aber präsentiert sich Die Ringe der Macht wie eine oft zu beliebige Querfeldein-Wanderung, die zwar feste Ziele ins Auge gefasst hat, aber auf dem Weg dorthin immer wieder ins Schlingern gerät.
Bedauerlich, dass es der Serie in erzählerischer Hinsicht an Konsistenz fehlt. Denn bezüglich fast allen übrigen Aspekten der Produktion kann das Amazon Prime-Flagschiff überzeugen. Kostüme, Kulissen, Maskenbild (vor allen bei den gekonnt schaurigen Orks) und visuelle Effekte, alles und auf absolut hohem Niveau. Da kann die solide, aber auf Dauer etwas austauschbare Musik von Bear McCreary (Battlestar Galactica) nicht ganz mithalten. Die Kluft zwischen großem produktionstechnischem Aufwand und etwas suboptimalen Drehbüchern kennt man aus dem Blockbuster-Kino, doch bei einer Serie mit etwa neun Stunden Laufzeit sollte dieses Problem nicht so sehr ins Gewicht fallen. Die Lösung wäre vermutlich, alle knapp zwei Jahre nicht nur acht, sondern mehr Folgen zu machen. Was bei dem Aufwand (acht Monate Drehzeit für die gleiche Anzahl an Episoden) schwer sein dürfte. Vielleicht wächst Die Ringe der Macht aber auch noch mit den voraussichtlich drei ausstehenden Staffeln aus diesen narrativen Kinderschuhen heraus. Ich jedenfalls würde mich darüber freuen.
Die komplette zweite Staffel von Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht ist seit dem 3. Oktober 2024 Teil des Angebots von Amazon Prime.
Fazit: Hochwertig produzierte und spannende, aber inhaltlich leider durchwachsene zweite Staffel. 6 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 6. Oktober 2024. Bilder: Amazon/New Line Cinema.
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